Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (alte Geschichte)'
zichtet und ihre Hauptkraft auf die Darstellung des Kostüms, der Haartracht, des Schmuckes und der weiten, faltigen Gewänder, die in jener Zeit Mode sind,
verwendet. (S. Tafel: Ägyptische Kunst III, Fig. 17 und auch Fig. 8, wo auf dem Sargdeckel der
Verstorbene in der Tracht seiner Zeit abgebildet ist.) Nach der 20. Dynastie verfiel die Kunst noch mehr, bis sie gegen das Ende der äthiop. Dynastie wieder
belebt wurde und in der scyth. Periode, in der man wieder auf die Vorbilder des alten Reichs zurückgriff, eine kräftige Nachblüte feierte. In den Anfang dieser
Periode gehört die in Giseh befindliche Statue der Königin Amenerdas (s. Tafel: Ägyptische Kunst III,
Fig. 5); in das 4. bis 3. Jahrh. v. Chr. der lebenswahr gehaltene Porträtkopf eines Mannes im Berliner Museum (s. Tafel:
Ägyptische Kunst II, Fig. 4). Auch für die ägypt. Reliefdarstellungen fällt die Blüte in das alte Reich,
in dem die Künstler namentlich bei der Darstellung der Tiere durch die richtige Beobachtung der Natur und die Frische der Auffassung Bewundernswertes
geleistet haben. – Die Malerei hat sich nur selten von der Skulptur getrennt. Wo dies geschehen, ist wohl lediglich der
Kostenpunkt die Veranlassung gewesen, daß man sich statt des teuern Reliefs mit der billigern, auf einen Bewurf von Nilschlamm aufgetragenen Malerei
begnügt hat. In der Zeichnung zeigt die Malerei dieselben Eigentümlichkeiten bei der Wiedergabe des menschlichen Körpers wie das Relief. (S. Tafel:
Altägyptische Malerei; die Figur links auf dem einem Grabe der 20. Dynastie entstammenden, jetzt
im Berliner Museum befindlichen Stuckbilde ist die Königin Nefretere, die rechts ihr Gemahl Amenophis I.; beide wurden in späterer Zeit als Ahnen der Könige
des neuen Reichs verehrt; zu beiden Seiten Ornamente, gleichfalls aus den Gräbern des neuen Reichs.) Die Zahl der Farben, über die die ägypt. Maler
verfügten, ist ziemlich groß; wir besitzen Paletten aus der Zeit des neuen Reichs, in denen 14–16 verschiedene Farben vertreten sind. Die erforderlichen Stoffe
lieferte meist die Erde; so bereitete man Weiß aus Gips, der mit Eiweiß oder Honig gemischt wurde, Gelb aus Ocker oder Schwefelarsenik, Rot aus Ocker oder
Zinnober, Blau aus zerriebenem Lapislazuli oder Kupfervitriol, schwarz aus zerstampften verkohlten Tierknochen. Die Farben wurden in Säckchen aufbewahrt
und mit Wasser angelegt, das mit etwas Tragantgummi versetzt war. Zum Auftragen bediente man sich eines Rohrstengels oder eines mehr oder weniger
starken Haarpinsels.
3) Kunstgewerbe. Nicht minder bewundernswert und großartig, wenn auch weniger allgemein anerkannt sind die
Leistungen der alten Ägypter auf dem Gebiete des Kunsthandwerks. Schon frühzeitig hat der Geschmack am Schönen und die Liebe zum Luxus alle
Gesellschaftsschichten durchdrungen. Der Ägypter liebte es, sowohl in seinem irdischen als auch in seinem «ewigen» Hause wertvolle Amulette und
Kleinodien, sorgfältig gearbeitete Möbel und zierliche Geräte um sich zu haben. Was man auch benutzte, sollte, wenn auch nicht aus kostbarem Material, so
doch in reinen Formen gearbeitet sein. Wo man auch ägypt. Gebrauchsgegenständen begegnet, überall muß man den fein ausgeprägten Geschmack in der
Form und Ornamentik bewundern. Die Formen und Ornamente sind entweder der Architektur entlehnt, z. B. Griffe in Säulenform, Kasten in Gestalt von
Tempelfaçaden, oder, wie in der Töpferei, Flechterei und ↔ Weberei, der Technik selbst entsprungen. Häufig hat das Kunstgewerbe
Nachbildungen von Pflanzen und Tieren, und zwar fast immer der für den besondern Zweck geeignetsten verwendet, indem man entweder dem Gegenstande
selbst die Form von Tieren, Pflanzen u. s. w. gab, oder sie mit Darstellungen aus dem Naturleben verzierte. Es giebt Schälchen in Form von Enten, Gazellen
oder Fischen; runde Teller sind mit Fischen und Lotosblumen verziert; ein Becher aus Fayence zeigt Sumpfvögel und ihr Nest in einem Dickicht, ein Löffelgriff
eine nackte Frau, die Guitarre spielt, an andern Gegenständen befinden sich Elfenbeinarbeiten (s. Tafel:
Ägyptische Kunst III, Fig. 2–4, 6, 10–16). – Vgl. Perrot und Chipiez, Geschichte der Kunst im
Altertum. Ä. (deutsch von Pietschmann, Lpz. 1884); Maspero, Archéologie égyptienne (Par. 1887: deutsch: «Ägypt.
Kunstgeschichte», von Steindorff, Lpz. 1889); Catalogue des monuments et inscriptions de l'Égypte antique (Bd. 1, Wien
1893).
4) Schrift. Litteratur. Wissenschaft. Eine vollständig ausgebildete Schrift findet sich schon auf den ältesten erhaltenen
Monumenten, und mit Sicherheit darf man der Tradition Glauben schenken, daß die Schrift schon unter der Regierung des Menes, also im Beginn histor. Zeit,
im Gebrauche war. Über das Schriftsystem s. Hieroglyphen. Die hohe Ausbildung aller Kulturzweige und Künste, wie sie sich schon in der
dritten und vierten Dynastie kundgiebt, berechtigt auch zu der Annahme, daß sich schon in den ersten Dynastien die Anfänge einer mannigfaltigen Litteratur
gebildet hatten, die sich bald vermehrte und zu Tempelarchiven und Bibliotheken führte. Über solche Aufzeichnungen sind aber die Ägypter wohl schwerlich
hinausgekommen. Ihre chronol. Berechnungen beruhten auf gewissen astron. Kenntnissen, die sie sich schon frühzeitig angeeignet hatten. Den Ägyptern kam
in dieser Beziehung die Natur selber entgegen. Der wolkenlose Himmel erleichterte die Beobachtung der Gestirne, und das regelmäßige Eintreten der
Nilschwelle gab ihnen den natürlichen Anfang eines festen Jahres. Im Anfang ihrer Geschichte fiel hiermit ein anderes Phänomen zusammen, der heliakische
Aufgang des hellsten Fixsterns Sirius, von den Ägyptern Sothis genannt. Dieser Frühaufgang des Sirius trat während des ganzen Zeitraums der ägypt.
Geschichte jedes Jahr fast genau nach 365¼ Tagen wieder ein und gab ihnen daher ein mit dem Julianischen identisches, astronomisch festes Sternenjahr,
nach welchem sie ihr bürgerliches Jahr von 365 Tagen durch die vierjährige Einschaltung eines Tags bequem und genau regulieren konnten, da sich beide
Kalender alle vier Jahre um einen Tag verschoben und nach einer Sothisperiode von 4mal 365 = 1460 Julianischen oder 1461 ägypt. Civiljahren wieder zu dem
gemeinschaftlichen Anfange zurückkehrten. Der erste Tag des etwas kürzern wahren tropischen Sonnenjahres und der durchschnittliche Anfang des davon
abhängigen Nilschwellens hatten sich während dieser langen Periode nur um 11 Tage verschoben. Die Ägypter waren es auch, welche den Fixsternhimmel
zuerst in Sterngruppen zerlegten und diese mit Namen von Sternbildern belegten. Sie teilten den Himmelsäquator in 36 Dekane oder 360 Grade und
verzeichneten die allnächtlichen Aufgänge zu jeder der 12 Nachtstunden von 14 zu 14 Tagen das ganze Jahr hindurch. Mehrere Exemplare solcher Sterntafeln
sind noch erhalten. Auch in der Geometrie
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 247.