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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ägypten (alte Geschichte)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (alte Geschichte)'

thale verbunden und zu einer der fruchtbarsten Provinzen des Landes umgeschaffen. Einer der Herrscher dieser Epoche, Amenemhét III. (um 1900 v. Chr.), war es auch, der hier das große Wasserreservoir, den See Möris (s. d), den Riesenbau des Labyrinths (s. d.) anlegte und am Eingange des Fajum, bei dem Dorfe Hawara, sich seine Grabpyramide erbaute. Auch nach außen hin hat die 12. Dynastie ihre Macht entfaltet. Vor allem ist ihr die schon in früherer Zeit versuchte Unterwerfung Nubiens, des südl. Grenzlandes, gelungen. Bei dem Dorfe Semneh, 60 km oberhalb des Katarakts von Wadihalfa, wurde von Usertesen III. (um 1950 v. Chr.) die Grenze des Reichs festgesetzt und durch zwei Festungen geschützt. Auch mit Syrien und Südarabien hatte das Reich in jener Epoche Beziehungen, die aber mehr friedlicher Art waren und die Förderung des Handels bezweckten. Die Residenz der Könige des mittlern Reichs war in Mittelägypten, im Fajum, und wahrscheinlich auch in Oberägypten, in Theben. Die Bauthätigkeit während der 12. Dynastie war überaus groß; es findet sich fast keine größere Ruinenstätte in irgend einem Teile des Landes, die nicht Trümmerreste aus jener Blüteepoche aufweist. Unter der 13. Dynastie sank die Macht des Reichs von ihrer Höhe herab. Es traten wiederum innere polit. Wirren ein, die das Land von neuem zerrütteten. Dazu kam ein äußerer Feind. Das asiat. Hirtenvolk der Hyksos (s. d.) fiel von Nordosten her in Ä. ein und unterwarf sich zunächst das Delta und von hier aus Unterägypten mit der Hauptstadt Memphis. Die Residenz der Hyksoskönige war die Festung Auaris (ägypt. Ha(t)-ware), die im östl. Delta in der Nähe von Tanis gelegen war. Während die Fremden in Unterägypten herrschten, scheinen die Nachkommen der einheimischen Könige in Oberägypten ihre Selbständigkeit behauptet zu haben. Einen tiefgehenden Einfluß haben die Hyksos auf Ä. wohl nicht ausgeübt. Nachdem sie einmal das Land unterjocht hatten, haben sie sich der überlegenen Civilisation der Besiegten unterworfen und die alte Verwaltung bestehen lassen. Nur die Verehrung ihrer Heimatsgötter behielten sie bei.

Um 1600 v. Chr. gelang es dem oberägypt. Königshause, das in Theben residierte, das Joch der Fremdherrschaft von Ä. abzuschütteln. Der Befreiungskampf dauerte lange Zeit. König Ra'seknen nahm ihn auf, und erst seinem Enkel Amosis gelang es, das Hauptbollwerk der Hyksos, die Stadt Auaris, zu nehmen und ihre Macht endgültig zu brechen.

6) Das neue Reich. Mit Amosis beginnt das neue Reich und damit die Epoche der Großmacht Ä., in der seine Könige, die Amenophis und Thutmosis, ihre siegreichen Waffen nach Nubien und Syrien trugen und mit den entfernten Herrschern Kleinasiens in enge polit. Beziehungen traten. Diese Veränderung der äußern Stellung Ä.s hatte auch eine tiefgehende Umgestaltung des Volkslebens zur Folge. Durch die Tribute der fremden Staaten flossen ungeheure Reichtümer ins Land, besonders nach der Reichshauptstadt Theben. Großartige Denkmäler erstanden, und das Gefühl der gesicherten, rasch wachsenden Macht durchdrang überall die Werke jener Zeit, die noch heute bewundert werden. Nach der Vertreibung der Hyksos wurden zunächst die innern Verhältnisse neu befestigt und geordnet; mit der Macht der lokalen Gaufürsten war es jetzt für immer vorüber. Eine streng einheitliche Verwaltung wurde eingeführt. Nach außen hin wandten sich die ↔ ägypt. Waffen zunächst nach Nubien, das während der Hyksosherrschaft dem Reiche verloren gegangen war und nun zurückerobert wurde. Dann wurden Syrien und Palästina zu ägypt. Provinzen gemacht. Vor allem war es König Thutmosis III. (1503–1449 v. Chr.), eine der glanzvollsten Erscheinungen der ägypt. Geschichte, der in zahlreichen Feldzügen ganz Syrien südlich vom Amanus und westlich vom Euphrat dem ägypt. Reiche sicherte. Fernere Staaten, wie Cypern, Cilicien, Assyrien und Babylonien, warben um seine Freundschaft und schickten Tribute. Sein dritter Nachfolger Amenophis III. und dessen Sohn Amenophis IV. hielten den unter ihrem Vorgänger angebahnten Verkehr mit den Großmächten, besonders Naharina (einem Staate am obern Euphrat), Assyrien und Babylonien aufrecht. Der Fund von El-Amarna (s. d.), der einen Teil der ägypt. Staatsarchive enthält, hat den diplomat. Briefwechsel dieser Könige mit den Herrschern der erwähnten Staaten bewahrt und uns interessante Einblicke in ihre gegenseitigen Beziehungen gewährt. So erfährt man, daß Amenophis III. und auch sein Sohn und Nachfolger Prinzessinnen von Naharina zu Gemahlinnen hatten und so auch ein Band naher Verwandtschaft zwischen den Königshöfen am Nil und Euphrat geknüpft war. Unter Amenophis IV. geriet die ägypt. Oberherrschaft in Syrien bereits ins Schwanken; im Norden drangen die Hethiter vor und suchten ihre Macht auszubreiten; im Süden richteten die Chabiri, in denen wohl die Hebräer zu sehen sind, Angriffe gegen die ägypt. Garnisonen und besonders gegen die Stadt Jerusalem. Unter den Nachfolgern Amenophis' IV. ist dann die ägypt. Herrschaft in Syrien verloren gegangen. Die Schuld an diesem Rückgang der ägypt. Macht tragen innere Wirren, die an den Namen Amenophis' IV. anknüpfen und in dem Versuche, die alte ägypt. Religion zu reformieren, gipfelten. Amenophis IV. nämlich hatte sich mit beispielloser Energie entschlossen, an Stelle der unzähligen ägypt. Götter, die in den verschiedenen Städten des Landes verehrt wurden und in denen man überall Sonnengötter sah, die Verehrung eines einzigen Gottes, der Sonnenscheibe, einzuführen. Mit Gewalt verbreitete er den neuen Kultus. Die alten Götter wurden von jeder Verehrung ausgeschlossen und ihre Bilder und Namen in allen Tempeln des Landes zerstört. Am meisten verfolgte er den Ammon, dessen Dienst zu seiner Zeit den mächtigsten Aufschwung genommen hatte. Er veränderte infolgedessen auch seinen eigenen Namen Amenophis (Amenhotp), weil in ihm der Name des verhaßten Gottes vorkam, in Chuniten, «Glanz der Sonnenscheibe»; die alte Hauptstadt Theben, die ihn mit ihren Heiligtümern überall an Ammon erinnerte, verließ er und baute sich bei dem heutigen El-Amarna (in Mittelägypten) eine neue Residenz, die er «Horizont der Sonnenscheibe» nannte und mit zahlreichen prächtigen Bauten ausschmückte. Die neue Religion hat aber ihren Gründer nicht lange überlebt. Als Chuniten gestorben war, waren seine Nachfolger nicht im stande, den reaktionären Angriffen der alten Priesterschaft Widerstand zu leisten. Sie sagten sich vom Kultus der «Sonnenscheibe» wieder los und kehrten zur orthodoxen Religion zurück. Wie einst Amenophis IV. die alten Götter verfolgt hatte, so wurde jetzt das Andenken an ihn und seinen Gott überall vernichtet und seine junge Residenz mit den Kultusstätten der Sonnenscheibe dem Erdboden gleichgemacht. Ammon bestieg wieder als «Götterkönig»

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 240.