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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Aktie und Aktiengesellschaft

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Aktie und Aktiengesellschaft I. Begriff und rechtliche Struktur'

lagen aus den Gewinnen zu den verschiedensten Zwecken gekürzt. Zielen alle diese Vorschriften darauf ab, die Verteilung fiktiver Gewinne zu verhüten, so wird doch der kapitalistischen Natur der Beteiligung des Aktionärs durch die Bestimmung Rechnung getragen, daß er in gutem Glauben empfangene Zinsen und Dividenden nicht zurückzuerstatten hat.

Eine Minderung des Grundkapitals durch teilweise Zurückzahlung oder Herabsetzung ist während des Bestehens der Gesellschaft gestattet, aber nur in der Art einer teilweisen Auflösung der Gesellschaft, welche in den Erfordernissen der öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses, der Aussetzung seiner Ausführung während eines Jahres nach der letzten Bekanntmachung und der Zurückhaltung des zur Befriedigung aller Gläubiger erforderlichen Betrages bei Verantwortung der hiergegen fehlenden verantwortlichen Gesellschaftsorgane Ausdruck findet.

Entsprechend den durch Gesetz und Statut bestimmten Zuständigkeitsgrenzen gelangt der Wille der Gesellschaft in der Mitgliederversammlung (Generalversammlung, s. d.) durch Beschlüsse der Mitglieder sowie durch den Vorstand und Aufsichtsrat (s. d.) zur Äußerung. Vorstand und Aufsichtsrat sind bestellte, aber notwendige Organe, ersterer für die Vertretung der Gesellschaft und für die Geschäftsführung, letzterer für die Kontrolle der Geschäftsführung, beide als Bewahrer des Grundkapitals mit entsprechender Verantwortlichkeit ihrer Mitglieder gegen die Gesellschaft und ihre Gläubiger aufgefaßt. Das unmittelbare, mit dem Bestehen der Gesellschaft von selbst gegebene, unverantwortliche Organ ist die Generalversammlung. Durch sie bestellt die Gesellschaft die Mitglieder des Aufsichtsrats und (zum mindesten mittelbar) auch die des Vorstandes und enthebt sie. Durch sie bethätigt die Gesellschaft den Willen des Geschäftsherrn in seinen Beziehungen zu den beiden andern Organen, sowie den Willen in allen innern Lebensfragen der Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Genehmigung der Bilanzen und die Änderung des Gesellschaftsvertrages. Es sind noch Nebenorgane und Prokuristen zulässig und es kann der Betrieb von Geschäften und die Vertretung in Bezug auf sie auch Beamten oder besondern Bevollmächtigten zugewiesen sein.

Die Aktien werden entsprechend der Festsetzung im Statut auf den Inhaber oder, wenn eine engere Knüpfung der derzeitigen Aktionäre an das Unternehmen bezweckt wird, auf den Namen gestellt. Im letztern Falle bedarf der Nacherwerber zur Geltendmachung der Aktionärrechte in und gegenüber der Gesellschaft der Umschreibung auf seinen Namen im Aktienbuche. Das Statut kann die Übertragung von besonderer Einwilligung der Gesellschaft durch eins oder mehrere ihrer Organe abhängig machen. Immerhin bleibt die Verkörperung des Rechts in der Aktienurkunde auch bei der ungenehmigten Übertragung, wenn man von den Aktien unter 1000 M. absieht, von denen schon oben gesprochen ist und bei denen die Übertragung eine gerichtlich oder notariell beglaubigte Bezeichnung des Erwerbers erfordert, insofern nicht ohne Wirkung, als auch der Veräußerer ohne die Urkunde die Aktienrechte nicht geltend machen kann, so daß hierdurch der Erwerber mittelbar in betreff der Bezüge, welche die Aktie gewähren kann, eine Sicherung erhält. Die in der Aktie zum Ausdruck gelangende Mitgliedschaft enthält als die wesentlichen Bestandteile den Anteil am Geldwerte des Gesellschaftsvermögens ↔ und eine Mitwirkung zur Willensbethätigung der Gesellschaft. Der Wertsanteil besteht in den Forderungen auf den anteiligen periodischen Gewinn, soweit er nach Gesetz und Statut zur Verteilung bestimmt ist, sowie auf den quotalen Betrag des nach Auflösung der Gesellschaft und Befriedigung der Gläubiger verbleibenden, in Geld umgesetzten Vermögens, die sog. Liquidationsquote. Hierzu treten entsprechendenfalls die Rechte auf Zinsen und auf den Bezug neuer Aktien (s. Grundkapitalserhöhung). Insbesondere in diesen Richtungen können die Rechte der Aktionäre verschieden normiert werden, so daß in der einen oder andern Art gegen die übrigen bevorzugte Aktien, Prioritätsaktien (s. d.), bestehen oder durch Erhöhung des Grundkapitals geschaffen werden. Die Mitwirkung zur Willensbethätigung der Gesellschaft vollzieht sich regelmäßig durch Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung. Dem Aktionär steht aber auch ein an die Erfüllung bestimmter Erfordernisse geknüpftes Recht zu, die Wahrung des Gesetzes und des Statuts durch die Generalversammlung mittels Anfechtung eines dagegen verstoßenden Generalversammlungsbeschlusses zu fordern. Neben diesen Einzelrechten der Mitwirkung bestehen Rechte von Minderheiten, teils ohne Ermittelung des Mehrheitswillens, teils gegen denselben, und zwar: die erstern für Aktionäre mit ein Zwanzigstel Grundkapital auf Berufung einer Generalversammlung und Ansetzung von Beschlußgegenständen, sowie auf Ernennung von Liquidatoren (s. Liquidation) durch den Richter, für Aktionäre mit ein Fünftel, bez. ein Zehntel Grundkapital auf Widerspruch gegen Vergleiche und Verzichte in betreff von Ansprüchen aus der Gründung, bez. auf Vertagung der Beschlußfassung betreffs der Bilanzgenehmigung; die letztern für Aktionäre mit ein Zehntel, bez. ein Fünftel Grundkapital auf Prüfung der Geschäftshergänge durch Revisoren beim Verdacht grober Verstöße, bez. auf Verfolgung der Ansprüche gegen die Organe aus ihrer Verantwortlichkeit namens der Gesellschaft. Diese sämtlichen Rechte werden häufig als Sonder- oder Individualrechte bezeichnet. Sie sind auch durch eine Statutenänderung, abgesehen von den Vorzugsrechten für Prioritätsaktien bei Beschluß einer Sonderversammlung dieser Aktionäre, unentziehbar, doch gilt dies für den Gewinnbezug nur abstrakt, indem die Höhe des zu verteilenden Gewinns für die Zukunft unter gleicher Behandlung der Aktien derselben Gattung verändert werden kann. Auch wird die erforderliche Gleichheit der Behandlung der Aktien gleicher Gattung, bei den neuerdings mehrfach zur Konsolidierung notleidender Gesellschaften vorgenommenen Operationen (s. Prioritätsaktien), sog. Sanierungen, thatsächlich vielfach illusorisch. Eine allmähliche Abstoßung der Mitgliedschaften während der Dauer der Gesellschaft geschieht ohne Beeinträchtigung des Grundkapitals und Verletzung der Aktionäre durch die Amortisation (s. d.) der Aktien.

Die Generalversammlung muß berufen werden, wenn der bilanzmäßige Verlust die Hälfte des Grundkapitals erreicht. Die Auflösung der Gesellschaft erfolgt durch Ablauf der für ihre Dauer bestimmten Zeit, durch Mehrheitsbeschluß von mindestens drei Viertel des vertretenen Grundkapitals in der Generalversammlung, durch Eröffnung des Konkurses, der vom Vorstand beantragt werden muß, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, sowie durch Akt der Staatsgewalt bei gemeinschädlichem

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 292.