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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bacon (Francis)

gin die Hinrichtung öffentlich, weswegen er sich nach dem Tode Elisabeths in einer «Apologie» zu rechtfertigen suchte. Unter Jakob Ⅰ. stieg er schnell empor. Er wurde 24. Juli 1603, dem Tage nach der Krönung, zum Ritter geschlagen, 1604 besoldeter Rat, 1607 Solicitor-General, 1613 Generalfiskal, 1616 Mitglied des Geheimen Rats, 1617 Siegelbewahrer, 1618 Großkanzler und Baron von Verulam und 1621 Viscount Saint-Alban. Den Gipfel seiner Laufbahn (1616‒21) erklomm er durch den Einfluß, den Buckingham, des Königs Günstling, für ihn geltend machte.

Auf die Höhe folgte jäher Sturz. Da an der Spitze der eine Abstellung der Mißbräuche fordernden Opposition im Parlament Eduard Coke, B.s Nebenbuhler und Feind, stand, wurde B. selbst im Unterhaus der Bestechung angeklagt. Über 20 Fälle wurden vorgebracht. B. führte 17. März 1621 zum letztenmal den Vorsitz im Oberhause; er erkrankte und bekannte sich 22. April schriftlich für schuldig. Seine Richter, die Lords, fällten 3. Mai das einstimmige Urteil: 40000 Pfd. St. Geldbuße, Gefangenschaft im Tower, solange es dem König gefalle, Verlust der Staatsämter, des Parlamentssitzes, des Aufenthalts bei Hofe. Nach zwei Tagen erfolgte die Haftentlassung, dann Erlaß der Buße, dann Erlaubnis zur Rückkehr nach London (1622); der König gab ihm eine Pension von 1200 Pfd. St. und berief ihn wieder ins Oberhaus (1624), wo B. aber nicht erschien. Er lebte zurückgezogen in wissenschaftlicher Muße teils auf seinem Landgute zu Gorhambury, teils in Gray’s Inn zu London. Er starb 9. April 1626 im Landhause des Grafen Arundel. Das Verhalten gegen Essex und die Ursachen des Sturzes haben den Charakter B.s bei Mit- und Nachwelt in den schlimmsten Ruf gebracht, dem selbst die Bewunderer beistimmten. Eine genaue Würdigung der Zeitumstände wird das strenge Urteil beträchtlich mildern. Sein Verhältnis zu Essex war nicht reine Freundschaft und durch Essex’ tollkühnes Unternehmen auf eine zu harte Probe gestellt. Sein Sturz war die Folge eines polit. Tendenzprozesses, der ein Opfer haben wollte und keineswegs das schuldigste traf; die Volkspartei hat ihn gestürzt, die Hofpartei geopfert. B. hat erklärt, daß er seit 50 Jahren der gerechteste Kanzler Englands gewesen und in seinem richterlichen Amte wohl Geschenke, aber nie Bestechungen (d. h. Geschenke während schwebender Streitsachen) angenommen habe. Solche Belohnungsgeschenke waren damals bei den engl. Staatsbeamten, hoch und niedrig, durch die Gehaltsverhältnisse verschuldete Sitte. (Vgl. Camoin de Vence, La vérite sur la condamnation du chancelier B., 1886.)

B.s große und fortwirkende Geistesthat ist die richtige Beantwortung der Frage: Wie bildet der Menschengeist Wissenschaft. Um der neuen, mit Entdeckung und Erfindung beschäftigten Zeit zu entsprechen, müsse die Wissenschaft an methodisches Entdecken und Erfinden, das Denken an völlig unbefangene, experimentelle Erfahrung gewöhnt werden, es müsse vor allem die syllogistische Wortweisheit aufgegeben und ein thatsächliches Wissen auf induktivem Wege erstrebt werden. Zunächst muß der Verstand von gewissen Trugbildern (Vorurteilen, B. nennt sie Idole) gereinigt, dann die Induktion angewendet werden, die von Thatsachen und Experimenten methodisch zur Erkenntnis der Gesetze fortschreitet. Aufgabe des Physikers, sagt B., ist es nicht, seinen Gegner niederzudisputieren, sondern sich durch experimentelle Erforschung ihrer Gesetze die Natur dienstbar zu machen. Seine Einteilung der Wissenschaften gründet B. auf die Seelenkräfte. Dem Gedächtnis entspricht die Geschichte, der Einbildungskraft die Poesie, dem Verstand die Philosophie. Den Plan seines Hauptwerkes «Instauratio magna» giebt B. in seinem «Novum organon» folgendermaßen: 1) Einteilung der Wissenschaften; 2) von dem neuen Werkzeuge oder den Mitteln zur Erklärung der Natur; 3) von den Erscheinungen des Weltalls oder der beobachtenden Naturbeschreibung, als Unterlage der Philosophie; 4) von der Leiter der Erkenntnis (die beginnende Induktion); 5) von den Vorläufern oder den im voraus aus der zweiten Philosophie entlehnten Sätzen; 6) von der zweiten Philosophie oder der thätigen Wissenschaft. Nur die drei ersten Teile hat B. bearbeitet. Teil erschien u. d. T. «Two books of the proficience and the advancement of learning» (1605), später bedeutend erweitert lateinisch als «De dignitate et augmentis scientiarum» (1623), Teil 2 u. d. T. «Novum organon» (1620), die wichtigste unter B.s Schriften; der erste Entwurf waren «Cogitata et visa» (1612). Zu Teil 3 (Naturgeschichte) hat B. eine Sammlung von Thatsachen und Versuchen in 10 Centurien geschrieben, die nach seinem Tode als «Sylva sylvarum» (1627) erschienen. Außer diesen Schriften gab B. noch selbst heraus: 1) «Essays», die den spätern Essays als Muster dienten, zuerst 1597; in 3. durchgesehener Ausg. 1625; zuletzt hg. von Reynolds (Oxf. 1890); die lat. Übersetzung von Rawley heißt «Sermones fideles»; deutsch mit der Schrift «De sapientia veterum» hg. von Fürstenhagen als «Kleinere Schriften B.s» (Lpz. 1884); 2) «De sapientia veterum» (1609); 3) «Historia regni Henrici Ⅶ» (1621); gleich nach dem Sturz verfaßt; 4) drei naturwissenschaftliche Abhandlungen «Historia ventorum», «Historia vitae et mortis», «Historia densi et rari» (1623). Das «Novum organon» ist verdeutscht von Bartoldy (Berl. 1793, unvollendet), Brück (Lpz. 1830) und von Kirchmann (Berl. 1870). Die «Nova Atlantis», eine naturwissenschaftliche Utopie, verdeutschte Walden (Berl. 1890), der auch (ebd. 1890) «Die Freimaurerei und die Nova Atlantis B.s» zusammenstellte. Zuerst gesammelt sind B.s Werke von Rawley, mit Lebensbeschreibung (Amst.1663), vollständiger von Mallet (Lond. 1740 u. 1765). Die beste und vollständigste Ausgabe ist die von Spedding, Ellis und Heath: «The works of Fr. B.» (14 Bde., Lond. 1857‒74; Bd. 1‒7 die Werke, 8‒14 Briefe und Leben), daneben die von B. Montagu (17 Bde., ebd. 1825‒34).

Das ausführlichste Werk über B. ist Kuno Fischers «Fr. B. und seine Nachfolger» (2. Aufl., Lpz. 1875); vgl. ferner Macaulay in den «Essays»; Hölzke, Macaulay über B. (Hamb. 1876); Rémusat, B., sa vie, son temps et sa philosophie (Par. 1856); Lasson, Über B.s wissenschaftliche Principien (Berl. 1860); Liebig, Über B. und die Methode der Naturforschung (Münch. 1863); Dorner, De Baconis baronis de Verulamio philosophia (Berl. 1867); Bamberger, Über B. von Verulam, besonders vom mediz. Standpunkte (Würzb. 1885); Heußler, Francis B. und seine geschichtliche Stellung. Biographien von Spedding, Account of the life and times of Lord B. (2 Bde., Lond. 1879), Fowler (1881), Abbott (1885), Lovejoy (1888), Church (1888); Barthélemy Saint-Hilaire, Étude sur Fr. B. (Par. 1890). Über die sog.