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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bernstein

Ablagerungen und wurde so weit über das deutsche und russ. Gebiet verstreut, als sich diluviale Ablagerungen darin vorfinden. Nach Schluß der Eiszeit gelangte der B. durch die umlagerte und abtragende Thätigkeit der Wasser in die schichten, die wir mit alluvial bezeichnen, und auch in die heutige Ostsee. Aus letzterer wird er nach jedem gegen die Küste gerichteten Sturm, untermischt mit Seetang, als sog. Strandsegen ausgeworfen und gesammelt. In frühern Jahrtausenden blieb der aufgeworfene B. an geschützten Stellen liegen, sammelte sich zu größern Ablagerungen an, versandete und bildete so neue Ablagerungen, die als altalluviale Lagerstätte bezeichnet werden, wie man sie beispielsweise bei Schwarzort findet.

Ein besonderes wissenschaftliches Interesse erlangt der B. durch seine tierischen und pflanzlichen Einschlüsse. Die Tiere und Pflanzen des B. stehen denen, welche heute im südl. Nordamerika und Japan vorkommen, sehr nahe, gehören meist noch jetzt lebenden Gattungen an, sind aber in den Arten gegenwärtig ausgestorben. Beobachtet wurden Säugetierhaare, Federn von spechtartigen Vögeln, Eidechsen, Schnecken, Krebse, Spinnen, Skorpione, Tausendfüße und alle Klassen der eigentlichen Insekten. Über den Artenreichtum an Tieren im B. gab R. Klebs auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte zu Heidelberg 1889 eine Übersicht. Von Mücken und Fliegen kann man oberflächlich allein 230 Arten unterscheiden (s. beistehende Abbildung 1, die eine Myramide in natürlicher Größe [a] und stark vergrößert darstellt); von den gegenwärtigen 75 Käferfamilien fehlen dem B. bis jetzt nur 26; in ähnlicher Weise sind alle Insektenfamilien durch zahlreiche Arten vertreten.

^[Abb: Fig. 1.]

Die bedeutendsten Sammlungen sind die des Bernsteinmuseums von Stantien & Becker zu Königsberg, welche über 50000 Einschlüsse enthält; ferner die Sammlung des Museums für Naturkunde zu Berlin mit etwa 14000 Nummern und die des Museums für Berg- und Hüttenwesen zu Berlin; letztere besitzt eine Übersicht von Exportartikeln des verarbeiteten B. Der Wert der seltenen Einschlüsse ist sehr hoch; so wurde das eingeschlossene Blatt des Zimmetbaums (s. nachstehende Abbildung 2) mit 1100 M. bezahlt.

^[Abb: Fig. 2.]

Die Blüte von Stuartia Kowalewskii Caspary wurde für 300 M. verkauft. Häufig vorkommende Einschlüsse kann man zum Preise von 0,25 bis 3 M. erhalten.

Der B. findet sich in verschiedener Färbung von reinweiß bis dunkelrotbraun, sogar bläulich und smaragdgrün. Die Färbung rührt von kleinen Bläschen her, die den B. durchsetzen. Die zahlreichsten Bläschen besitzt der schaumige B., welcher sehr weich ist und keine Politur mehr annimmt.

Weniger Bläschen weist der knochige B. auf, noch weniger der sog. Bastard, am wenigsten der flomige (halbklare) B.; blasenfrei ist der klare. Ferner unterscheidet man massiven B. und die sog. Schlauben. Massiver B. entfloß einst lebenden Stämmen, er ist fast immer trübe. Schmolzen diese Harzmassen in der Sonnenhitze, oder entzog letztere abgestorbenen Stämmen das Harz, so wurde es klar. Dadurch, daß die einzelnen Ergüsse schnell erhärteten, konnten nachfolgende Harzflüsse nicht mehr fest daran haften. Es entstanden dadurch Stücke, deren Kohäsion in der Flußrichtung sehr schwach ist und die daher leicht schalig zerspringen. Sie führen den Namen Schlauben und zeichnen sich durch Klarheit und den Reichtum an Einschlüssen aus. Im Handel unterscheidet man die Farben des B.: Perlfarbe oder Blau des Handels, fast milchweiß, oft mit schwachem Stich ins Bläuliche; Kumstfarbe, gelblich trübe, von Kumst = Kohl abgeleitet, d. h. Farbe des Sauerkohls; Weiß; Buntknochig, gelb mit weißen oder klaren Wolken; Helles Klar, sog. Braunschweiger Klar, und weinfarbiges Klar und Dunkel gelb. Farben wie smaragdgrün, blau, braun kommen zwar auch vor, gehören aber zu den größten Seltenheiten.

Meist ist der B. mit einer dunkelrotbraunen, an der Oberfläche gelbstaubigen Rinde umgeben, die durch Verwitterung während der Lagerung im Erdboden entstanden ist; je nach den verschiedenen Ablagerungsschichten ist auch die Farbe und Beschaffenheit der Verwitterungsrinde eine andere. Charakteristisch ist die gänsehautähnliche Beschaffenheit der Oberfläche des B. aus der blauen Erde; die Rinde des B. aus Thonerden und Lehmmergeln ist dunkelbraun und mehr glatt, am dicksten ist sie bei allen Stücken, die in sandigen Schichten sich finden. Fast gar keine Rinde zeigt der aus dem Meere gewonnene B., an dem Wellen und Sand einen natürlichen Schleifprozeß vorgenommen haben.

Wie der B. das fossile Harz von Pinites succinifer G. ist, haben auch andere Pflanzen Harzausscheidungen gehabt, die in dem Erdboden uns erhalten sind. Keine derselben ist in Bezug auf Abstammung so bekannt wie der B. Im ostpreuß. Tertiär kommen mit dem B. zusammen vor: der Gedanit (s. d.), der Glessit (s. d.), der Beckerit (s. d.), der Stantinit (s. d.), ein schwarzes, klares, fossiles Harz. An andern Orten wurden wiederum andere fossile Harze beobachtet, die häufig auch als B. bezeichnet werden, aber dennoch nicht B. sind. Am nächsten steht dem nordischen B. der Simentit (s. d.), der B. aus Rumänien und Galizien. Bernsteinähnlich sind auch einzelne fossile Harze des Libanons und aus China.

Chemisches. Der B. hat ein spec. Gewicht von 0,98 bis 1,2. Er ist ein Gemenge von mindestens drei Harzen, die sich durch verschiedene Löslichkeit in Alkohol, Äther, Chloroform auszeichnen, mit unlöslichem Bitumen. Bei der Verschiedenheit des B. und den wechselnden Verhältnissen, in denen die einzelnen Harze in ihm vorkommen, ist es auch nicht möglich, eine chem. Formel für seine Zusammensetzung aufzustellen. Die elementare Zusammensetzung für knochigen B. ist Kohlenstoff 73,68, Wasserstoff 9,94, Sauerstoff 16,27, Schwefel 0,11; für klaren gelben B. Kohlenstoff 78,63, Wasserstoff 10,48, Sauerstoff 10,47, Schwefel 0,42. In dem Gemenge von Harzen liegt wohl nur beigemengt Bernsteinsäure von 2,1 bis 8,7 Proz. Der B. ist unzersetzt nicht schmelzbar. Bei einer Temperatur von 300 bis