Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Aktie und Aktiengesellschaft III. Volkswirtschaftliche Bedeutung'
fluktuierenden Kapital arbeiten, jederzeit im genauesten und unmittelbarsten Anschluß an die Konjunktur den Betrieb verändern.
Alles dies ist bei der komplizierten Organisation der Aktiengesellschaft teils viel schwerer, teils überhaupt nicht möglich.
Verminderungen und Vermehrungen des Kapitals sind hier große und schwerfällige Aktionen, die man nicht in kürzern Zeiträumen
beliebig wiederholt. Auch kann kein Aktionär zu neuen Einlagen gezwungen werden. Schließlich und hauptsächlich wird beim
Einzelunternehmer die volle Verantwortlichkeit mit dem vollen Erfolge für sein und seiner Familie dauerndes Eigentum die
Leistung höher steigern, als es die gewissenhafteste Leitung eines fremden Unternehmens auch bei Gewinnbeteiligung vermag.
In der That bezeichnen Großkapital und Individualkraft die den Unternehmungsformen gewiesenen Grenzen. Die
Aktiengesellschaft paßt der Regel nach nicht für Unternehmungen, die ein großes Anlage- und Betriebskapital nicht erfordern,
nicht für Produktionen, die mit starkem Konjunkturenwechsel und großer Privatkonkurrenz zu kämpfen haben, und nicht für solche,
bei denen es sich hauptsächlich um Herstellung von Artikeln handelt, die individuellem Bedürfnisse und Geschmacke
entsprechen sollen. Während nun die Aktiengesellschaft in neuerer Zeit durch die Verstaatlichung der Eisenbahnen, welche die
naturgemäße Folge der auf steigende Konzentration des Eisenbahnwesens gerichteten Entwicklung gewesen ist, sowie durch
die Übernahme größerer gemeinnütziger Betriebe seitens der Gemeinden eine Einengung innerhalb des für sie geeigneten
Gebietes erfahren hat, ist sie andererseits über die ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden Grenzen erheblich hinausgegangen.
Überall zeigt sich die gleiche Erscheinung, daß die Gründungen mit kleinen Kapitalien weit überwiegen und die Kapitalien
durchschnittlich weit kleiner sind, als sie ehedem waren. Das durchschnittliche Kapital der vor 1871 gegründeten deutschen
Aktiengesellschaften hatte sich auf etwa 10,8 Mill. M. belaufen. Es sank für die Gründungen von
1871 auf 4,01, von 1872 auf 2,55, von 1873 auf
3,8 Mill. M. Von 1883 bis 1888 erreichte es nicht mehr den Betrag von 1 Mill. M. Für die Zeit vom
Dez. 1888 bis Aug. 1889 beträgt es 1176054 M. Von den in dieser Zeit gegründeten Gesellschaften haben 54 ein Kapital von
nicht über 250000 M., 47 von nicht über 500000 M. 62 bis zu 1 Mill., 43 bis zu 2 ½ Mill., 14 bis zu 5 Mill., 4 bis zu 10 Mill. M. und
2 über diesen Betrag hinaus. Von den in der Zeit vom 10. Okt. 1889 bis 19. April 1890 gegründeten Gesellschaften ist bei 41
das Kapital nicht über 100000 M. und bei 21 von diesen nicht über 50000 M., 57 Gesellschaften haben ein Kapital von über
100000 M. bis 500000 M., 38 ein solches über 500000 M. bis 1 Mill. M., 21 von da ab bis zu 2 ½ Mill. M. und nur 15 über letztern
Betrag hinaus. Erwägt man, daß an diesen Gründungen mit geringen Kapitalien die Umwandlungen bestehender
Einzelunternehmungen einen hervorragenden Anteil haben, so ergiebt sich ein Schwinden des in festen Händen befindlichen und
zur Vererbung in der Familie geeigneten Unternehmerbesitzes vermöge der Aktiengesellschaft, das vom socialen wie
wirtschaftlichen Standpunkte aus gerechte Bedenken hervorrufen muß. Offenbar hat diese Erscheinung nicht lediglich in dem
Bedürfnisse, sich der unbeschränkten vermögensrechtlichen Haftung zu entledigen, welche das ↔
Einzelunternehmen mit sich bringt, sondern auch wesentlich in der allgemeinen wirtschaftlichen Lage mit ihren gesteigerten
Ansprüchen und der wachsenden Schwierigkeit der Beziehungen des Unternehmers zu den Arbeitern ihren Grund. Aber der
Gedanke, daß eine neue Unternehmungsform, welche bei möglichster Freiheit der Bewegung und Einzelbethätigung der
Teilnehmer doch die beschränkte Haftung zuläßt, für manche Unternehmungen, welche die Form der Aktiengesellschaft bloß
wegen des in anderer Weise nicht zu erreichenden Vorteils der beschränkten Haftung wählen, insbesondere auch unter
Umständen für Fortsetzung des Unternehmens durch Erben, für welche die Auseinandersetzung Schwierigkeiten bietet, die
passendere sein würde, gewann immer mehr Raum. Es ist deshalb in neuester Zeit aus den Kreisen des Großhandels und der
Großindustrie die Forderung auf Zulassung einer neuen Gesellschaftsform mit beschränkter Haftbarkeit an die deutsche
Gesetzgebung herangetreten. Als Grundlage wurde zunächst die zu verallgemeinernde Organisation der bergrechtlichen
Gewerkschaft, im weitern Verlaufe aber die der individualistischen Handelsgesellschaft unter der Beschränkung der Haftung auf
bestimmte Vermögenseinlagen vorgeschlagen. Durch Gesetz vom 20. April 1892 ist auch dem weitern Verlangen nachgegeben
und für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (s. d.)
die rechtliche Grundlage geschaffen worden. Für Kolonialgesellschaften, für deren Errichtung seitens der Interessenten die
Form der Aktiengesellschaft entsprechend dem Gesetz von 1884 derartig ungeeignet erachtet wurde, daß gerade hierin das
Verlangen nach einer neuen Gesellschaftsform eine besondere Stütze fand, hatte zunächst die Gesetzgebung (1888) durch die
Möglichkeit einer Verleihung von Korporationsrechten seitens des Reichs Fürsorge zu treffen gesucht.
Was die Geeignetheit der Aktiengesellschaft für die Kapitalanlage anlangt, so bleiben derselben Leute mit gezählten Mitteln
besser fern, da die Aktien feste Renten nicht gewähren und die gleichmäßige Fortdauer des Ertrags sich nicht verbürgen läßt.
Vgl. Auerbach, Das Aktienwesen (Frankf. 1873); Hecht, Die Kreditinstitute auf Aktien und auf Gegenseitigkeit, Bd. 1
(Mannh. 1874); Öchelhäuser, Die Nachteile des Aktienwesens und die Reform der Aktiengesetzgebung (Berl. 1878); Artikel
Aktiengesellschaften im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 1 (Jena 1890). Für die Statistik: Berliner Aktionär
(Zeitschrift); Salings Börsen-Jahrbuch; für Österreich: Der Kompaß. Finanzielles Jahrbuch; van der Borght, Statist. Studien über
die Bewährung der Aktiengesellschaften (Jena 1883). – Vgl. ferner: Holdheims Wochenschrift für Aktienrecht u. s. w. (Berlin seit
1892); The Economist (Wochenschrift, London);
L’Économiste français (Wochenschrift, Paris); Courtois,
Manuel des fonds publics et des societés par actions (8. Aufl., ebd. 1883).
Aktinien, Klipprosen,
Seerosen, Meer- oder
Seeanemonen (Actiniaria), die höchstentwickelte
Unterordnung der sechsstrahligen Korallenpolypen (s. Hexaktinien). Es sind meist Einzeltiere von relativ
ansehnlicher Größe, welche keine festen Skelettstücke besitzen und durch die Fähigkeit des Ortswechsels und die Beweglichkeit
ihrer Körperteile, wie durch ihr entwickeltes Empfindungsvermögen eine höhere Stellung ihren festsitzenden Verwandten
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 298.