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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bayern (neuere Geschichte 1508-1806)

halt geboten werden, wenn es dem Herzog gelang, seine persönliche Macht zu einer alle andern überragenden zu gestalten. Otto Ⅰ. bereitete dies vor durch das damals beliebte Mittel der Heiraten. Sein Sohn Ludwig folgte auf diesem Wege. Vor allem aber kam dem Herzog das Aussterben der Grafengeschlechter dabei zu Hilfe. Schon den drei ersten Wittelsbachern erwuchs aus dieser und andern Thatsachen die Verdreifachung ihres ursprünglichen Hausbesitzes. Die wichtigste Errungenschaft unter Ludwig Ⅰ. war die Erwerbung der Rheinischen Pfalz (s. Pfalz) 1214. Allein schon unter Otto Ⅱ. (1231–53) zeigten sich sichere Zeichen des Verfalls. In dem Kampfe um die erledigten Herzogtümer Österreich und Steiermark zog Otto Ⅱ. gegen Böhmen den kürzern. Nach seinem Tode 1253 teilten seine Söhne Ludwig Ⅱ. (1253–94) und Heinrich ⅩⅢ. das Land unter sich (1255), so daß Ludwig Ⅱ. Oberbayern mit der Rheinpfalz und der Kurwürde, Heinrich Niederbayern erhielt. Der Schwerpunkt der Entwicklung B.s liegt für die nächsten Jahrhunderte in dem selbständigen Eingreifen der Stände, und Herzog Otto Ⅲ. von Niederbayern (1290–1312) erteilte denselben in der sog. Ottonischen Handfeste die niedere Gerichtsbarkeit (1311). Indessen war den Wittelsbachern ein neuer Rival im Hause Habsburg erstanden. Die Zwietracht der Brüder Ludwig Ⅱ. und Heinrich ⅩⅢ. hatte zu dem Emporkommen dieses Geschlechts am meisten beigetragen. Österreich ging dauernd in den Besitz Habsburgs über, und jetzt strebte dieses Geschlecht zugleich mit B. nach der deutschen Königskrone. Friedrich der Schöne von Österreich und Ludwig Ⅳ. von Oberbayern (1302–47) wurden 1314 gleichzeitig zu Königen gewählt (s. Ludwig Ⅳ., der Bayer). 1328 erlangte Ludwig die Kaiserkrone. Seine Regierung ist eine für Deutschland ungünstige gewesen und für B. brachte sie keinen dauernden Vorteil. Während er seine Kraft nach allen Seiten zersplitterte, gelang es ihm nicht, die nächstliegenden Interessen genügend wahrzunehmen. 1329 schloß er mit seinen Neffen, den Söhnen Rudolfs (1294–1319) zu Pavia einen Vertrag, wonach diese die Rheinpfalz und einen Teil der Oberpfalz erhielten. Die Kurwürde sollte unter beiden Linien abwechseln. 1324 übertrug der Kaiser die erledigte Mark Brandenburg an seinen Sohn Ludwig, doch mußte dieser bei dem Tode Heinrichs von Kärnten 1335 auf dessen Lande verzichten. Österreich nahm Kärnten und Krain, Böhmen nahm Tirol. 1340 starb die niederbayr. Linie aus, und Kaiser Ludwig vereinigte also B. wieder in seiner Hand. Im Herbst 1342 vermählte er seinen Sohn Ludwig von Brandenburg mit Margarete Maultasch (s. d.) und bemächtigte sich ihres Erbes Tirol. 1346 zog er die erledigten Provinzen Holland und Hennegau ein, während sein Sohn Stephan in Schwaben für Begründung der Wittelsbachschen Macht thätig war. Da starb Ludwig plötzlich im Okt. 1347. Wittelsbachs Kraft war nach allen Seiten zersplittert, das ganze Reich stand ihm als Gegner gegenüber und fiel dem glücklichern Luxemburger, dem König Karl von Böhmen (Karl Ⅳ.) zu.

In das 14. Jahrh. fällt die Ausbildung einer landständischen Verfassung in B., indem der Adel und die Städte die Verlegenheiten der Fürsten zur Erlangung von Rechten und Freiheiten benutzten und die Besitzer geistlicher Herrschaften und Güter sich an sie anschlossen. Die Stände (Prälaten, Ritter und Städte) traten zusammen, so oft es ihnen beliebte, und zwar entweder als «gemeine Landschaft» (vereinigte Stände) oder als einzelne Stände, deren jeder einen Bund für sich bildete. Die Blüte der landständischen Macht fällt in dieselbe Zeit, da die herzogl. Macht durch die beständigen Teilungen fortwährend geschwächt wurde. Das Eindringen des röm. Rechts und damit das Eintreten gelehrter Juristen zunächst in die Obergerichte (nach der Mitte des 15. Jahrh.) arbeitete an der langsamen Entkräftung der heimischen Verfassung, und mit Hilfe Kaiser Maximilians Ⅰ. gelang es dann Albrecht Ⅳ. (s. d., 1465–1508), dem Übel durch Einführung der Erstgeburtsordnung 1506 abzuhelfen. B. hatte in der Zwischenzeit vielfache Teilungen über sich ergehen lassen müssen. Die sechs Söhne Kaiser Ludwigs des Bayern teilten 1349 das Land in Niederbayern mit den holländ. Provinzen und Oberbayern mit Tirol, Brandenburg und Lausitz. In Niederbayern erfolgte 1353 eine weitere Teilung in Niederbayern-Landshut und Niederbayern-Straubing. 1363 kam Oberbayern an Niederbayern-Landshut. 1392 erfolgte eine neue Teilung in Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut, Bayern-München. An diese drei wurde 1429 Bayern-Straubing verteilt. Bayern-Ingolstadt fiel 1447 an Landshut, dieses 1504 an Bayern-München, welches den Stamm fortpflanzte und den Teilungen ein Ende machte. – Die auswärtigen Besitzungen waren längst verloren. 1363 starb Meinhard von Tirol, der Sohn Ludwigs des Brandenburgers (1324–61) und der Margarete Maultasch. Diese übertrug Tirol an Habsburg. 1373 zwang Kaiser Karl Ⅳ. den Wittelsbacher Otto im Vertrag zu Fürstenwalde zur Abtretung Brandenburgs an das Haus Luxemburg. 1433 zwang ebenso Philipp der Gute von Burgund Jakobäa (s. d.), die Tochter Wilhelms Ⅱ. von B., zur Aufgabe der niederländ. Provinzen, deren sich dann auch bald die Habsburger bemächtigten. Damit waren die Errungenschaften Kaiser Ludwigs alle wiederum dahin, und selbst die Kurstimme hatte B. verloren, die in der Goldenen Bulle Karls Ⅳ. endgültig Böhmen zugesprochen wurde, während die pfälz. Linie der Wittelsbacher im Alleinbesitz ihrer Kurstimme blieb. Der socialen und religiösen Umwälzung warf sich B. an der Seite Habsburgs entgegen, ein Schritt, der für die folgende Periode der bayr. Geschichte von weittragender Bedeutung sein sollte.

3) Neuere Geschichte Bayerns seit 1508 bis zu seiner Erhebung zu einem Königreich 1806. Albrechts Ⅳ. ältester Sohn, Wilhelm Ⅳ., übernahm nach dem Tode des Vaters 1508 die Regierung. In ihm zeigte sich der Geist der neuen Zeit, und die Stände, namentlich der Adel, fürchteten bald für ihre Selbständigkeit. Man trieb Wilhelms Bruder Ludwig an, die Mitregierung für sich zu fordern. Erst die immer deutlicher werdenden Absichten Kaiser Maximilians, den Zwist der Wittelsbacher für Habsburg auszunutzen, wie ihm dies im Landshuter Erbfolgekrieg (s. d., 1503–5) mit Kufstein gelungen war, trieb die Brüder zur Einigung. Von 1515 bis zum Tode Ludwigs 1545 führten sie ein gemeinschaftliches Regiment. Anfangs der Lehre Luthers keineswegs abgeneigt, zu deren Aufnahme sich das bayr. Volk allenthalben anschickte, schlugen die Herzöge bald einen andern Weg ein, als sie bemerkten, daß diese Lehre sich nicht auf das religiöse Gebiet beschränkte. Da B. ohne Kurstimme war und bei der Beratung über das Reichsregiment (Jan. 1521) die Besorgnis auftauchte, die Kurfürsten würden die ganze Reichsregierung in ihre