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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Alpen (Einteilung. Klimatische Verhältnisse)

Strecke, von den Freiburger über die Berner A., den Gotthard, Albulapaß bis zum Arlberg, die europ. Hauptwasserscheide in sich auf. Diese tritt von den Vogesen her über den Jura, den Genfer See im N. umziehend, in die A. ein und verläßt diese, um nördlich um den Bodensee herum dem Schwarzwald und weiterhin dem Fichtelgebirge zuzustreben. Sie fällt innerhalb der A. mit der Wasserscheide des Rheingebietes gegen Rhône-, Po- und Donaugebiet zusammen. Das sind die Hauptstromgebiete der A., denen gegenüber die Gebiete der Etsch und der adriatischen sowie der mittelländischen Küstenflüsse nur eine untergeordnete Rolle spielen. Mittelpunkt der Wasserverteilung der A. ist der Stock des St. Gotthard, im besondern der Pizzo Pesciora, von welchem Reuß (Rhein), Rhône und Tessin sich in die Nordsee, das Mittelmeer und nach der Adria hin ergießen. Auch die Fuorcla di Lunghino zwischen Septimer und Maloja ist in dieser Beziehung von hervorragender Bedeutung, da sich auf ihr die Flußgebiete vom Rhein, Po und Inn (Donau) berühren. Sonst giebt es in den A. keinen Punkt, von dem die Gewässer nach drei verschiedenen Meeren hin abfließen. Als Berührungspunkte dreier Flußgebiete wären noch anzuführen: die Enchastraye in den Meeralpen (Rhône, Var, Po), der Passo dei Pastori in den Spölalpen (Donau, Etsch, Po), der Bodenknoten am Toblinger Riedl in den Ampezzaner Dolomiten (Donau, Etsch, Piave) und noch einige andere von geringerer Bedeutung.

An Mineralquellen sind die A. sehr reich, und manche derselben, wie die Thermen (Wildbäder) von Ragaz-Pfäffers im schweiz. Kanton St. Gallen, Bormio im Oberveltlin und Gastein in den Tauern, die Schwefelthermen von Air-les-Bains in Savoyen und Leukerbad im Wallis, der Eisensäuerling von St. Moritz und der Natronsäuerling von Schuls-Tarasp im Engadin, die Solen von Ischl im österr. Salzkammergut und von Reichenhall in Oberbayern, gehören zu den geschätztesten und besuchtesten Heilquellen Europas. Der Erzreichtum der A. ist im Verhältnis zu ihrer Ausdehnung nicht bedeutend, und der Bergbau ist nur in den Ostalpen von Wichtigkeit. In den West- und Mittelalpen sind die meisten der ehemals sehr zahlreichen Bergwerke aufgegeben worden, einesteils wegen der durch die starken Lagerungsstörungen der Gesteine bedingten Unsicherheit hinsichtlich der Bauwürdigkeit der Erzgänge, andernteils wegen des Mangels an billigen Brennstoffen, der die Verhüttung der Erze verteuert, sowie wegen der zu großen Transportkosten. Der Bergbau liefert deshalb in den Alpengebieten der Schweiz, Frankreichs und Italiens nur Anthracitkohlen, etwas Eisen und Nickel, Blei und Steinsalz. Dagegen sind die Ostalpen verhältnismäßig reich an Erzen und Steinsalz. Steiermark und Kärnten liefern das beste Eisen, Kärnten Blei, Krain Zink und Quecksilber; Salinen finden sich in Oberösterreich und Salzburg, Tirol und Oberbayern. Gold und Silber fehlen fast ganz, abgesehen von einigen unbedeutenden Vorkommnissen in den Hohen Tauern, während nutzbare Bausteine (wie Granit, dichte Kalksteine, Marmor u. s. w.), Schiefer und Topfstein nicht selten sind. An Mineralien sind die Centralalpen überall reich. Berühmte Fundstätten sind u. a. die Umgebungen des Montblanc und des St. Gotthard, die Mussaalpe in Piemont, das Fassathal in Südtirol, der Greiner im Zillerthal u. s. w.

Über Alpenseen und Alpengletscher s. Seen und Gletscher.

Einteilung der A. Schon die Römer haben im Alpengebiete einzelne Territorien unterschieden, die zumeist nach Provinzen oder nach den Völkerstämmen benannt wurden, die sie bewohnten. So entstanden die Bezeichnungen Alpes poeniae, Alpes rhaeticae, Alpes carnicae u. s. w., die sich bis auf heute erhalten haben. Während jedoch die Römer, jeden Interesses an der Gebirgswelt bar, bei ihrer Einteilung nicht das Gebirge an und für sich, sondern lediglich das Land im Auge hatten, hat man in unserer Zeit sich vielfach bestrebt, das Gebirge um seiner selbst willen Zu zergliedern. Man hat sich jedoch hierbei meistenteils nicht so sehr von orographischen als vielmehr von hydrogr. Momenten leiten lassen und hat das Gebirge solcherart nach Maßgabe der wichtigern Flußläufe wohl in Parzellen zerschnitten, nicht aber in Gruppen zergliedert. Es war dieser Vorgang, den bis vor kurzem die ausgezeichnetsten Alpengeographen befolgten, ebenso einseitig wie der Versuch Désors, eine Alpeneinteilung einzig und allein auf Grund der Centralmassen zu schaffen. Gegenwärtig hat sich die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß bei einer naturgemäßen Einteilung solche Teile des Gebirges in eine Gruppe zusammengefaßt werden müssen, die sich durch Einheitlichkeit ihrer Physiognomie auszeichnen, die also eine durch den innern Bau und die Zusammensetzung des Materials, sowie durch die Übereinstimmung des plastischen Aufbaues bedingte Ähnlichkeit der orographischen Gestaltung aufweisen. Es ist nicht zu verkennen, daß die bisherige Einteilung der A. (von Sonklar, Studer, Wäber, von Haardt u. a.), die in Wirklichkeit einzig und allein das Flußnetz berücksichtigen, den Vorteil größerer Einfachheit für sich haben; aber diese Einfachheit ist nicht in der Natur des Gebirgen begründet und führt zu einer Täuschung über die wahre Anordnung der Gebirgsmassen. Die allgemeinen plastischen Verhältnisse und der geolog. Entwicklungsgang verlangen eine Zweiteilung des Alpengebirges in Ost- und Westalpen, und zwar erscheint nach den neuesten Forschungen als natürliche Grenze zwischen beiden eine vom Rhein über den Greinapaß zum Lago Maggiore gezogene Linie, was mit der Depression, die der Gebirgszug in dieser Gegend erleidet, auf das beste übereinstimmt.

Demnach zerfällt das Alpengebirge in: I. Westalpen, diese teilen sich folgendermaßen: A. Innerer Gneisalpenzug; B. Äußerer Gneisalpenzug; C. Französische Kalkalpen. II. Ostalpen, zu teilen in: A. Gneisalpen; B. Schieferalpen; C. Nördliche Kalkalpen; D. Südliche Kalkalpen; E. Becken von Klagenfurt. (Die weitern Unterabteilungen s. unter den Artikeln Westalpen und Ostalpen; vgl. die Karten: Einteilung der Alpen, Westalpen, Ostalpen.)

Klimatische Verhältnisse. Die A. bilden eine wichtige klimatische Scheide, denn der Kamm ihrer südlichsten Hauptkette trennt das mitteleurop. Klimagebiet von dem mediterranen. Zu jenem, welches sich durch blattwechselnde Laubhölzer und gesellig lebende Gräser auszeichnet, gehören die nördlich vorgelagerten Hochebenen mit einer mittlern Jahrestemperatur von 8 bis 10° C., zu dieser, der Zone der immergrünen Laubhölzer und der Olive, die lombard. und die provencal. Tiefebene mit 12-14° Mitteltemperatur. Der Alpengürtel zwischen beiden Zonen vereinigt auf dem engen Raume von fünf Breitengraden in scharfen Gegensätzen alle Klimate vom wärmern gemäßigten bis