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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Amerika (Bevölkerungsverhältnisse. Kulturzustand)

besonders den westlichen der südl. Hälfte, finden sich Seevögel aller Arten in so gewaltigen Scharen, daß ihr Kot (Guano) auf stundenlange Strecken den Boden in einem 10 m breiten Gürtel überzieht. Kein Land der Erde ist auch so günstig für das Verwildern der Haustiere, und die Prairien des Nordens wie die Pampas des Südens und die Ebenen der westind. und Falklandsinseln wimmeln von ungeheuren Scharen verwilderter oder halbwilder Herdentiere.

Bevölkerungsverhältnisse. Als die Europäer A. kennen lernten, fand sich das Land in seiner ganzen Ausdehnung von eingeborenen Stämmen bewohnt, den Eskimo im äußersten Norden und den zahlreichen Indianerstämmen, die man wohl als "Amerikanische Rasse" (s. d.) zusammengefaßt und bezeichnet hat. Seit Columbus wanderten Europäer aller Nationen in Menge ein. Ihre Thätigkeit hat die Eingeborenen zurückgedrängt, um so schneller, als die physische Schwäche der Ureinwohner das Bedürfnis hervorrief, zur Arbeit in den Kolonien den kräftigen Neger nach A. zu bringen und somit neben der kupferfarbigen und weißen auch die schwarze Menschenrasse in die Neue Welt zu verpflanzen. Aus Wechselheiraten zwischen verschiedenen Rassen entstanden sog. Mischlinge, unter denen viele Abstufungen unterschieden werden, z. B. Mestizen, Mulatten, Zambos u. s. w. (S. Farbige.)

Die gesamte Bevölkerung A.s wird auf 125 Mill. geschätzt, von denen auf die Vereinigten Staaten und Britisch-Nordamerika 72 Mill., auf Mexiko 11½, aus Mittelamerika über 3 Mill., auf Westindien fast 5½ und auf Südamerika etwas mehr als 33 Mill. zu rechnen sind. Es bildet dieselbe ungefähr den 12. Teil der Gesamtbevölkerung der Erde (diese zu 1480 Mill. angenommen), während die Größe des Erdteils, zu 38 400 000 qkm angenommen, fast zwei Siebentel aller Landfläche beträgt. Diese geringe Volksdichtigkeit von nicht 4 Menschen auf 1 qkm wird nur von der Australiens (0,7 Menschen auf 1 qkm) Übertroffen; dicht ist die Bevölkerung nur in den Oststaaten der Vereinigten Staaten, namentlich in Neuyork (50 auf 1 qkm). Fast ganz menschenleer sind Labrador, Nordwestamerika, Centralbrasilien, Patagonien. Die Bevölkerung besteht jetzt aus drei verschiedenen Rassen, den Amerikanern, den Europäern und den Negern. Die Mehrzahl, etwa 75 Mill., sind kaukas. Rasse, 7 Mill. gehören zur einheimischen Rasse, 9 Mill. entfallen auf die Rasse der Neger, 32 Mill. auf die Mischlinge der drei Rassen. Die einheimische Rasse ist nur in Westindien ganz erloschen, sonst über den ganzen Erdteil in zahllosen Völkerschaften und Stämmen verbreitet. Die Neger, als Sklaven zur Plantagenarbeit in den tropischen und subtropischen Gegenden eingeführt, leben daselbst als Freigelassene (hauptsächlich in Nordamerika und Brasilien), zum Teil von Land- und Bergbau oder von Gewerben; auf Haïti haben sie einen eigenen Staat gegründet. Den durch Freilassung der Negersklaven entstandenen Verlust an Arbeitskräften haben neuerdings die Engländer und Franzosen in ihren Kolonien (in Westindien und Guayana) durch Einführung gedungener Kuli aus Ostindien zu ersetzen gesucht, und Kalifornien hat auch viele Chinesen angezogen. Die Mischlinge sind fast sämtlich christlich getauft sowie auch ein großer Teil der Neger. Die Zahl der Heiden unter Indianern und Schwarzen läßt sich nicht sicher bestimmen; sie wird von 5½ bis auf 12 Mill. angegeben. Die Europäer oder die Weißen und deren in A. selbst geborene Nachkommen oder Kreolen sind die Beherrscher des Erdteils. Sie sind in Nordamerika vorherrschend german. Abkunft, und zwar überwiegend brit. Nationalität (angelsächs. Rasse), Engländer und Angloamerikaner, daneben mindestens 7-8 Mill. Deutsche und von Deutschen Abstammende; in Mexiko, Mittel- und Südamerika dagegen roman. Nationalität: Spanier und (in Brasilien) Portugiesen. Dort ist der Protestantismus, hier der Katholicismus herrschend. Die Israeliten (etwa 1 Mill.) beschränken sich fast ausschließlich auf die Vereinigten Staaten und die Kolonien der Europäer.

Kulturzustand. Die eingeborenen Stämme, welche zur Zeit der Entdeckung A. bewohnten, und die, welche noch heute daselbst mehr oder minder gesondert und unvermischt sich erhalten haben, zeigen in Bezug auf den Grad der Civilisation, den sie erreichten, und die Art derselben die denkbar größten Verschiedenheiten. Während die einen, ohne feste Wohnsitze, nur von der Jagd und dem Fischfang lebend, kaum über die einfachsten Zustände der gesellschaftlichen Entwicklung und des technischen Vermögens hinausgekommen sind, wie z. B. die Feuerländer, die Stämme Patagoniens und die des innern Brasiliens, haben sich bei andern, obwohl ebenfalls zumeist noch Jagd und Fischfang treibenden Stämmen festere Ordnungen herausgebildet, und die Erzeugnisse ihrer Handfertigkeit und ihrer gewerblichen Thätigkeit bekunden nicht nur erfinderischen Sinn, sondern auch eine gewisse künstlerische Veranlagung. Das kann z. B. von den Indianerstämmen des Nordwestens der Vereinigten Staaten und Britisch-Columbias gesagt werden. Andere Stämme haben mit der Jagd einen mehr oder minder ausgedehnten Ackerbau verbunden. So die Stämme, welche zur Zeit der Entdeckung den Osten und den Süden des Gebietes der heutigen Vereinigten Staaten von A. bewohnten. Wieder andere sind ganz und gar zum Ackerbau übergegangen. So die Pueblo-Indianer von Neumexiko und fast die sämtlichen Hochlandsstämme. Brennpunkte der alten einheimischen Civilisation sind Mexiko, und zwar sowohl das Hochland wie die Küstenstriche und das benachbarte Jucatan und Guatemala. Ferner die Hochländer von Columbia, einschließlich das Plateau von Bogota. Endlich die Thaler und Hochebenen von Ecuador, Peru und Bolivien und der schmale Küstensaum, der sich zwischen dem pacifischen Meer und am Fuß der peruan. Cordillere hinzieht. In diesen Gegenden insbesondere kann man noch heute die Reste alter Bauwerke und viele andere Zeugen der alten Civilisation bewundern (s. Amerikanische Altertümer). Auch wohnen dort noch heute mehr oder minder unvermischt die Nachkommen der alten Kulturvölker. Nur haben sie ihre alte einheimische Civilisation mit der europäischen vertauscht und das Christentum angenommen.

Seit Beginn des 16. Jahrh. hat sich das ethnogr. Bild A.s wesentlich geändert. Während Europäer als Eroberer und Kolonisten einzogen, schmolz die einheimische Bevölkerung zusammen oder ging gänzlich unter. Den Europäern folgten später Neger als Sklaven. Spanier und Portugiesen bemächtigten sich Südamerikas und Mexikos; Holländer, Franzosen und Engländer Nordamerikas, wiewohl die beiden erstern den Briten bald das Feld räumten. Die Antillen wurden der gemeinschaftliche Boden für fünf europ. Nationen und die Neger, und Guayana