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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Amerika (Tierwelt)

Heimat haben. In Patagonien tritt dafür dann ein neuer, sog. antarktischer Zug an die Stelle.

Durchwandert man A. von Norden nach Süden, so findet man in folgender Abgrenzung eine Pflanzenzone die andere ablösend: Bis 60° nördl. Br. und in Labrador bis 52° nördl. Br. bedeckt hauptsächlich die Tundra (s. d.), unterbrochen nur durch einzelne Baumoasen niederer Fichten und Birken, das kalte Land. Die Südgrenze der Tundra bildet eine Linie, auf der der wärmste Monat eine mittlere Temperatur von +16 °C. und der kälteste von -20° C. erreicht. Es folgt dann ein breiter nördl. Waldgürtel von Kiefern, Fichten, Tannen und Birken, der seinen größten Reichtum an Laubhölzern (Walnüssen, Ulmen, Eichen, Ahorn, Linden, Tulpenbäumen u. s. w.) entwickelt in einer südlichern Zone, die ungefähr bis zum 40.° nördl. Br. reicht und auf dieser Äquatorialgrenze im wärmsten Monat +25° C. und im kältesten etwa 0° mittlere Temperatur zeigt. Zwischen der Ost- und Westküste ragen aber die Felsengebirge und die Sierra Nevada in die Schneeregion, schließen das Steppenplateau von Utah ein, und haben zwischen ihren Abhängen und dem Missouri die weiten Grasebenen der Prairien (s. d.) vorgelagert, mit kältern Wintern und noch um 5 Grade heißern Sommern. Hier schließen sich daher als Übergang zu den Tropen unter 30° nördl. Br. die heißen Steppen von Arizona und Neumexiko an, in denen das Baumleben durch riesige Säulenkakteen vertreten wird.

Beim Eintritt in die Regenzone der Ostküste, in Virginien, durchschreitet man das Übergangsgebiet zu den Tropen bis zum 25.° nördl. Br., woselbst der geringe Jahresunterschied zwischen dem wärmsten Monat mit +26° und kältesten mit +16° C. eine üppige Vegetation hervorruft, immergrüne Laubhölzer, wie Orangen-, Lorbeer- und Ölbäume, ferner ganz neue Formen in den Magnolien und Zwergpalmen; neben Weizen werden Mais und Reis, in den Pflanzungen Zuckerrohr, Baumwolle und Tabak gebaut, während Batate und Maniok ihre mehlreichen Wurzeln zur Nahrung bieten. Nun breitet sich in dem zum Atlantischen Ocean hin geöffneten Teile A.s ein breiter Tropengürtel vom 25.° nördl. Br. bis zum südl. Wendekreise aus, der Gürtel der Bananen und des tropischen Plantagenbaues mit nicht wesentlich über 25° C. hinausgehenden, aber auch nicht viel tiefer darunter sinkenden Monatstemperaturen, wo der Unterschied des kältesten und wärmsten Monats nur nahe den Grenzen mehr als 5° beträgt. Hier zeigt sich die Mannigfaltigkeit der tropischen Urwaldungen in Kautschukbäumen (Siphonia), Paranüssen (Bertholletia), Palmen, sowie die Kultur der Yamswurzeln, Vanille, Ananas, Bananen, Melonen, Brotfrucht- und Kuhbäume, Kokosnüsse. Die undurchdringlichen Waldungen enthalten mannigfaltige, zum Teil riesenhafte Baumformen der feinsten Holztextur, wie Mahagoni, Guajac, Campeche-, Brasilienholz u. s. w. Die dichten Wälder des Chinarindenbaums beschatten Quitos Gebirgsterrassen, hoch in die Anden von Ecuador, bis zur Berührung der ersten Schneefälle, steigt die schlanke Wachspalme (Ceroxylon andicola Humb.) über die Mauritia-Palmenwälder der Ebene.

An der Westküste von Südamerika folgt nun der oben erwähnte trockne und kühlere Übergangsstreifen von 5° südl. Br. bis 34° südl. Br., immer begleitet von dem schneeigen Zuge der Anden. An einer Grenze, wo der heißeste Monat (Januar) etwa 17° C. im Mittel erreicht, setzt hier die Zone der Winterregen ein, die bald das Baumleben zur Entwicklung der schönen Wälder Valdivias fördert, dann aber in der Breite von 45°, wo der wärmste Monat nur noch 14° C. oder weniger erreicht, trotz milder Winter allmählich zu immergrünen Gebüschen sinken läßt.

An der Ostküste folgt auf die Tropen ein Übergangsgürtel zwischen dem südl. Wendekreise und dem Mündungsgebiet des La Plata, dann reihen sich die Pampas (s. d.) und die immer dürftiger werdenden Steppen mit Stachelgebüschen des südl. Argentiniens an, bis die südliche kühle Zone auch hier mit etwa 50° südl. Br. beginnt, wo der wärmste Monat nur wenig über 10° C. Temperaturmittel noch besitzt, der Winter aber kaum Fröste bringt. - Wie man von den äquatorialen Gürteln des Weltteils bis zu seinen Polarenden die üppige Riesenkraft der Pflanzenwelt immer mehr schwinden sieht, so auch im Ansteigen von den tropischen Küstengestaden zu den eisbedeckten Gebirgshöhen, beim Durchwandern der drei Regionen der Tierra caliente, templada und fria. Die mittlere Gruppe bezeichnet jene gesunden und herrlichen Gegenden A.s, wo bei fast ewigem Frühling grüne Wiesen und kräftige Laubhölzer sich mit den seltsamsten und riesenhaften Formen der Tropenwelt einigen. Die menschliche Kultur verdankt A. besonders zwei in die warm-gemäßigten und kühlen Länder der ganzen Erde eingeführte Nahrungspflanzen: Mais und Kartoffel; die Heimat des erstern ist wahrscheinlich Paraguay, die der letztern das südl. Chile gewesen.

Tierwelt. Kein Erdteil hat eine so reiche Tierwelt wie A., keiner ist aber auch der Entwicklung derselben gleich günstig. Durch seine Ausdehnung von N. nach S., seine gewaltigen Gebirge, ungeheuren Wälder, Prairien, Llanos, Pampas, seine Riesenströme und großartigen Seen, sowie durch die Gegenwart zahlreicher Inselgruppen bietet A. eine Fülle von Lebensbedingungen, an die sich die Tiere anzupassen haben, wie sie nirgends wieder gefunden werden. Von den 84 Säugetierfamilien haben hier 48 Vertreter, und 13 davon kommen nur hier vor. Die größten Landsäugetierformen, Pferde, Elefanten, Rhinocerosse werden hier nicht mehr gefunden, aber sie kamen vor noch nicht langer Zeit, geologisch gesprochen, ja das Mammut wohl noch mit dem Menschen zusammen vor; weiter finden sich hier die Reste riesenhafter Faul- und Gürteltiere, sowie zahlreicher Formen, die wir als die Ahnen der verschiedenen Huftiere anzusehen haben. Von den 131 Familien der Vögel entfallen auf A. 80 und 36 von diesen, darunter äußerst artenreiche, wie Kolibris, werden nur hier gefunden. Auch an Reptilien ist A. reich: von 60 Familien kommen 38 und davon 9 bloß hier vor. Die 22 Familien der Amphibien sind gar durch 20, darunter 6 eigene vertreten. Die Süßwasserfauna ist überhaupt durch die Entwicklung der gewaltigen Flüsse im gemäßigten Norden und im tropischen Süden die reichste der Welt. Der Reichtum an Insekten geht ins ungeheure, es sei nur hervorgehoben, daß fast zwei Drittel sämtlicher (etwa 8200) Tagschmetterlingsarten A. bewohnen, auch etwa der vierte Teil sämtlicher Landgastropoden und sicher der dritte aller Süßwasserschnecken wird hier gefunden. Auch der Reichtum der Meere auf beiden Seiten, besonders des Golfs von Mexiko ist ein sehr großer und die Bank von Neufundland ihrer Fischmengen wegen berühmt. An den Küsten,