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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ägypten (alte Geschichte)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (alte Geschichte)'

  • der Hyksos: um 1700);
  • 3) das neue Reich (Dynastie 18–21: 1600–1150 V. Chr. [Dynastie 18: 1000–1400, Dynastie 19: 1400–1270, Dynastie 20: 1270–1150, Dynastie 21: 1150–950]);
  • 4) Epoche der libyschen Herrschaft (Dynastie 22: 950–750 v. Chr.); die Herrschaft der Äthiopen und Assyrer (728–663);
  • 5) Spätzeit (Dynastie 26–31: 663–331 v. Chr.: Dynastie 26: 663–525).

3) Urgeschichte. In der Zeit, in der die Ägypter mit ihren Denkmälern zum erstenmal als histor. Volk uns entgegentreten, ist ihre Kulturentwicklung beinahe abgeschlossen. Sie haben eine ausgebildete Staatsverfassung, eine fast fertige Kunst, eine vollständig entwickelte Schrift und Litteratur. Die religiösen Anschauungen sind zu einem systematischen Abschluß gekommen. Wie lange Zeit das Volk zu diesen Errungenschaften gebraucht hat, ist unbekannt, nur durch Vermutungen kann man an einzelnen Stellen das Dunkel der ägypt. Urgeschichte erhellen. Das Wichtigste ist, daß das Land ursprünglich kein einheitliches Reich bildete, sondern in zwei Staaten geteilt war, den Norden und den Süden, deren Grenze sich oberhalb Memphis befunden hat. Die Einigung scheint (in welcher Weise, wissen wir nicht) von Oberägypten ausgegangen zu sein; wenigstens spielt in histor. Zeit im Ceremoniell (Titulatur des Königs: König von Ober- und Unterägypten) das Oberland die erste Rolle. Der Staat zerfiel in eine Reihe kleiner Fürstentümer, die ursprünglich wohl unabhängig waren, dann aber zu Gunsten des Einheitsstaates ihre Selbständigkeit aufgegeben hatten und zu Provinzen (Gauen) herabgesunken waren. Ganz war übrigens auch in histor. Zeit bei den Gauen und Fürsten das Gefühl ihrer einstigen Unabhängigkeit nicht geschwunden; wann auch immer die Kraft des Reichsoberhaupts erlahmte, machten sie sich selbständig und trieben ihre eigene Politik. Von dieser Urgeschichte weiß natürlich die histor. Zeit nichts. Sie nimmt an, daß Ä. vor der Herrschaft der irdischen Könige von den Göttern beherrscht worden sei. Herodot spricht von drei Göttergeschlechtern, die nacheinander geherrscht haben und deren Folge und Zeit von den Priestern angegeben wurden. Auch Manetho führt mehrere Götterdynastien auf. Aus seiner Erzählung geht ferner hervor, daß diese drei Götterherrschaften wirklich als regierende Dynastien, wie die der menschlichen Könige, von der Tradition aufgefaßt wurden. Ähnlich setzt die einheimische Überlieferung, wie sie im Turiner Königspapyrus vorliegt, an den Anfang der Geschichte eine lange Götterherrschaft. Zuerst habe Ptah, der Gott von Memphis, regiert; ihm sei der Sonnengott Re gefolgt. Dann kommen Schu, der Kreis des Osiris, Thot, Anubis und andere Gottheiten. Ihnen folgten Halbgötter, die als «Diener des Horus» bezeichnet werden und den Übergang zur histor. Zeit bilden. – Zur Annahme eines prähistor. Steinzeitalters, das verschiedene Gelehrte (vgl. Mook, Ä.s vormetallische Zeit, Würzb. 1880) auch für Ä. angenommen haben, liegen keine hinreichenden Gründe vor.

4) Das alte Reich. Als ersten ägypt. König, der möglicherweise auch die Einigung des Staates vorgenommen hat, nennen sowohl die Denkmäler als auch die Listen Manethos den Menes. Er stammte aus Thinis, der Nachbarstadt von Abydos in Oberägypten und soll die Hauptstadt des alten Reichs, Memphis, und den Tempel ihres Hauptgottes Ptah gegründet haben. Seine Regierungszeit (Dynastie 1) ist um 3180 v. Chr. (nach Ed. Meyer) anzusetzen. ↔

Die Dynastie des Menes soll nach Manethos Angabe 253 Jahre regiert haben; ihr folgten zwei Dynastien, über die beglaubigte Nachrichten nicht vorliegen. Von Denkmälern aus dieser Zeit sind zu nennen: die große Sphinx von Giseh (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, Fig. 1), die vielleicht sogar in die prähistor. Zeit gehört, jedenfalls aber schon zur Zeit des Königs Cheops (Dynastie 4) vorhanden war; die Stufenpyramide von Sakkara, die wahrscheinlich das Grab des Königs Zoser (Dynastie 3) ist; auch die Pyramiden von Dahschur (etwas südlich von Memphis am Rande der Libyschen Wüste), sowie einige Reste von Privatgräbern gehören vermutlich in die dritte Dynastie. Mit überraschender Fülle entfaltet sich aber mit einem Mal das ägypt. Leben in den zahlreichen Denkmälern der vierten Dynastie. Ihr und der sich anschließenden fünften gehören die großen Pyramiden von Giseh mit den vielen umliegenden, teils aufgebauten, teils in den Fels gehauenen Privatgräbern an. Die von Manetho und den griech. Schriftstellern genannten Erbauer dieser Pyramiden fanden sich auf den Bausteinen und Sarkophagen aufgezeichnet und bildeten so die ältesten und wichtigsten Vergleichungspunkte zwischen den Manethonischen Königslisten und den Denkmälern.

Der erste König der vierten Dynastie ist Snofru; er ist auch der erste Herrscher, von dessen Thaten gleichzeitige Denkmäler berichten. Er hat die Beduinen der Sinaihalbinsel besiegt und hier die ägypt. Herrschaft befestigt, wenn nicht überhaupt begründet. Sein Grabmal ist die in der Nähe der Fajumoase gelegene Pyramide von Meidmu, die aus drei aufeinander gesetzten viereckigen Türmen mit abgeschrägten Seiten besteht. Von seinen Nachfolgern sind Chufu (Cheops, s. d.), Chafré (Chephren, s. d.) und Menkere (Mykerinos, s. d.) durch ihre Pyramiden bekannt. Von kriegerischen Thaten dieser Könige ist uns nichts überliefert. Ihre Regierungszeit war wohl eine friedliche, so daß die Kräfte des Landes ganz auf jene Riesenbauten verwendet werden konnten. Auch von den Herrschern der fünften Dynastie ist wenig bekannt. Bestattet sind sie wahrscheinlich in den Pyramiden von Abusir (nördlich von Memphis). Der letzte König ist Unis, dessen Grab eine Pyramide von Sakkara ist. Zu den Herrschern der sechsten Dynastie, deren Pyramiden ebenfalls bei Sakkara liegen, gehört Pepy II., der im sechsten Lebensjahre den Thron bestiegen haben und 100 J. alt geworden sein soll, demgemäß also die längste Regierungszeit in der Geschichte gehabt hätte.

Nach der sechsten Dynastie tritt eine Zeit des Verfalls ein, aus der nur wenig Denkmäler erhalten geblieben sind. Das Königtum, das in Unterägypten seinen Sitz hatte, scheint an Macht Einbuße erlitten und der Staat sich in kleine Fürstentümer zersplittert zu haben, die einander oft befehdeten.

5) Das mittlere Reich. Die Reorganisation des Staates ging vom Süden aus. Ein oberägypt. Geschlecht übernimmt die Führung des Landes und führt für Ä. eine zweite Blütezeit herauf. Das Land erreicht jetzt seinen Gipfelpunkt an Macht und Wohlstand. Zahlreiche, durch das ganze Nilthal zerstreute Denkmäler bezeugen dies. Im Innern wurde die Verwaltung reorganisiert und die gelockerten Rechtsverhältnisse wieder befestigt. Kunst und Litteratur blühten auf und entfalteten sich so, daß das mittlere Reich als ihre klassische Periode gilt. Zu dieser Zeit wurde wohl auch die Libysche Oase Fajum durch die künstliche Hereinleitung eines Nilarms mit dem Nil-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 239.