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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Agrinion; Agrionia; Agrippa; Agrippina

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Agrinion - Agrippina

der Regel eine endständige Ähre oder Traube bildenden gelben Blüten. In Deutschland ist die bekannteste Art die überall häufige A. eupatoria L. (gemeiner Odermennig, Ackermennig, Leberklette, Steinwurz), deren schwach, aber angenehm aromatisch riechendes, bitterlich schmeckendes Kraut (Herba Agrimoniae) früher offizinell war.

Agrinion, altgriech. Stadt in Ätolien, jetzt Name des 7 km westlich gelegenen, volkstümlich Brachori genannten Hauptorts der Eparchie Trichonia des Nomos Akarnania und Ätolia, Endpunkt der Linie A.-Mesolongion (44 km) der Ätol. Eisenbahn, hat (1889) 7430 E. und ein Gymnasium. Die Stadt liegt am Nordrande der ätol. Ebene, der Hauptgegend des griech. Tabaksbaues.

Agrionia (grch.), ein nächtliches Dionysosfest in Orchomenos, an dem Frauen den verschwundenen Dionysos suchten, bis sie das Suchen aufgaben, da er zu den Musen entflohen sei. Hierauf versammelten sie sich zu einem Mahle und unterhielten sich zum Schluß mit Rätseln. Auch fand an dem Feste der Gebrauch statt, daß Jungfrauen aus dem Geschlechte des Minyas von einem Priester mit gezogenem Schwerte verfolgt wurden und daß dieser die von ihm Eingeholte töten durfte. Diesen Gebrauch erklärte eine Sage so, daß drei Töchter des Minyas (Leukippe, Arsinoe und Alkithoe oder Alkathoe), die der Dionysosfeier sich entziehen wollten, zur Strafe von ekstatischer Leidenschaft ergriffen, begierig nach Menschenfleisch wurden, das Los über ihre Kinder warfen und den vom Lose betroffenen Hippasos, den Sohn der Leukippe, zerstückelten. Dionysos selbst hieß auch Agrionios. Der Name, mit grch. agrios, "wild", zusammenhängend, weist auf jene uralten, halbbarbarischen Kulte hin, in denen Dionysos mit blutigen Tier-, auch Menschenopfern gefeiert wurde.

Agrippa, Marcus Vipsanius, röm. Feldherr und Staatsmann, geb. 63 v. Chr., aus geringer Familie, trat früh mit Octavian in freundschaftliche Beziehungen. Seine polit. Laufbahn begann er 43 mit der Anklage des Cassius als Mörder Cäsars. Nachdem er sich durch Erfolge 41 im Perusinischen Kriege, 38 in Gallien das Vertrauen Octavians erworben hatte und 37 Konsul geworden war, schlug er 36 den Sertus Pompejus erst bei Mylä, dann (3. Sept.) bei Naulochus. Darauf kämpfte er im Verein mit Octavian in Illyrien (35), dann in Dalmatien (34), übernahm 33 die Ädilität und bezeichnete seine Amtsthätigkeit durch großartige Werke zum Nutzen oder zur Verschönerung Roms (wie die Wasserleitungen). Als der Kampf zwischen Octavian und Antonius ausbrach, übernahm A. im Frühjahr 31 den Befehl über Octavians Flotte und gewann 2. Sept. 31 die Schlacht bei Actium (s. d.). A. ging dann mit unbegrenzter Vollmacht nach Rom, wo er zusammen mit Mäcenas Octavians Macht sicherzustellen suchte. Dieser machte ihn 28 und 27 zum Amtsgenossen im Konsulat. Um Streitigkeiten mit dem eifersüchtigen Marcellus, dem Neffen und Schwiegersohn des Octavian, vorzubeugen, mußte jedoch A. nach Asien gehen, wo er an der Spitze der Regierung des Orients zu Mytilene lebte. Nach dem Tode des Marcellus wurde A. 21 nach Sicilien berufen und heiratete Julia, die Tochter Octavians und Witwe des Marcellus. Endlich machte Octavian den A. zu seinem Kollegen in der tribunicischen Gewalt. Als Feldherr und Staatsmann war er noch 20 und 19 in Gallien, Spanien und im Orient thätig und starb, nachdem er zur Unterdrückung eines Aufstandes in Pannonien gewesen und auf der Rückreise erkrankt war, im März 12 v. Chr. Unter seiner Leitung fand eine allgemeine Vermessung des Römischen Reichs statt, deren Ergebnisse in den "Commentarii Agrippae", sowie zum Teil in einer nach diesen entworfenen Weltkarte niedergelegt wurden. Über A.s Töchter s. Agrippina; seine Söhne wurden von Octavian adoptiert.

Agrippa, Cornelius Heinr., von Nettesheim, Schriftsteller, Arzt und Philosoph, geb. zu Köln 14. Sept. 1486, führte ein abenteuerliches unstetes Leben. Seit 1509 Lehrer der Theologie zu Dôle in der Franche-Comté, reizte er durch derbe Satire die Mönche und mußte, der Ketzerei beschuldigt, die Stadt verlassen. Er ging nach England, lehrte einige Zeit in Köln Theologie und reiste sodann nach Italien, wo er unter Kaiser Maximilian I. Kriegsdienste nahm und als Hauptmann zum Ritter geschlagen wurde. Darauf Doktor der Rechte und der Medizin, hielt er zu Pavia Vortrage, bis er Schulden halber flüchten mußte. Nach einiger Zeit Syndikus in Metz, befand er sich schon 1520 wieder in Köln, da er durch Verteidigung einer Hexe Inquisition und Mönche in Metz gegen sich aufgeregt hatte. Auch in Köln verfolgt, ging er nach Freiburg in der Schweiz, wo er als Arzt wirkte, wandte sich 1524 wieder nach Metz und wurde Leibarzt der Mutter König Franz' I. Weil er den Ausgang des Feldzugs, den Franz I. 1525 nach Italien unternahm, nicht vorhersagen wollte, verlor er die Stelle und ging nach den Niederlanden. Hier schrieb er das berühmte Buch "De incertitudine et vanitate scientiarum declamatio invectiva" (Köln 1527), eine beißende Satire auf den Zustand der Wissenschaften, wurde deshalb bei Karl V. angeklagt und wandte sich nach Lyon, wo er abermals verhaftet wurde. Auf Verwenden von Freunden freigegeben, ging er nach Grenoble, wo er 18. Febr. 1535 starb. A. hat das Verdienst, manches Vorurteil seiner Zeit, z. B. den Glauben an Hexerei, glücklich bekämpft zu haben. Gegenüber der herrschenden Scholastik stellte er in "De occulta philosophia" (Köln 1510; dann 1531-33; deutsch Stuttg. 1855) ein System der kabbalistisch-mystischen Philosophie auf. Eine vollständige Sammlung seiner Schriften, unter denen noch die "Declamatio de nobilitate et praecellentia foeminei sexus" (Antw. 1529) hervorzuheben ist, erschien in 2 Bdn. (Lyon 1550; deutsch, 5 Bde., Stuttg. 1856). Eine Biographie A.s hat Morley (2 Bde., Lond. 1856) geliefert. - Vgl. Sigwart, Kleine Schriften, I (2. Aufl., Freiburg 1889).

Agrippina. 1) A. (Vipsania), Tochter des M. Vipsanius Agrippa und der Pomponia Attica, die erste Gemahlin des röm. Kaisers Tiberius (s. d.). - 2) Tochter des M. Vipsanius Agrippa und der Julia, die Gemahlin des Germanicus (s. d.), begleitete ihren Gatten nach Germanien, wo sie besonders bei den Ereignissen der Jahre 14 und 15 n. Chr. viel Mut bekundete, und folgte ihm auch später nach dem Orient. Nach seinem Tode (19) kehrte sie mit ihren Kindern nach Rom zurück und kam hier in den Verdacht, daß sie strebe, ihren Söhnen, die nach dem Tode von Tiberius' Sohn Drusus Anwartschaft auf den Thron hatten, zur Herrschaft zu verhelfen. Dem Tiberius und dessen Mutter Livia verhaßt, von Sejanus, dem Günstling des Kaisers, verdächtigt, wurde A. 29 n. Chr. nach der Insel Pandateria bei Neapel verbannt, wo sie 18. Okt. 33 den Hungertod starb, ob freiwillig oder gezwungen,