Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

44

Atmosphäre

durch gewisse optische Erscheinungen. So hat man aus dem Verlauf der Morgen- und Abenddämmerung berechnet, daß die höchsten Schichten, die uns noch von der Sonne beleuchtet erscheinen, 60‒70 km (8‒9 geogr. Meilen) hoch liegen. Auf noch größere Höhen läßt das Aufleuchten der Sternschnuppen schließen. Heis hat gefunden, daß die Anfangshöhe der Sternschnuppen 105‒112 km beträgt; aber er hat auch solche beobachtet, die bereits in 240 und in 285 km Höhe aufleuchteten. Da nun die Sternschnuppen schon einen längern Weg in der A. zurückgelegt haben müssen, ehe sie durch die dabei eintretende Erhitzung zum Aufleuchten kommen, so muß Luft noch in Höhen von mehr als 300 km (40 geogr. Meilen) vorhanden sein. Auch den Nordlichtern schreibt man ihren Ort in den höhern Schichten der A. zu; doch sind deren Höhenbestimmungen sehr zweifelhaft. In derartigen Höhen muß die Luft Verdünnungsgrade erreicht haben, die wir uns nicht mehr anschaulich zu machen vermögen. Schon in 75 km Höhe beträgt die Dichtigkeit der Luft nur noch 1/10000 von der Luftdichte auf dem Meeresspiegel, eine Verdünnung, die nur mit Quecksilberluftpumpen zu erzeugen möglich ist.

Von dieser Höhenerstreckung der A. ist für uns nur die unterste Schicht von höchstens 15 bis 25 km Höhe als Sitz der meteorolog. Vorgänge von Wichtigkeit. Die höchsten Cirruswolken hat man in Höhen von 13 bis 14 km beobachtet. Die Erde selbst erstreckt sich mit ihren höchsten Berggipfeln bis nahe an 9 km in die A. hinein; aber bei heftigen vulkanischen Ausbrüchen entsendet sie ihre festen, flüssigen oder dampfförmigen Auswurfmassen gelegentlich in noch größere Höhen. Beim Krakatau-Ausbruch betrug die Höhe der Rauchsäule bei kleinern Ausbrüchen 11 km und stieg bei den heftigsten Ausbrüchen bis zu 30 km an. Den Bewohnern der Erde sind auch diese Höhen bereits unerreichbar, weil schon hier die Luft zu verdünnt ist, als daß lebende Wesen in ihr verweilen könnten. Der Adler soll sich bis zu einer Höhe von 5,5, der Kondor bis zu 6,5 km erheben. Die größte Höhe, die der Mensch bisher mittels Luftballons erreicht hat, beträgt 8840 m, ungefähr die Höhe des höchsten Berges der Erde; in dieser Höhe verlor Glaisher bei seinem Aufstieg am 5. Sept. 1862 das Bewußtsein. Auch in anderer Beziehung ist die Konstitution des Menschen und der Tiere dem Leben in den untersten Luftschichten angepaßt; denn die Gelenkkugeln der Extremitäten werden im wesentlichen durch den Luftdruck in den Gelenkpfannen erhalten, so daß die Muskeln unter gewöhnlichen Umständen nicht die Last der Extremitäten zu tragen, sondern nur ihre Bewegungen zu leiten haben, während sie unter vermindertem Luftdruck zum Tragen der Extremitäten mitwirken müssen.

Ihrer Zusammensetzung nach ist die A. ein Gemenge von 20,9 Volumteilen Sauerstoff und 79,1 Volumteilen Stickstoff oder von 23,1 Gewichtsteilen Sauerstoff und 76,9 Gewichtsteilen Stickstoff. Von diesen beiden Gasen ist der Sauerstoff das schwerere; daher müßte in größern Höhen die Luft sauerstoffärmer sein als am Erdboden. Allein Luftproben, die auf Ballonfahrten in verschiedenen Höhen gesammelt worden sind, haben in ihrer Zusammensetzung keine wesentlichen, regelmäßigen Abweichungen von der Luft am Erdboden gezeigt. Dieser Widerspruch mit der obigen theoretischen Überlegung erklärt sich dadurch, daß diese letztere nur für eine völlig ruhende A. Gültigkeit haben könnte; die beständigen Bewegungen und Strömungen in der A. aber wirken wie riesige Rührvorrichtungen, welche die Luftmassen der verschiedenen Höhen so völlig durcheinander mischen, daß das Mengenverhältnis von Sauerstoff und Stickstoff überall ungefähr gleich sein muß. Auch an verschiedenen Orten auf der Erdoberfläche und an denselben Orten zu verschiedenen Zeiten sind die Veränderungen in dem genannten Mischungsverhältnis nur sehr geringe; in München schwankte nach Jolly der Sauerstoffgehalt zwischen 20,5 und 21,0 Volumprozenten. Außer Sauerstoff und Stickstoff enthält die A. in sehr geringer, ziemlich wechselnder Menge (0,04 bis 0,07 Volumprozente) Kohlensäure. Sauerstoff und Kohlensäure stehen vermöge der Lebensvorgänge auf der Erde in eigentümlicher Wechselbeziehung. Der Sauerstoff ist die Lebensluft für Menschen und Tiere. Er wird von ihnen eingeatmet und zum Teil in Form von Kohlensäure wieder ausgeatmet. Die chlorophyllführenden Pflanzen dagegen nehmen die Kohlensäure der Luft auf, zersetzen sie und scheiden Sauerstoff aus. Da der letztere Vorgang sich unter der Einwirkung des Sonnenlichtes abspielt, so ist am Tage der Kohlensäuregehalt der A. ein wenig geringer als in der Nacht, wie Armstrong gefunden hat. Der Stickstoff ist ein indifferentes Gas und spielt gewissermaßen nur die Rolle eines Verdünnungsmittels für den Sauerstoff, um dessen starke Wirkungen abzuschwächen. Ein weiterer Bestandteil der A. ist der Wasserdampf, den sie je nach den Umständen in sehr wechselnden Mengen enthält (s. Luftfeuchtigkeit). Er gelangt in die A. durch Verdunstung; durch Abkühlung wird er in der A. wieder zu flüssigem Wasser oder Eis kondensiert; er bildet dann zunächst Nebel (s. d.), Wolken (s. d.), schließlich Niederschläge (s. d.); als Regen oder Schnee auf die Erde zurückgelangt, strömt das Wasser in den Flüssen den Seen und Meeren, von deren Oberfläche es verdampft war, wieder zu und schließt so seinen großen Kreislauf in der A., der für die Gestaltung der Erdoberfläche und für das organische Leben auf ihr von grundlegender Bedeutung ist. Da bei der Verdunstung des Wasserdampfes Wärme verbraucht, bei seiner Kondensation aber Wärme wieder frei wird, so wirkt der Wasserdampf gewissermaßen als Regulator auch für die Wärmeverteilung, indem er durch seine Verdunstung einer stärkern Erwärmung (Bedeutung des Schweißes für den Menschen), durch seine Kondensation einer allzu starken Abkühlung (s. Tau) entgegenwirkt. Außerdem enthält die A. in ganz geringen und deshalb schwer nachweisbaren Mengen Ammoniak (etwa 2‒3 mg in 100 cbm), das wahrscheinlich von der Zersetzung animalischer Substanzen herrührt, Salpetersäure, die wohl den elektrischen Entladungen in der A. ihre Entstehung verdankt und namentlich in der Form fester Nitrate vorhanden ist, Wasserstoff, Ozon (s. d.) und andere Gase je nach örtlichen Bedingungen.

Neben diesen gasförmigen Bestandteilen finden sich indes auch feste Stoffe in nicht unbeträchtlicher, aber auch sehr wechselnder Menge in der A. vor in Form sehr kleiner, in der Luft schwebender Teilchen. Die Quellen dieses Staubgehaltes der A. sind sehr mannigfach. Viele Verbrennungsprozesse auf der Erde erfüllen die A. mit festen Teilchen; die Essen der Fabriken führen ihr fortgesetzt große Mengen davon zu; Waldbrände, das Abbrennen von Mooren, Steppen u. s. w. wirken nicht so andauernd, aber um so heftiger. Von allen trocknen Flächen