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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Afghanistan

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Afghanistan (Geographie und Statistik)

dadurch im stande, schnell auf jeder Eisenbahn befördert zu werden und vom Bahnkörper aus stets schußfertig nach allen Richtungen zu sein. Seit dem Herbst 1889 nach langen Versuchen in Frankreich eingeführt.

Afghanistan, der persische, allgemein gebräuchliche Name des Landes der Afghanen, einheimisch kurzweg als Urlajat (Stammland) oder nach den Hauptgebieten als Kabulistan u. s. w. bezeichnet.

Lage, Grenzen und Ausdehnung. A. liegt, geographisch, geschichtlich und sprachlich den Übergang von Indien zum westl. Asien bildend, zwischen 28° 45' und 37° 45' nördl. Br. und 60° 55' und 74° 45' östl. L. Im O. wird es von den Pamirlandschaften sowie Tschitral, Kafiristan, Pischawar und dem Pandschab, im S. von Belutschistan, im W. durch das pers. Chorassan, im N. durch das jetzt russ. Gebiet der Turkmenen, Buchara, Darwas, Schignan und Ostturkestan begrenzt, und zwar so, daß die Orte Merutschak am Murghab, Andchui und die Amufähre bei Chodscha Salih noch auf afghan. Gebiete liegen. Auf dem Pamir bildet der Teil des Amu, der aus dem Sarikul entspringt, die Grenze. Die Bestandteile A.s sind: im N., von W. nach O., das Kyptschak, Dschemschidi und Gardschistan um den obern Murghab; Maimene, Balch, Chulm, Kundus, Badachschan und Wachan, über welch letztern nur eine lose Oberhoheit ausgeübt wird (insgesamt das afghan. Turkestan); im W., von N. nach S. Ghur oder Ghurdschistan und Herat, ferner Teile von Seistan; östlich davon, im N., das Aimak- und Hasara-Gebirgsland; südlicher das Hilmendgebiet: Samindawar und Garmsel; östlicher das eigentliche A., zu dem im NO. Kabulistan, im SO. Siwistan gehören. Das Areal beträgt seit 1887 mit den Grenzgebieten im O. (117000) etwa 667000 qkm. (S. Karte: Westasien II, beim Artikel Asien.)

Bodengestaltung und Bewässerung. Die Bodengestalt A.s wird beherrscht durch das Hindukusch-Gebirgssystem, welches in zahlreichen Verzweigungen das ganze Land durchzieht und im W. in die pers. Gebirge übergeht. Vier Fünftel des Landes sind daher gebirgig, zwischen den Ketten liegen gut bewässerte, höchst fruchtbare Thäler von hoher Schönheit und kalte, öde, kaum Weide bietende Tafelländer von bedeutender Höhe. Im N. zieht sich von der Pamir westwärts der 6000 m übersteigende Hindukusch mit seinen Schneegipfeln und unwegsamen Zerklüftungen. Von letzterm durch den geschichtlich bedeutsamen Bamianpaß geschieden, läuft in derselben Richtung westlich der nach der Nordseite wild und zerklüftet abfallende Gebirgszug Kohi-Baba, etwa 5500 m hoch, ebenfalls in die Region ewigen Schnees aufragend, auf dem der Hilmend entspringt und sechs sehr beschwerliche Pässe den Verkehr vermitteln. Dem Kohi-Baba schließen sich wiederum westlich zwei parallele Gebirgszüge an, der Sefid-Koh (Weißes Gebirge, der alte Paropamisus) und der Sija-Koh (Schwarzes Gebirge), die das Thal von Herat einschließen. Der westl. Sefid-Koh ist nicht zu verwechseln mit dem östl. Sefid-Koh. Von dem Hauptzuge des Hindukusch und Kohi-Baba aus zweigen sich zahlreiche Ketten ab, welche gegen SW. zum Unterlaufe des Hilmend ziehen, südöstlich Herat das Bergland Hasara anfüllen und im SO. A.s fast Südrichtung erhalten, so daß ein fächerförmiges Auseinanderstreben stattfindet. Am bekanntesten sind hier die östl. und die westl. Suleimankette, in deren letzterer unter 31° 4' nördl. Br. der Tacht-i-Suleiman bis zu 3910 m aufsteigt. Dieser bis nach Belutschistan hinabreichende Höhenzug bildet eine höchst charakteristische Grenze zwischen der ind. und pers. Welt, mit seinem öden, steinigen Abfall im W. stark gegen das fruchtbare Industhal abstechend. Es giebt unter den zahlreichen, wegen ihrer Enge und ihrer räuberischen Anwohner gefährlichen Verbindungswege fünf wichtigere: den 53 km langen Chaibarpaß (s. d.) an dem Durchbruch des Kabulflusses nach dem Pandschab, der Kurumpaß von Bannu nach Thal und Fort Kurum und nach Ghasni, südlicher der Chusoran und der für Artillerie gangbare Tankpaß; an der Nordseite des Tacht-i-Suleiman der Gomal- oder Gumal- oder Ghwalarpaß (235 km). Fast im rechten Winkel zum Suleimangebirge verläuft der östl. Sefid-Koh mit dem 4500 m hohen Paiwarpasse südlich Kabul. Zu den Erhebungen des Nordens und Ostens bietet die Einsenkung des Südwestens, welche durchaus den Wüstencharakter des innern Iran hat, das Gegenbild. Hier liegt der Hamunsumpf (2920 qkm) nur etwa 450 m hoch. Eine bedeutende Stromentwicklung kann in einem so vielfach von Höhen durchzogenen Lande nicht stattfinden. Der größte Fluß, der Hilmend (1120 km), hat ein Wassergebiet von 517000 qkm, verläuft sich aber als Binnenfluß bedeutungslos in den Hamunsee, in den sich außerdem von N. der Adraskan oder Harud und der Farrah-Rud, von O. der Chasch-Rud ergießen. Der Hauptzufluß des Hilmend ist der Argandab mit dem Tarnak. Der Kabul durchbricht zwischen Dschalalabad und Pischawar das östl. Gebirge, um dem Indus zuzufließen. Die Nordgrenze A.s bildet der Amu, unter dessen Nebenflüssen der Kundus der bedeutendste ist, während der Murghab und der Herirud in der Turkmenenwüste versiegen.

Klima. Binnenländischen Charakter trägt durchweg das im ganzen trockne Klima A.s, obschon es vielfache, durch die wechselnden Höhenverhältnisse und Richtungen der Gebirgszüge bedingte Abstufungen zeigt. In Ghasni dauert der außerordentlich strenge Winter über vier Monate, der Schnee liegt bis in den Frühling hinein und der Sommer ist hier kaum so warm wie in England. Die nördl. Hochländer werden von schneereichen Winterstürmen heimgesucht; die südwestl. Ebene hat im Juni 50° C. im Schatten und auch in Kabul und Dschalalabad ist der Sommer zuweilen unerträglich beiß.

Mineralien. Der mannigfaltige Produktenreichtum des Landes ist noch lange nicht in vollem Maße in den Handelsverkehr eingetreten. Der Hindukusch hat Eisen und Blei in bemerkenswerten Massen geliefert, und in den westl. Gebirgen hat sich außer Blei auch Schwefel gefunden. Eine Goldmine ist neuerdings unweit Kandahar eröffnet worden, und die Gebirge im NO. scheinen reiche Goldländer zu sein; Steinsalz und Kohlen liefert das Gebirge in Menge; berühmt sind die Rubinen von Badachschan.

Pflanzenwelt. Vegetabilische Produkte der verschiedensten Arten finden sich, je nach der Höhenlage, vom ind. Zuckerrohr und der Dattelpalme bis zu den europ. Getreidegattungen; außer den letztern gedeihen hier ebensogut Mais und Reis sowie Tabak. Die geschützten Thäler reifen neben Äpfeln und Aprikosen auch Feigen und Wein, wie denn die Flora des Orients sich hier mit der Vorderindiens vermischt, und auf den Hochsteppen wachsen die merkwürdigen aromatischen Hochstauden von Dolden, die Asa foetida und Galbanum liefern.

Tierwelt. Neben Schakal, Hyäne, Bär, Wolf, Fuchs, Löwe, Tiger und Leopard in den Bergklüften