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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Asien (Bevölkerungsverhältnisse. Kulturzustand. Gewerbe, Industrie, Handel)

der in A. nur Indien und Arabien eigene tropische Jahreszeitenwechsel, sondern eine Folge von zwei nassen und zwei trocknen Jahreszeiten, dem Frühling, Sommer, Kerbst und Winter nördlicherer Gegenden entsprechend.

Bevölkerungsverhältnisse. A. hat nach den neuesten Schätzungen 825 954 000 E., also mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung der Erde (1480 Mill.) und fast 2 1/3mal soviel als Europa (357 Mill.). Hiervon fallen auf Central- und Ostasien etwa die Hälfte, auf Britisch-Indien ein Drittel; der Rest zersplittert sich. Das hindust. Tiefland zählt über 170 E. auf 1 qkm, die Herrschaft Baroda nördlich Bombay und die Küsten über 150. Nipon hat 164-171, ganz Japan im Mittel 105 E. auf 1 qkm; in China zählen die südöstl. Küstenprovinzen 108, die centralen und untern Provinzen 146 E. auf 1 qkm. Gegen Westen nimmt die Dichtigkeit stark ab, ebenso gegen Norden. Das Mittel des eigentlichen Chinas im ganzen beträgt 90 auf 1 qkm. Centralasien dagegen ist fast unbewohnt, auch Sibirien hat meist weniger als 2 E. auf 1 qkm (im Mittel nur 0,3). Da auch das übrige russische A. sowie ganz Vorderasien sehr schwach bevölkert sind, stellt sich die Dichtigkeit für den gesamten Kontinent auf nur 19 E. auf 1 qkm (vgl. Wagner und Supan, Die Bevölkerung der Erde VIII, in Petermanns "Mitteilungen", Ergänzungsheft 101, Gotha 1891).

Von den Rassen herrschen zwei vor, nämlich die mittelländische und die hochasiatische (mongolische), die erstere im W. und S., die letztere im O. und N. Ihnen schließen sich zunächst die Dravida und Malaien im SO. an. Im einzelnen stellt sich die Übersicht der asiat. Bevölkerung nach Rasse und Volkstum folgendermaßen dar:

A. Hyperboreer oder Arktiker. Dahin gehören die Stämme des äußersten Nordostens: die Jukagiren (s. Tafel: Asiatische Völkertypen, Fig. 1), die Tschuktschen, die Korjäken mit den Kamtschadalen, die Ainu (s. Tafel, Fig. 25) oder Kurilier mit den Giljaken; ferner sind die sog. Jenissei-Ostjaken und jetzt ausgestorbenen Kotten am mittlern Jenissei hierher zu rechnen; es sind lauter Gruppen, die sprachlich isoliert dastehen.

B. Hochasiaten oder Mongolen. Diese zerfallen in zwei große Gruppen. Zu der ersten, den Völkern mit mehrsilbigen Sprachen, gehören: a. die Samojeden; b. die Uralaltaier, welche wieder in Uralier, die indessen großenteils Europa angehören, und Altaier zerfallen. Die Altaier gliedern sich in Tungusen, Mongolen und Türken (s. die einzelnen Artikel und Tafel, Fig. 3, 5, 6, 7); c. die Koreaner (s. Tafel, Fig. 24); d. die Japaner (s. Tafel, Fig. 21, 22).

Zu der zweiten Gruppe gehören die Völker mit einsilbigen Sprachen, die jedoch in linguistischer Beziehung trotz der morpholog. Übereinstimmung in zwei streng gesonderte Sippen zerfallen. Zu der einen (südlichen) gehören die Annamiten, Mon und Kambodschaner oder Khmer, während die andere (nördliche) die Tibetaner (s. Tafel, Fig. 8), mit zahlreichen Himalajastämmen, die Birmanen mit den wilden Stämmen im W. und N. Birmas, die Thai oder Siamesen mit ihren Verwandten und die Chinesen (s. Tafel, Fig. 9, 10) umfaßt. Dazu kommt eine Menge kleiner Stämme, die weder mit den vorhergehenden, noch unter sich verwandt sind und wahrscheinlich die Überreste der dortigen Urbevölkerung darstellen. Während in Tibet und bei den westl. Indochinesen (in Birma und Siam) der Einfluß ind. Kultur vorwiegt, stehen die östl. Völker, die Annamiten, Cochinchinesen und Kambodschaner, ganz unter chines. Einfluß, so daß fast überall das Chinesische als die Schrift- und Gelehrtensprache gelten kann.

C. Dravida (s. d.).

D. Malaien (s. d.).

E. Die mittelländische Rasse. Die mittelländische Rasse ist in A. durch drei Volksstämme vertreten: a. Kaukasischer Volksstamm (s. Kaukasusvölker); b. Semiten (s. Semitische Völker und Sprachen); c. Indogermanen (s. d.). Von letztern gehören der indische, der iranische (s. Tafel, Fig. 4, 12, 13) und der armenische Zweig A. an.

Kulturzustand. Sehr mannigfaltig ist die Religion der Asiaten. Die polytheistischen Religionen, der Brahmanismus und der Buddhismus mit seinen verschiedenen, von der einheimischen Kultur bedingten Formen, die nüchterne staatsphilos. Morallehre des Confucius und die mystische Doktrin des Laotse nehmen den größten Teil A.s im O., S. und in der Mitte ein. Der Islam herrscht im W. und zum Teil auch im S. Im N. findet man rohes Heidentum (Schamanismus); nur spärlich hat sich das Christentum in seiner alten Heimat behauptet. Die einst weit verbreitete Lehre Zoroasters zählt jetzt im westl. Indien und in Persien eine geringe Zahl Anhänger (Parsen); dagegen greift in den dem russ. Scepter unterworfenen Gegenden die orthodox-griech. Kirche mächtig um sich. Bezüglich der Kulturverhältnisse sind die gesitteten Völker den wilden und nomadisierenden an Zahl überlegen, wenn man auch an die asiat. Civilisation durchaus nicht den europ. Maßstab legen darf. Der Grundsatz des Verharrens, das Gemütsleben und die Sinnlichkeit wiegen in der asiat. Bildung im allgemeinen vor. Die gesitteten Völker A.s stehen darum auch, bei aller innern Verschiedenheit, auf einer ziemlich gleichen Enwicklungsstufe. Ihre Gesetze für Staat und Familie, Industrie und Handel, Kunst und Wissenschaft haben sie seit Jahrhunderten starr bewahrt, und diese Gesetze sind wesentlich religiös. Weniger ist dieser rein religiöse Charakter freilich bei den Chinesen vorhanden als bei den Indiern, Arabern, Persern und Türken. Man pflegt die Araber, Perser und Türken unter dem Namen Orientalen zusammenzufassen und den Indern und Chinesen gegenüberzustellen. In der That unterscheiden sich diese drei großen civilisierten Völkergruppen sehr scharf in den mannigfachsten Punkten. So haben z. B. die Orientalen das Sklaventum, während die Indier in Kasten zerfallen, die Chinesen aber bürgerliche und polit. Gleichheit bewahren. Der Orientale ist Fatalist, der Glaube an ein unabänderliches Schicksal verläßt ihn nie; der Indier meint dagegen seinen Göttern weit mehr Verantwortlichkeit für sein Handeln schuldig zu sein; der Chinese besitzt wenig Anlage für eine übersinnliche Welt und begnügt sich im Leben mit einem überlieferten, bis ins kleinste ausgebildeten Sittengesetz.

Gewerbe, Industrie, Handel. Die Gewerbthätigkeit ist natürlich nur unter den gesitteten Völkern verbreitet, und auch da nur bei den Chinesen und Japanern, Indern, Persern, Bucharen und Osmanen; denn Araber, Indochinesen und Tibetaner besitzen verhältnismäßig nur geringe Industrie, und der Armenier treibt Handel. Die Industrie der asiat. Völker steht im allgemeinen in keinem Verhältnis zur Fülle und Mannigfaltig-^[folgende Seite]