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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Algerien (Bevölkerung, Sprachen und Volksstämme); Algerien (Land- und Forstwirtschaft)

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Algerien (Bevölkerung, Sprachen und Volksstämme. Land- und Forstwirtschaft)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Algerien (Flora und Fauna)'

laskette liegen weite Halfagrassteppen. In den Sahara-Oasen wächst die Dattelpalme, im Tell gedeihen Getreide, Tabak, Krapp, Wein und Südfrüchte. Die Gebirge des Tell wie des Großen Atlas bewohnen noch Löwen und Panther, wenn auch in geringer Anzahl; häufiger sind, besonders im Süden, die Hyäne und der Schakal. Die Steppenlandschaften werden von Gazellenherden durchstreift, sonst ist der Charakter der Tierwelt europäisch. Von Haustieren züchtet man im Tell das Rind, das Schaf, Pferde, Esel und Maulesel; doch sind die Pferde und Schafe der Schott besser als die des Tell. Kamele hält man besonders in der Sahara.

Bevölkerung, Sprachen und Volksstämme. Die Bevölkerung von A. betrug 1872: 3416000, 1877: 3807626, 1881: 3310412, 1880: 3817465, 1890: 3910399, 1891: 4124700 E., wozu noch 50000 Bewohner der alger. Sahara kommen. Die Bevölkerung besteht zum geringern Teil aus seit der Eroberung eingewanderten Europäern, der großen Mehrzahl nach aus Eingeborenen. Letztere gehören vier Volksstämmen an: dem berberischen, arabischen, türkischen und israelitischen. Obgleich A. seit dem 16. Jahrh. im Besitz von Türken gewesen ist, so war die Zahl doch niemals bedeutend und ist unter der franz. Herrschaft allmählich bis auf 2663 Köpfe zusammengeschmolzen. Zu ihnen sind noch die Kuluglis zu rechnen, die aus einer Mischung der Türken mit den übrigen Einwohnern hervorgegangen sind. Die Zahl der Israeliten wird 1851 auf 21048, 1886 auf 42744 angegeben. Den Hauptstock der Bevölkerung bilden Araber und Berbern, zusammen (1886) 3274354 Köpfe. (S. Kabylen.)

Zu den berber. Ureinwohnern kamen seit etwa 670 durch Einwanderungen große Scharen von Arabern, die sich der Herrschaft bemächtigten und den Kabylen den Islam aufdrangen. Doch sind die Stämme, die sich heute Araber nennen, nur zum kleinern Teil rein arab. Abstammung, die meisten von ihnen sind Berbern, die aber arab. Sprache und Sitte angenommen haben. Die Franzosen nannten diese Stämme Beduinen, welcher Name eigentlich nur den Nomaden Arabiens zukommt. Es bilden demnach die Araber das bei weitem überwiegende Element der einheimischen Bevölkerung. Obgleich sich Araber wie Kabylen in Tribus teilen, ist doch ihre Stammverfassung eine ganz verschiedene. Die arab. Tribus ist die patriarchalisch zusammengehaltene Familie, die sich wieder in Duar oder Familiengruppen teilt. Eine Gruppe von im Kreise stehenden Zelten heißt ein Duar (von Daûr, Kreis); mehrere derselben bilden eine Ferka, d. h. Fraktion, unter einem Scheich; mehrere Ferkas eine Tribus, unter einem Kaïd; mehrere Tribus ein Groß-Kaïdat oder Aghalik. Mehrere der letztern stehen auch wohl, als Distrikt, unter einem Basch-Agha und bilden ein Basch-Aghalik oder Chalifat. Bei den Kabylen hingegen ist die Dechra, das Dorf, die polit. Einheit, und die Tribus stellt nur einen Verband mehrerer Dechur oder Dörfer dar. Jede Dechra hat ihren Amin oder eigenen Häuptling, der nur dann, wenn es gemeinschaftliche Interessen erheischen, sich einem Amin der Amins unterordnet. Der Häuptling oder Scheich der Araber wird von dem obersten Machthaber eines Stammes ernannt, der Amin der Kabylen hingegen von seinen Untergebenen erwählt. Die Verfassung der Kabylen ist somit gewissermaßen eine demokratische, während die der arab. Stämme aristokratische und ↔ theokratische Elemente in sich vereinigt. Die Araber haben namentlich die Acker- und Weidegelände im Tell und der Sahara inne. Ein Teil der eingeborenen Bevölkerung lebt nomadisierend in Zelten, ein anderer, mehr stabiler, in leichten Hütten oder Gurbis. Der kleinste Teil besitzt gezimmerte oder gemauerte Häuser. Zu den Arabern werden auch die Mauren gezählt, die den Hauptstock der städtischen Bevölkerung bilden. Letztere sind ein Mischlingsvolk hauptsächlich aus Arabern und Berbern, mit einem starken Zusatz von Renegaten aus europ. Ländern vermischt, zu denen noch Nachkommen der aus Spanien und Portugal vertriebenen Moriskos kommen. Ihre Hauptbeschäftigungen sind Kleinhandel und Handwerke, die aber in Verfall sind.

Die Gesamtzahl der mohammed. Eingeborenen, nicht gerechnet die Marokkaner und Tunesen, die sich in Algier aufhalten, betrug (1880) 3274354; und zwar kamen auf die Provinz Algier 1183005, auf Oran 657914 und auf Constantine 1423960; gegen die Zählung von 1881 ist dies ein Zuwachs von 423000 Mohammedanern, ein Beweis, daß sich die Kolonie A. in stetem Aufblühen befindet. Die Zahl der civilen franz. Bevölkerung belief sich (1886) auf 225660 Seelen, die der übrigen Europäer auf 210203, zusammen etwa 436000, gegen 235000 im J. 1866. Den Hauptbestandteil der Europäer bilden die Spanier mit 144530, seit 1881 30000 Seelen mehr; dann 44315 Italiener, 15533 Engländer, 4863 Deutsche (meist Elsaß-Lothringer), 3404 Schweizer; Marokkaner und Tunesen zählte man 24000. Seit 1881 hat sich die franz. Bevölkerung um 27650 und die europäische um 48000 Seelen vermehrt; sie schreitet also nicht in gleichem Maße mit der mohammedanischen fort. Die Zahl der franz. Besatzung beträgt 47970 Mann, darunter 35925 Franzosen. Unter der europ. Bevölkerung betrug die Zahl der Geburten (1882–84) 44203 und die der Sterbefälle 37924; also ist ein Gesamtüberschuß ersterer von 6279, oder im Durchschnitt ein jährlicher Überschuß von 2093 Geburten vorhanden, mehr als in Frankreich selbst.

Zu jedem der drei Departements gehört ein der Militärgerichtsbarkeit unterstehendes Territoire militaire mit mehr oder minder unterworfener Bevölkerung. Die größten Städte waren 1891 folgende: Algier 82585, Mustapha 24349, Mascara 16482, Mostaganem 14374, Oran 74510, Sidi bel-Abbes 20191, Tlemsen 29544, Bona 30806, Constantine 46581, Philippeville 21962, Blidah 23686, Medea 15563, Dellys 13104, Bougie 12381, Setif 12131, Orléansville 11132, Tisiusu 26007 E.

Land- und Forstwirtschaft. Zur Hebung der Bodenkultur hat es die Regierung an Anstrengungen nicht fehlen lassen, aber der Erfolg blieb weit hinter den angewandten Mühen zurück. Da das System der Konzessionen große Nachteile nach sich zog, so ersetzte man dasselbe 31. Dez. 1864 durch das amerik. Verfahren der Länderverkäufe. Die ackerbautreibende Bevölkerung belief sich (1886) auf 2590482 Individuen, d. i. 6921 von 10000 E. Die zur Landwirtschaft benutzten Ländereien umfaßten (1887) 10566561 ha, auf denen der Anbau der erst in neuerer Zeit in Aufnahme gekommenen Gerste den ersten Platz einnimmt; es wurden geerntet (1887) 1503434 t (51 Proz. Gerste, 33 Proz. Hartkorn, 6 Proz. Weizen). Hafer, besonders weißer und europäischer, liefert guten Ertrag und ist auf dem Markte von Marseille sehr gesucht. Mais,

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 391.