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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Astrachan

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A.

Astrachan. 1) Gouvernement im südöstl. Teil des Europäischen Rußlands, grenzt im NO. und N. an das Uralgebiet und das Gouvernement Samara, im W. an das Gouvernement Saratow und das Land der Donischen Kosaken, im S. an das Gouvernement Stawropol, im SO. auf mehr als 400 km an das Kaspische Meer, das dort längs der Küste zahlreiche Inseln und Halbinseln bildet. Es umfaßt 208158,7 (nach Strelbitskij 236531,6) qkm und zerfällt in die Kreise A., Krasnojarsk, Jenotajewsk, Tschernojarsk und Zarew, wozu noch 7 Ulusverwaltungen der Kalmücken und die Ländereien der Astrachankosaken (s. d.) kommen. Außerdem liegt im Bereich des Gouvernements das Gebiet der kirgisischen Innern Horde oder Bukejewschen Horde (s. d.). Das ganze Gouvernement bildet eine große Steppe, die sich nach SO. zu senkt und einen Teil der Aralokaspischen Senke (s. Kaspisches Meer) bildet. Sie wird von der Wolga in zwei Hälften geteilt, von denen die am rechten Ufer liegende die Wolga- oder Kalmückensteppe, die am linken Ufer die Transwolgaische oder Kirgisensteppe heißt. Die Erhöhungen, welche rechts den Wolgalauf begleiten, nehmen im Gouvernement A. stark ab; von ihnen zweigt sich bei Sarepta der Höhenzug Jergeni (s. d.) nach Süden zu ab, weiter südlich läuft eine Hügelreihe, der Daban, in die Steppe an der Kuma aus. Auf der linken Seite der Wolga finden sich nur vereinzelte Erhöhungen, wie der Große und der Kleine Bogdo, der Tschaptschatschi; in der Steppe sind Hügel mit lehmigem Untergrund zerstreut. In geolog. Beziehung besteht das Gouvernement fast ganz aus mit Flugsand vermischtem Lehm, Salzmooren, aufgeschwemmtem Schlamm, und der Boden ist fast überall mit Salz getränkt. Außer der Wolga und ihren Nebenarmen sind nur wenig Flüsse vorhanden; die wichtigsten sind im N. der Kleine und Große Usenj, im S. die Sarpa und die beiden Manytsche. Gleichwohl ist das Gouvernement reich an frischem Wasser, das sich in etwa 1 m Tiefe im Boden findet, und durch Anlage von Brunnen (Chuduken) nutzbar gemacht wird. Seen, besonders salzhaltige, sind sehr zahlreich; sie ziehen sich längs der ganzen Meeresküste hin; im Innern sind die wichtigsten der Elton- und der Baskuntsckaksee. Das Klima ist kontinental asiatisch, mit extremer Sommerhitze und Winterkälte, mit Regenmangel, Schneestürmen (Burans) und Heuschreckenplage. Die Vegetation bildet keine zusammenhängende Rasendecke und ist inselartig zerstreut. Auf den erhöhten Stellen wächst Wermut, an den niedern verschiedene Grasarten und Salzkräuter aus der Gattung Salicornia. Nur die Ufer und Inseln der Wolga haben einen reichern Pflanzenwuchs. Im Wolgadelta und an der Meeresküste wachsen große Mengen Schilf, die nicht nur als Brenn-, sondern auch als Baumaterial verwendet werden. Die seßhafte Bevölkerung, hauptsächlich aus Russen und Tataren bestehend, betrug (1889) 479980 E.; dazu kommen 138980 Kalmücken und 237500 Kirgisen, unter denen sich eine Anzahl Karakalpaten und Turkmenen befinden. Der Religion nach zählt man 440833 Christen (meist griech. Katholiken), 276759 Mohammedaner, 136735 Lamaiten, 585 Juden. Die Hauptbeschäftigung der Bewohner bildet der Fischfang mit Kaviarbereitung und Thransiederei, namentlich der Fang von Heringen (1887: 278 Mill. Stück), dann die Salzgewinnung (jährlich 18,7 Mill. Pud, wovon etwa drei Viertel auf den Baskuntschaksee kommen). Bedeutend ist die Viehzucht; 1887 gab es 226299 Pferde, 766320 Rinder, 2 1/4 Mill. Schafe, 44000 Ziegen, 66000 Kamele. Der Ackerbau ist nur im Kreis Zarew und Tschernojarsk von einiger Bedeutung. Garten und Weinbau wird besonders bei A. betrieben. Die Fabriktätigkeit ist gering. Dampfschiffahrt besteht auf der Wolga und Achtuba. An Eisenbahnen ist nur die 55 km lange Baskuntschakbahn vorhanden. Als Tschumaken (s. d.) waren (1876) 6150 Personen tätig.

Die Astrachaner Niederung bildet von jeher das Einfallstor asiat. Völker nach Europa, der Hunnen, Magyaren, Avaren. Im 12. Jahrh. finden sich daselbst die Polowzen, an deren Stelle im 13. die Mongolen treten. Letztere machten sich 1480 von der Großen Horde unabhängig und errichteten ein selbständiges Chanat A., das außer dem heutigen Gouvernement auch die benachbarten Gebiete von Stawropol, Orenburg, Samara und Saratow umfaßte; es wurde 1556 von Iwan IV. unter russ. Herrschaft gebracht. 1632 wanderten die Kalmücken ein, 1801 die Kirgisen. Das Gouvernement A. wurde 1717 errichtet, 1785-1832 gehörte es zu Kaukasien; in seinen gegenwärtigen Grenzen besteht es seit 1860.

2) Kreis im Gouvernement A., rechts an der Wolga und auf den Inseln des Wolgadeltas, und umfaßt 39523,7 (nach Strelbitskij 56302,7) qkm, wovon etwa 15000 aufs Wolgadelta kommen, mit (1888) 56740 E. (11765 Mohammedaner).

3) Hauptstadt des Gouvernements und des Kreises A., unter 46° 21' nördl. Br. und 48° 2' östl. L. von Greenwich, 20,7 m unter dem Schwarzen, 7,6 m über dem Kaspischen Meere, liegt auf drei parallel-laufenden Hügeln einer Insel des Wolgadeltas, am linken Ufer des hier 2-3 km breiten Hauptstroms, 90 km vor dessen Mündung ins Meer, sowie an der Balda, dem Kutum und andern kleinen Nebenarmen. Mitten durch die Stadt geht der 1817 beendete 2,5 km lange, nach dem Erbauer benannte Warwazische Kanal. Die Hügel sind durch Sümpfe