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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bestattung (der Toten)

gegen die schädlichen Ausdünstungen verwesender Körper bei weitem vorzuziehen. Über die neuern Vorschläge, statt der Beerdigung die Verbrennung einzuführen, s. Leichenverbrennung.

Das ganze Beerdigungswesen muß insbesondere aus Rücksicht auf die Gesundheit der Bevölkerung in jeder Hinsicht streng beaufsichtigt werden. Bei der gegenwärtigen Art der B. hat die Sanitätspolizei namentlich für folgende Vorkehrungen zu sorgen. Zunächst dürfen Totenäcker nur außerhalb der Stadt und nie in der Nähe von Wohnungen liegen. In Italien soll die Entfernung der Begräbnisplätze von den Wohngebäuden 100 m, in Sachsen 136, in Österreich und Frankreich 200 m betragen, der Hygieinische Kongreß zu Brüssel 1852 forderte 400 m. Neue Friedhöfe sollen nach Ansicht einiger Hygieiniker wenigstens 1000 m von einem Orte entfernt angelegt werden. Man soll für einen Friedhof womöglich thonhaltigen Sandboden wählen; Thonboden hindert den Zutritt der Luft, während Kiesboden ein zu geringes Absorptionsvermögen hat, so daß schädliche Zersetzungserzeugnisse aus diesem entweichen könnten, bevor sie vom Sauerstoff der Luft völlig zerstört sind. Der Boden sollte 3 m tief drainiert, das Drainwasser auf eine Wiese geleitet werden. Die Vorsicht gebietet, nicht einen Platz zu wählen, dessen Grundwässer nach einem nahen Wohnorte oder nach einer städtischen Wasserleitung abfließen. Der Sarg soll mit einer 1½ m dicken Schicht Erde bedeckt, ein Grab erst nach 30 Jahren wieder benutzt werden. Auch würde es sich empfehlen, in die Särge eine Schicht Eisenoxyd und Kalk zu bringen. Vielen größern Städten ist aus den Totengrüften durch Anhäufung der schädlichen Erzeugnisse der fauligen Zersetzung in der Luft und im Brunnenwasser Seuche und Tod gekommen. Schwierig ist schnelle B. gefallener Soldaten nach großen Schlachten. Jede Grube soll tief sein, nicht überfüllt, 2 Hand breit mit Kalk, Kohle oder Asche bedeckt und mit 2 m Erde fest gestopft werden; zur Desinfektion (s. d.) benutzt man Carbolsäure und ähnliches. Auch werden die Gefallenen mittels Teers und Petroleums oder Siemensschen Ofens verbrannt. Eine zweite, nicht weniger ernste Aufgabe der Sanitätspolizei ist die zweckmäßig organisierte Leichenschau und die Errichtung von Leichenhäusern oder -Hallen zur Vermeidung der B. von Scheintoten. Bei der Eile, mit der im Altertum die B., besonders bei Armen, vor sich ging, erwachten, nach Plinius, nicht wenige sogar auf dem Scheiterhaufen beim Verbrennen. In Deutschland darf die Beerdigung erst nach einer bestimmten, partikularrechtlich verschiedenen (1 Tag Elsaß-Lothringen, 2 Tage Süddeutschland, 3 Tage Preußen, Sachsen, Hessen) Frist erfolgen; in vielen Staaten ist überdies eine amtliche Leichenschau vorgeschrieben, in Preußen nicht; im Gebiet des franz. Rechts ist Genehmigung des Standesbeamten zur Beerdigung erforderlich; Leichenhäuser sind in Sachsen für die Gemeinden obligatorisch, sonst vielfach freiwillig hergestellt; zur Beförderung von Leichen sind besondere behördliche Leichenpässe erforderlich; die Kirchhöfe sind in Deutschland meist konfessionell, in Württemberg, Baden, Hessen und einzelnen preuß. Gebietsteilen (linkes Rheinufer, Nassau, Berg) stehen sie im Eigentum der bürgerlichen Gemeinden, auch sonst ausnahmsweise; zur Anlegung von Kirchhöfen ist überall Staatsgenehmigung erforderlich, für deren Erteilung im einzelnen sehr verschiedene Grundsätze gelten; nach der Schließung darf ein Kirchhof erst nach bestimmter Frist (in Altpreußen 40, Hessen 30, Baden 20, im Gebiet des Code civil 5 Jahren) in anderweitigen Gebrauch genommen werden. Solange der Kirchhof seinem Zwecke dient, ist er dem Verkehr entzogen. Rechtsgeschäfte, die jenem Zwecke widersprechen, sind ungültig. Während die Kirchhöfe noch im 18. Jahrh. (mit Ausnahme der sehr regelmäßig angelegten der Herrnhuter) meist ein Bild der Überfüllung und Unordnung und Vernachlässigung boten, haben die neuern Friedhöfe, besonders in größern Städten, das Aussehen von Gärten mit reichem architektonischem und monumentalem Schmuck gewonnen. Berühmt wegen seiner schönen Denkmäler ist der Friedhof Père-Lachaise (s. Lachaise) in Paris. (S. auch Grabmal.)

Die Beerdigungspflicht, d. h. die Pflicht, die Leiche eines Verstorbenen zu bestatten oder die Kosten der Beerdigung zu tragen, ist ein Bestandteil der gesetzlichen Unterhaltspflicht und liegt bei Unmündigen dem Vater, in dessen Gewalt der Verstorbene war, wenn die Ehe durch den Tod getrennt wurde, dem überlebenden Ehegatten ob; nur kann der Pflichtige die Kosten aus dem Nachlaß des Verstorbenen entnehmen, oder wenn ein anderer Erbe ist, von diesem, der auch sonst der Verpflichtete ist, Erstattung fordern. War der Verstorbene getötet, so ist der Urheber der Tötung auch zum Ersatz der Beerdigungskosten verpflichtet. Das Gemeine Recht giebt demjenigen, welcher als Geschäftsführer ohne Auftrag die Verbindlichkeit erfüllte, gegen den Pflichtigen eine besondere Klage (actio funeraria). Nach §. 2413 des Sächs. Bürgerl. Gesetzbuches sind nicht allein die Beerdigungskosten, sondern sogar die Kosten für ein Grabdenkmal, sofern dieselben den Standes- und Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechen, bei Herausgabe einer Erbschaft zu ersetzen. Die Preuß. Konkursordnung (§. 75) wies den Beerdigungskosten im Nachlaßkonkurse eine bevorzugte Stellung ein. Die Deutsche Konkursordnung hat ihnen eine gleiche Bevorzugung nicht zu teil werden lassen. Der Code civil gab denselben im Art. 2101, Nr. 2 ein allgemeines Vorzugsrecht auf die fahrende Habe. Das geltende Recht gewährt zum Teil Erleichterungen in Ansehung der Form für letztwillige Verfügungen, wenn diese lediglich die Beerdigung betreffen. So z. B. das Preuß. Allg. Landr. I, 12, §. 169 mit §. 162. Nach andern Rechten wird das Gleiche deshalb anzunehmen sein, weil und soweit sie formlose Nachzettel kennen.

Die Beurkundung der Sterbefälle geschieht reichsgesetzlich (Gesetz vom 6. Febr. 1875) durch die bürgerlichen Standesbeamten, welchen die Anzeige spätestens am nächsten Wochentage nach Eintritt des Todes zu erstatten ist, im staatlichen Sterberegister; vor dem Eintrag in dasselbe darf die Beerdigung bei Strafe nicht stattfinden; bei Verdacht eines unnatürlichen Todes ist das Gericht oder der Staatsanwalt zu benachrichtigen.

Litteratur. Feydeau, Histoire générale des usages funèbres et des sépultures des peuples anciens (3 Bde., Par. 1858; mit 100 Taf.); Weinhold, Die heidn. Totenbestattung in Deutschland (Wien 1859); Homeyer, Der Dreißigste (Berl. 1864); Grotefend, Das Leichen- und Begräbniswesen im preuß. Staate (Arnsberg 1869); Sonntag, Die Totenbestattung. Totenkultus alter und neuer Zeit und die Begräbnisfrage (Halle 1878); Wernher, Die B. der Toten in Bezug auf Hygieine, geschichtliche Ent-^[folgende Seite]