Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

567

Bayern (mittlere Geschichte)

der bisher die kärntnerische Mark verwaltet und hier den Grund zu einer gesonderten Entwicklung gelegt hatte. Arnulf starb 899. Ihm folgte sein unmündiger Sohn Ludwig das Kind bis 911. Unter ihm gewannen Egoismus und pfäffischer Hochmut die Führung in Deutschland vollkommen und die Freiheit des Volks ging in Trümmer; als die äußern Feinde, namentlich die Normannen und Magyaren, in immer kühnern Anläufen die Reichsgrenzen überschwemmten, überließ der fränk. Hof das den Ungarn am meisten ausgesetzte bayr. Land seinem Schicksal. 907 führte Liutpold, der Stammvater des Geschlechts, das noch heute in B. herrscht, die Blüte des bayr. Adels gegen die Magyaren. Eine furchtbare Niederlage, bei der er selbst fiel, war die erste Ursache davon, daß B. den Mitbewerb um die Hegemonie in Deutschland verlor.

Während der Stamm der Franken in voller Auflösung begriffen war, versuchte sich bei den andern deutschen Stämmen, Schwaben, Bayern, Sachsen, das Stammesherzogtum in der Gewalt zu befestigen und die erschütterte königl. Macht zu ersetzen. In B. standen an der Spitze die Liutpoldinger; Liutpolds Sohn Arnulf (907–937) führte ein monarchisches, von den Franken unabhängiges Regiment, und als Heinrich Ⅰ. deutscher König wurde, erkannte ihn Arnulf an, ohne seiner Machtfülle etwas zu vergeben. Aber eine stetige auswärtige Politik vermochte er B. nicht wiederzugeben. Indessen war es Heinrich Ⅰ. gelungen, durch einen Angriff auf die östl. Reichsfeinde seine Macht zu begründen, und als Arnulf 937 starb und sein Sohn Eberhard Otto d. Gr. die Huldigung versagte, wurde er abgesetzt. Die Selbständigkeit der Herzogsgewalten wurde von Otto Ⅰ. gebrochen, ihr Charakter des Reichsamtes wiederhergestellt. Ein anderer Sohn Arnulfs, Berchtold, folgte 938–945. Im J. 947 erhielt Ottos Ⅰ. Bruder, Heinrich, der die Liutpoldingerin Judith geheiratet hatte, das bayr. Herzogtum. Im engsten Anschluß an das Reich suchte er in B. seine Herrschaft zu begründen und die seit 907 verlassene bayr. Politik wieder aufzunehmen. Er starb aber schon 955. Ihm folgte sein Sohn Heinrich Ⅱ. (s. d.), der Zänker, für den seine Mutter Judith die vormundschaftliche Regierung führte. Aber anstatt gleich dem Vater nach Osten und Süden seine Kraft zu lenken, suchte er seinem Vetter Kaiser Otto Ⅱ. im Reiche selbst Widerstand zu bereiten. Schwaben und selbst Burgund strebte er zu unterwerfen. Statt dessen ward er 976 abgesetzt, die bayr. Ostmark ward wie die Nordmark selbständiger gemacht, Kärnten und die ital. Marken wurden dem Herzogtum entrissen.

B.s Macht war gebrochen. Es wurde mit dem schwäb. Herzogtum vereinigt. Nach dem Tode Ottos von Schwaben (976–982) und Kaiser Ottos Ⅱ. (983) gelang es zwar Heinrich Ⅱ. B. wiederzugewinnen, allein Kärnten blieb unter dem Liutpoldinger Heinrich Ⅲ. (983–985) von B. getrennt. Noch einmal schien für B. eine Zeit der Restauration zu nahen, als Herzog Heinrich Ⅳ., Heinrichs Ⅱ., des Zänkers, Sohn, 1002 den deutschen Königsthron als Heinrich Ⅱ. (s. d.) bestieg. Doch behielten die östl. Provinzen ihre Selbständigkeit, B. blieben hier im Südosten die Thore verschlossen, und Kaiser Heinrich führte die bayr. Politik dem Westen und Norden zu. Einen Lützelburger, Heinrich Ⅴ., gab er dann den Bayern 1004 zum Herzog. Dieser wurde zwar 1009 abgesetzt, erlangte aber 1018 die herzogl. Würde wieder. Als er 1026 starb, waren im Reiche die Salier (s. d.) zur Herrschaft gelangt, und diese verfolgten betreffs B.s eine den Sachsen vollkommen entgegengesetzte Politik. Hatten diese versucht, B. und Sachsen einander zu nähern, so ward jetzt B. als Kronland mit dem Westen verbunden und geriet mit Sachsen in Gegensatz. Die Königssöhne erhielten meist selbst die herzogl. Würde in B., so Heinrich Ⅲ. (als Herzog Ⅵ., 1027–42). Er übertrug dann das Herzogtum dem Lothringer Heinrich Ⅶ., der 1047 starb. Heinrich Ⅲ. behielt das Herzogtum bis 1049, verlieh es dann dem Lothringer Konrad (s. d.) von Zütphen, den er jedoch schon 1053 wieder absetzen mußte. Von da ab blieb das Herzogtum bei der Königsfamilie, bis 1061 Kaiserin Agnes durch Verleihung desselben an Otto von Nordheim (s. Heinrich Ⅳ., Kaiser) sich die Sachsen zu gewinnen suchte. Doch der Herzog strebte, B. zum Widerstand gegen Kaiser Heinrich IV. zu ziehen, aber der salische Einfluß behauptete sein Übergewicht, und in den furchtbaren Bürgerkriegen unter Kaiser Heinrich Ⅳ. blieb B. das Kernland der salischen Königsmacht. Erst in den letzten Zeiten Heinrichs Ⅳ. wurdeder Einfluß des Ostens auch in B. wieder vorwiegend. Nordgauische Große waren es, die, vereint mit den Sachsen, Heinrich Ⅴ. zum Siege über den Vater verhalfen. Auf Otto von Nordheim, der 1070 abgesetzt wurde, folgte Welf Ⅰ. (s. Welfen, 1070–77). Auch er wurde abgesetzt, und der Kaiser behielt das Herzogtum bis 1096 in eigener Verwaltung. Dann erhielt es Welf Ⅰ. zurück bis zu seinem Tode 1101. Ihm folgte Welf Ⅱ. (1101–20), diesem Heinrich Ⅸ. (s. d., 1120–26). Unter den ersten Welfen setzte sich zuerst die Erblichkeit der herzogl. Würde fest. Durch die Ehe Heinrichs Ⅸ. mit Wulfhilde, der Billungerin, dann namentlich seines Sohnes, Heinrichs Ⅹ. (s. d.), des Stolzen, mit Gertrud, der Tochter Kaiser Lothars, ward noch einmal eine Vereinigung der östlichen nationalen Oppositionspolitik gegen die westliche, unter roman. Einfluß arbeitende versucht. Der Kampf der Welfen und Staufer nahm seinen Anfang, als nach dem Tode Lothars Konrad Ⅲ. zum König gewählt wurde und Heinrich Ⅹ., zugleich Herzog in B. und Sachsen, sich in seinen Hoffnungen betrogen sah. Heinrich Ⅹ. wurde 1138 abgesetzt und die Herzogswürde in B. kam an die Babenberger Leopold (1139–41) und dessen Bruder Heinrich Ⅺ. Jasomirgott (1143–56). Von Kaiser Friedrich Ⅰ. wurde dann Heinrich der Löwe (s. d.) wieder zum Herzog in B. eingesetzt; allein die Ostmark wurde, wie früher Kärnten, von B. losgetrennt und zum eigenen Herzogtum Österreich erhoben, das den Babenbergern erblich verliehen wurde. B. wurde von allen Seiten eingeschnürt und so in seiner stetigen Fortentwicklung gehindert. ^[Spaltenwechsel]

2) Mittlere Geschichte Bayerns. Das Herzogtum unter den Wittelsbachern bis zur Einführung des Erstgeburtsrechts unter Albrecht Ⅳ. 1180–1506. Nach dem Sturze Heinrichs des Löwen übertrug Kaiser Friedrich Barbarossa dem Pfalzgrafen Otto Ⅰ. (s. d.) das bayr. Herzogtum, doch wurde seine letzte Mark im Osten, Steiermark, selbständiges Herzogtum. Otto starb bereits 1183 und hinterließ das Herzogtum seinem unmündigen Sohn Ludwig Ⅰ. (1183–1231). Es zeigte sich, daß die Entwicklung zur territorialen Macht nicht auf die Herzogskreise beschränkt blieb. Sie drang weiter hinab zu den Bischöfen und Grafen, und das Streben der Städte nach Autonomie ist in gleichem Sinne aufzufassen. Dem konnte nur Ein-^[folgende Seite]