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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Baden (Großherzogtum; Geschichte)

21. Okt.) die Justiz, der bisherige preuß. Militärbevollmächtigte in Karlsruhe, General Beyer, das Kriegswesen. Nüßlin blieb in seiner bisherigen Stellung. Die eingeschlagene Politik wurde mit, aller Entschiedenheit festgehalten. Das bad. Kadetteninstitut wurde aufgehoben und einem mit Preußen vereinbarten Vertrage gemäß die bad. Kadetten in die preuß. Militäranstalten aufgenommen, 1869 auch mit dem Norddeutschen Bunde ein die militärische Freizügigkeit bezweckender Vertrag geschlossen. Die Militärorganisation war 1868 vollendet, das Kommando der Division wurde Beyer übertragen. Bei den Zollparlamentswahlen im Febr. 1868 siegten die Nationalliberalen in acht, die Klerikalen in sechs Wahlkreisen. Mit der Freiburger Kurie kam es indessen zu neuen Konflikten. Die Regierung hatte verordnet, daß die jungen Theologen beider Konfessionen nach beendigten Universitätsstudien vor einer staatlichen Prüfungskommission eine Prüfung über ihre allgemein wissenschaftliche Vorbildung zu bestehen haben sollten. Dagegen protestierte der Erzbischof 17. April 1867 und untersagte in einem Erlasse vom 18. Sept. den kath. Theologen, sich dieser Prüfung zu unterziehen. Darauf erklärte die Regierung das erzbischöfl. Verbot für ungültig und verweigerte allen denjenigen Theologen, die sich der Prüfung nicht unterwarfen, die definitive Anstellung und die Auszahlung des Gehalts. Der Tod des Erzbischofs Vicari (14. April 1868), nach welchem der Domdekan und Generalvikar Lothar Kübel vom Kapitel zum Erzbistumsverweser gewählt wurde, brachte die Aussöhnung nicht näher.

Ein Streit im liberalen Lager kam den Klerikalen nur erwünscht: in Offenburg am 8. Nov. und 27. Dez. 1868 abgehaltene Versammlungen, auf welchen die Führer der liberalen Partei dein Ministerium Jolly Opposition machten, veranlaßten sie, in Verbindung mit den Großdeutschen und Demokraten einen Aufruf an das Volk ergeben zu lassen und einen Adressensturm an den Großherzog zu versuchen. Auflösung der jetzigen Ständeversammlung, Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Schaffung eines neuen Wahlgesetzes auf Grundlage des direkten geheimen Wahlverfahrens und ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium war der Hauptinhalt der Adressen. Diese Gefahr beseitigte den Streit der Liberalen mit dem Ministerium; die neue Offenburger Versammlung vom 23. Mai 1869 beschloß eine Gegenadresse an den Großherzog, die bedeutendsten Städte des Landes folgten diesem Beispiele, und der Großherzog wies die klerikal-demokratischen Adressen zurück. Bei den Erneuerungswahlen vom 1. Juli 1869 siegten die Liberalen in 18, die Klerikalen in 4 Wahlkreisen. Den am 24. Sept. eröffneten Landständen legte die Regierung einen Entwurf über Veränderung verschiedener Verfassungsbestimmungen vor: die Zweite Kammer sollte die selbständige Wahl ihrer Präsidenten, die Selbstbestimmung hinsichtlich der Geschäftsordnung, die Initiative in der Gesetzgebung erhalten, und der Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts und der geheimen Abstimmung sollte in das Wahlgesetz aufgenommen werden. Dieses Verfassungsgesetz wurde von der Zweiten Kammer 29. Okt., von der Ersten 13. Nov. angenommen, die von den Klerikalen gewünschte Einführung der direkten Wahlen aber mit allen gegen 14 Stimmen verworfen. Das Gesetz über Einführung der obligatorischen Civilehe und der bürgerlichen Standesbeamtung wurde von der Zweiten Kammer 17. Nov. mit allen gegen 6 Stimmen, von der Ersten 4. Dez. gleichfalls mit allen gegen 6 Stimmen angenommen. Ebenso wurde die Verlängerung des Kontingentgesetzes und das Gesetz über das Militärbudget von beiden Kammern, das Gesetz über die neue Einteilung des Landes in 56 Landtagswahlbezirke und der Antrag, die Mandatsdauer der Abgeordneten von acht auf vier Jahre herabzusetzen und alle zwei Jahre die eine Hälfte austreten zu lassen, von der Zweiten Kammer vereinbart. Das Stiftungsgesetz, wonach diejenigen Stiftungen, die in das Gebiet der Schule und des Armenwesens gehörten, der kirchlichen Verwaltung entzogen und unter weltliche Verwaltung gestellt werden sollten, und die Gesetze über Ausdehnung der Befugnisse der Schwurgerichte bei politischen und Preßvergehen, über das an die norddeutschen Bestimmungen sich anschließende Militär-Strafgesetzbuch und über die Unterstützung des Gotthardbahnunternehmens mit 3 Mill. Gulden wurden vom Landtage genehmigt. Der Schluß dieses wichtigen Landtages erfolgte 7. April 1870. Der Protest des Bistumsverwesers gegen das Stiftungsgesetz wurde nicht beachtet. Der Verweser ließ 14. Sept. 1870 die vatikanischen Beschlüsse vom 18. Juli öffentlich verkündigen. Die Regierung erklärte, daß diese Beschlüsse, sofern sie mittelbar oder unmittelbar in bürgerliche Verhältnisse eingreifen, als rechtlich unverbindlich anzusehen seien.

5) Unter Friedrich nach 1870. Die Kriegserklärung Frankreichs beschleunigte die Erfüllung der nationalen Bestrebungen B.s. Die bad. Division wurde unter den Oberbefehl des Generals von Werder gestellt, beteiligte sich zuerst an der Belagerung Straßburgs, focht dann bei Dijon und Nuits und nahm vom 15. bis 17. Jan. 1871 an den siegreichen Kämpfen vor Belfort der Bourbakischen Armee gegenüber ruhmvollen Anteil. Die Regierung suchte die Siege für den Ausbau des nationalen Staates zu verwerten. Schon in einem Schreiben an Bismarck vom 2. Sept. 1870 forderte sie die Wiedererwerbung des Elsasses und die Erweiterung des Norddeutschen Bundes zum Deutschen Bund und beantragte für letztern eine Verstärkung der Centralgewalt aus militärischem und diplomatischem Gebiete. Nach den Münchener Verhandlungen, an denen B. sich nicht beteiligt hatte, beantragte B. 2. Okt. seinen Eintritt in den Norddeutschen Bund. Minister Jolly und Freydorf begaben sich auf Bismarcks Einladung 20. Okt. nach Versailles. Dort wurde der Verfassungsvertrag mit dem Norddeutschen Bunde 15. Nov., die Militärkonvention mit Preußen 25. Nov. abgeschlossen. Danach sollte das bad. Kontingent einen unmittelbaren Bestandteil der preuß. Armee bilden, der König von Preußen als Bundesfeldherr alle Rechte und Pflichten des Kontingents- und Kriegsherrn übernehmen und B. die dasselbe verfassungsmäßig treffende Summe für das Bundeslandheer der preuß. Kriegsverwaltung zur freien Verfügung überlassen. Der 13. Dez. 1870 zusammentretende Landtag genehmigte die beiden Verträge und eine die nationalen Gesinnungen und Bestrebungen des Großherzogs anerkennende Dankadresse an denselben. Das Ministerium des Auswärtigen und das des Kriegswesens wurden 1. Juli und 17. Dez. 1871 aufgelöst, sämtliche Gesandtschaften 24. Okt. aufgehoben. Bei den Reichstagswahlen vom 3. März 1871 wurden 12 Nationalliberale und 2 Klerikale