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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bayern (neuere Geschichte 1848-64)

der König nach; die Stände sollten zum 16. März berufen werden, Wrede München verlassen. Am 6. März erschien eine Proklamation des Königs, die auf die Wünsche des Volks einging: Ministerverantwortlichkeit, Preßfreiheit, Verbesserung der Wahlordnung, Vereidigung des Heers auf die Verfassung und sonstige Maßregeln wurden versprochen. Wallerstein wurde entlassen, und Thon-Dittmer, der freisinnige Abgeordnete für Regensburg, übernahm 8. März das Ministerium des Innern. Als trotz dieser Zugeständnisse noch weitere Forderungen laut wurden, da erwachte Ludwigs Selbstgefühl von neuem. Der Geist der anbrechenden Zeit widersprach seiner tiefen Überzeugung von königl. Macht und Würde. Am 20. März dankte er plötzlich ab und hatte seinen Sohn Maximilian zum Nachfolger.

6) Unter Maximilian Ⅱ. 1848–64. Am 21. März leistete Maximilian Ⅱ. (s. d.) den Eid auf die Verfassung; Anschläge verkündeten dem Volke, daß der neue König bemüht sein wolle, «dieser Zeit Gebot zu verstehen und zu vollbringen». Das neue Ministerium bestand aus populären Persönlichkeiten: von Thon-Dittmer blieb Minister des Innern, von Lerchenfeld erhielt die Finanzen, der Pfälzer Heinz die Justiz, von Beisler den Kultus, von Weishaupt das Militärwesen und Graf Bray das Auswärtige. Am 22. März trat der Landtag zusammen. Ein Teil der Regierungsvorlagen wurde gleich in der anberaumten Sitzung zu Gesetzen erhoben. So erhielt der Landtag das Recht der ständischen «Initiative»; die Ministerverantwortlichkeit wurde eingeführt, die Ordnung der Landtagswahl neu geregelt, so daß die Abgeordneten aus der freien Wahl des ganzen Volks hervorgingen. Die standesherrliche und gutsherrliche Gerichtsbarkeit wurde aufgehoben, Frondienst und Zehnten abgeschafft, die Rechtspflege von der Verwaltung in den untersten Behörden getrennt, der Grundsatz einer allgemeinen progressiven Einkommensteuer ausgesprochen, Schwurgerichte wurden eingeführt und mit ihnen die Öffentlichkeit und Mündlichkeit im Strafverfahren, die Freiheit der Presse und des Buchhandels wurde bestätigt. Eine Frage indes lähmte die Thätigkeit der Regierung. Als am 18. Mai das Frankfurter Parlament eröffnet worden war, zeigte sich bei der Regierung die Besorgnis, B. könne mediatisiert werden. Am 4. Juni wurde der Landtag geschlossen, nachdem er der Regierung noch die Aufbringung eines freiwilligen Anlehens von 7 Mill. Fl. bewilligt hatte. Am 1. Aug. erkannte König Maximilian den von der Nationalversammlung gewählten Reichsverweser, Erzherzog Johann von Österreich, an. Auf das Gerücht hin, die Krone wolle den Staatsschatz und die Wittelsbachischen Familienkleinode im Ausland in Sicherheit bringen, brachen 21. Aug. Unruhen aus, die zu blutigem Zusammenstoß mit den Truppen führten. Am 1. Dez. 1848 schieden von Thon-Dittmer und Beisler aus dem Ministerium, Lerchenfeld übernahm das Innere und den Kultus, trat jedoch schon 20. Dez. wieder zurück, und der unpopuläre, sog. «Lola-Minister» Beisler folgte ihm. Der Landtag des J. 1849, nach der neuen Wahlordnung gewählt, wurde am 22. Jan. feierlich eröffnet. Die Thronrede ging über die deutsche Frage hinweg und gedachte der Nationalversammlung und der Grundrechte mit keinem Worte, ja eine ministerielle Erklärung wies die Einmischung der Reichsgesetzgebung in die bayrische zurück. Infolgedessen wuchs die Opposition, und die radikale und rein deutsche Partei drang mit 72 gegen 62 Stimmen für die Gültigkeit der Reichsgesetze durch. Am 8. Febr. erklärten die Minister, daß sie um ihre Entlassung gebeten hätten; doch führten sie die Geschäfte provisorisch fort und suchten die Sache der Linken zu schwächen, indem sie einen Gesetzentwurf wegen Aufbringung der Matrikularbeiträge für die deutsche Centralgewalt in der Höhe von 1622000 Fl. vorlegten. Als darauf der Abgeordnete Kolb die Deckung dieser Forderung durch Zurückerstattung des sog. griech. Anlehens beantragte, wurde die Vertagung der Kammer verfügt. Die Wahl. des preuß. Königs Friedrich Wilhelm Ⅳ. zum Deutschen Erbkaiser (28. März 1849) verschlimmerte die Gegensätze. Der neue Minister des Auswärtigen, von der Pfordten, erklärte den deutschen Regierungen, daß die bayr. Regierung eine unbedingte Gültigkeit der Reichsverfassung nicht anerkenne, die Kaiserwahl ablehne, gegen den Ausschluß Österreichs, wie gegen den von der Nationalversammlung angestrebten Einheitsstaat protestiere. Proklamationen ergingen an das bayr. Volk; da brach in der Pfalz der Aufstand aus. Der bayr. Regierung ward der Gehorsam verweigert und ein Landesverteidigungsausschuß eingesetzt. Ein Reichskommissar suchte vergebens zu vermitteln. Die Aufregung ergriff Beamte und Heer. Am 17. Mai verwandelte sich der Landesausschuß in eine provisorische Regierung, der es aber ebensowenig gelang, die revolutionären Kräfte zu organisieren. Trotz dieser Demonstrationen wich das neue Ministerium von seinem Programm nicht ab. Am 19. Mai gab es vor dem wieder eröffneten Landtag die alten Erklärungen gegen die Reichsverfassung, was erst recht die Opposition wachrief. Man verweigerte zu diesem Programm jede Unterstützung und forderte vom König die Entlassung des Ministeriums. Das geschah nicht, sondern von der Pfordten benutzte die Revolution in der Pfalz, sich eine Kammermehrheit zu verschaffen, indem er den pfälz. Abgeordneten das Recht absprach, bis auf weiteres an den Kammersitzungen teilzunehmen. Der Kammerpräsident Hegnenberg-Dux stand dem Minister bei und versuchte diesen Plan eigenmächtig auszuführen. Darauf verließen alle Freisinnigen den Sitzungssaal – die Kammer war beschlußunfähig. Am 10. Juni 1849 wurde dann die Kammer aufgelöst. Zur Niederwerfung des Aufstandes in der Pfalz hatte sich B. an Preußen um Hilfe gewendet; schon 20. Juni war der Prinz von Preußen mit der Pfalz fertig, und General Fürst Taxis besetzte dieselbe mit bayr. Truppen. Der Kriegszustand wurde über das Land verhängt, und die Gerichte schritten mit der äußersten Strenge ein.

Dem Dreikönigsbündnis vom 26. Mai war B. nicht beigetreten. Es beharrte auf der Ablehnung jeder Reichsverfassung mit monarchischer Spitze, da B. doppelköpfiges Bundespräsidium (Österreich und Preußen) wollte und außerdem die Überweisung der ganzen Regierungsgewalt an das Fürstenkollegium beanspruchte. Als im September Preußen und Österreich die interimistische Leitung des Bundes übernahmen, sahen sich die Mittelstaaten darauf beschränkt, neue Entwürfe zu einer Bundesverfassung zu schmieden. Im Jan. 1850 machte von der Pfordten die Grundzüge einer solchen bekannt, an welcher Sachsen, Hannover und Württemberg mitgeholfen hatten. Österreich stand wieder hinter diesem Bunde, dessen Spitze sich gegen Preußen richtete. Am 27. Febr. 1850 ward der Vertrag der vier