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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Belgien (Klima. Tiere u. Pflanzen. Mineralien. Bevölkerung. Land- u. Forstwirtschaft)

Das Klima trägt in den der See benachbarten Ebenen fast oceanischen Charakter und zeichnet sich durch Milde und Gleichmäßigkeit vor den höhern Landesgegenden im SO. aus, wo heißere Sommer mit kältern Wintern schroffer wechseln. Die mittlere Jahrestemperatur der Gegenden von 0 bis 100 m Höhe beträgt etwa 10° C.; landeinwärts nehmen die Schwankungen der extremen Monate zu, ebenso die Regenmengen, die in Ostende 700, in Brüssel 730, in Lüttich 770, in Stavelot (in den Ardennen) 965 mm erreichen.

Tier- und Pflanzenwelt. Die Tierwelt des Landes bietet wenig Besonderes und unterscheidet sich von der des nordwestl. Deutschlands nur durch das Fehlen verschiedener Arten. Auch die Fauna des Meers ist infolge der sandigen und schlammigen, nirgends felsigen Küste arm. In ihrem pflanzlichen Charakter schließen sich Flandern, Antwerpen und Limburg an die Niederlande und Nordwestdeutschland an, Hennegau und Lüttich dagegen an die rheinische Flora. Weite Heiden sind in den Ardennen; ein häufiger Schmuck der Wälder ist die Stechpalme (Ilex).

Das Mineralreich liefert, außer beträchtlichen Ausbeuten an Blei, Kupfer, Zink, Galmei, Alaun, Torf, schönem Marmor, der glänzendschwarz bei Visé und Theux gefunden wird, Kalkstein und Schiefer und, nächst England, die wertvollsten Schätze an Eisen und Steinkohlen. Die 134 im Gange befindlichen Hochöfen und 18 Eisenhütten lieferten (1889) 832226 t Eisen im Werte von 44,491 Mill. Frs. (1850 nur 11½ Mill.). Der Steinkohlenreichtum lagert in den drei Hauptbassins von Bergen (Mons), Lüttich und Charleroi (insgesamt 143030 ha), welche 1889 in 256 Gruben nahezu 20 Mill. t Steinkohlen, im Werte von 87,7 Mill. Frs., lieferten. Unter den Mineralquellen sind die Stahlquellen zu Spaa die berühmtesten und ziehen, nebst den Seebädern Ostende, Blankenberghe, Heyst und Nieuport, eine bedeutende Anzahl von Fremden ins Land.

Bevölkerung. Die Bevölkerung betrug (1893) 6262272 (3124068 männl., 3138204 weibl.) E., d. i. 213 auf 1 qkm; B. ist also der am dichtesten bevölkerte Staat Europas. Von 1831 bis 1840 stieg die Bevölkerung um 7,59 Proz., von 1841 bis 1850 um 8,67, von 1850 bis 1860 um nahezu 10, von 1860 bis 1880 um 10 Proz. Seit 1841 beträgt der jährliche Zuwachs durchschnittlich 0,90 Proz. Die Anzahl der Gemeinden betrug (1889) 2595, darunter 4 (Brüssel, Antwerpen, Gent und Lüttich) mit je über 100000, 17 mit je 25‒100000, 7 mit 20‒25000, 8 mit 15‒20000, 36 mit 10‒15000 und mit 5‒10000 E. Die Zahl der bewohnten Häuser betrug (1880) 1061469 mit 1210706 Haushaltungen, der unbewohnten 65066. Die Einwanderung betrug (1885) 18302, (1892) 21774, (1893) 21686; die Auswanderung 13277, 22532 und 22117 Personen. Die Mehrzahl der Bevölkerung bekennt sich zur kath. Kirche. Die Zahl der Protestanten schätzt man auf 15000, die der Israeliten auf 3000. Die Katholiken werden durch den Erzbischof von Mecheln und die fünf Diöcesanbischöfe zu Brügge, Gent, Tournai (Doornik), Namur und Lüttich geleitet. Die kleinen, in den größeren Städten und Dorfgemeinden befindlichen prot. Gemeinden teilen sich in anglikanische und reformierte, die vom Staatsbudget, und in solche, die, meist aus kath. Konvertiten entstanden, von der in Brüssel bestehenden evang. Gesellschaft unterhalten werden.

Die Bevölkerung verteilt sich Dez. 1893 auf die 9 Provinzen folgendermaßen:

Zunahme

Einw. in Proz.

Provinzen qkm Einwohner pro qkm 1831‒1891

Antwerpen 2831,30 739889 261 104

Brabant 3282,90 1154126 351 99

Westflandern 3234,81 755349 234 22

Ostflandern 3000,20 970398 323 28

Hennegau 3721,66 1072012 288 72

Lüttich 2894,85 789151 272 100

Limburg 2412,30 226997 93 39

Luxemburg 4418,36 213155 48 32

Namur 3660,24 341195 93 57

Königreich 29457,12 6262272 213 62,09

Beinahe und mehr als verdoppelt hat sich die Einwohnerzahl also in Antwerpen, Lüttich und Brabant.

Die Bevölkerung besteht aus einem Mischvolke german. und keltogallischer Abkunft, in welchem die Stämme der Vlamingen und Wallonen gegenwärtig noch durch Festhalten ihrer Mundart, der vlämischen und wallonischen, hervortreten. Als Sprache des Umgangs der gebildetern Stände sowie der Staatsbehörden und des höhern und mittlern Unterrichts hat das Französische die Oberherrschaft behalten, doch sind neuerdings der sog. flamändischen Bewegung Zugeständnisse gemacht worden.

Läßt man die Kinder unter 2 Jahren unberücksichtigt, so ergeben die Sprachenverhältnisse im einzelnen (1880) folgendes Bild; es sprachen:

Provinzen Nur Nur Nur Franz. und Franz. und Vläm. und Alle Keine der

französisch vlämisch deutsch vlämisch deutsch deutsch 3 Sprachen 3 Sprachen

Antwerpen 7957 477570 2286 49283 721 746 2845 891

Brabant 260589 501670 4250 153436 4723 639 4793 3493

Westflandern 24874 553609 132 76595 149 139 606 739

Ostflandern 8541 749050 264 77313 272 227 1166 309

Hennegau 889478 13836 443 23804 1587 65 1634 353

Lüttich 556397 20216 14068 22054 14919 440 1269 254

Limburg 10513 168573 234 18605 258 634 744 154

Luxemburg 168128 416 17698 500 11824 20 105 117

Namur 303839 444 175 2162 757 46 169 102

Königreich 2230316 2485384 39550 423752 35210 2956 13331 6412

Land- und Forstwirtschaft. Während die Ardennenwaldungen Holz im Überfluß liefern, bietet die Ebene Getreide aller Art, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Ölgewächse, Hanf, Flachs (besonders schön in Flandern), Tabak (in Westflandern), viel Hopfen, Farbekräuter und Cichorien. Doch genügt der reiche Ertrag des Bodens an Getreide dem Bedarf der Bevölkerung nicht, so daß Brotkorn und Mehl in großer Menge eingeführt werden muß. Das angebaute Land umfaßt 85,3 Proz. der Gesamtfläche, davon sind 49,3 Proz. Ackerland, 4 Proz. Garten- und Weinland, 17 Proz. Wiesen- und Weideland, 15 Proz. Waldungen, und zwar in Westflandern nur 3,4, in