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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Beuteltiere; Beuteltuch; Beutelwolf

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Beuteltiere - Beutelwolf

kegelförmige, spitze Schnäbel, deren hinten abgeflachte Firste eine breite Stirnplatte bildet, starke Füße mit langen Zehen und scharfen Krallen daran, lange Flügel und Schwänze haben und sich durch einen besonders künstlichen Nestbau auszeichuen. Der bekannteste Vertreter ist der Schapu der Brasilianer (Cassicus cristatus Daud.), mit einem steifen Schopfe auf dem Hinterhaupt, einförmig schwarz bis auf fünf citronengelbe Steuerfedern jederseits im Schwanze. Die langen, beutelförmigen, sehr künstlich gewebten Nester, die man nicht unpassend mit Schrotbeuteln verglichen hat, werden gesellig an Zweige von Uferbäumen, oft sehr nahe über dem Wasserspiegel der Flüsse aufgehängt. Die B. sind lebhafte Vögel, sehr kühn gegen Raubvögel, ahmen allerlei Töne nach, jagen gesellig nach Insekten und kleinen Wirbeltieren, fressen aber auch Früchte und Beeren und werden dadurch den Pflanzungen oft schädlich. In den zoolog. Gärten und bei den Vogelhändlern trifft man zumeist den Spottvogel oder die Gelbsteißkassike (Cassicus persicus L.) und die Rotrückenkassike (Cassicus haemorrhous L) an. Dieselben sind wie der Schapu schwarz, die Gegend der Schwanzwurzel ist bei ersterer gelb, bei der zweiten rot. Das Paar kostet 50 M. Bei dem gewöhnlichen Starfutter - eingeweichtes Weißbrot, geriebene Möhren und Eier, gehacktes Fleisch, Ameiseneier in nicht zu feuchter Mischung, und etwas Sämereien, wie Hanf - halten sie viele Jahre aus, sind auch gegen unsern Winter nicht sehr empfindlich, wenn sie nur mitunter sich in einen frostfreien Raum zurückziehen gönnen. Verwandt ist der Baltimorevogel (s. Stärlinge).

Beuteltiere (Marsupialia), eine Reihe niederer Säugetiere, die sich durch drei wesentliche Kennzeichen von allen übrigen Säugetieren unterscheiden: durch regelmäßige Frühgeburten, infolge deren die Jungen höchst unausgebildet zur Welt kommen und erst, wenn sie noch lange an den Zitzen der Mutter gehangen haben, ihre Entwicklung vollenden; durch zwei Knochen, die sog. Beutelknochen, welche, auf der vordern Fuge des Beckens aufstehend, in den Muskeldecken des Bauchs verborgen sind; endlich durch den Mangel des Balkens oder Schwielenkörpers im Gehirn. Die Organisation der Zähne und Füße ist bei den B. sehr verschieden, aber sie stimmen in dem einen Charakter überein, daß ihre Füße mit Krallen, aber niemals mit Hufen versehen sind. Meist sieht man jetzt dieselben als eine Unterklasse der Säugetiere an, die, mit dem Schnabeltier und Ameisenigel zusammengefaßt, als Didelphen bezeichnet werden und den übrigen Säugetieren, den Monodelphen, parallele, ähnlich gebaute Ordnungen besitzen. Die Zitzen befinden sich bei allen B. unten am Bauche, meist von einem Beutel umgeben, zuweilen aber ganz frei oder nur von einer vorspringenden Hautfalte umsäumt. Sie sind meist sehr lang und passen in das röhrenförmige Maul der Jungen. Diese werden von den Müttern unmittelbar nach ihrer Geburt mit dem Maule gefaßt und an die Zitzen befestigt, wo sie erst monatelang unbeweglich hängen und saugen; später aber, wenn sie größer geworden, verlassen sie den Beutel zeitweilig, betrachten ihn aber noch als Zufluchtsstätte, in den sie bei drohender oder vermeintlicher Gefahr mit großer Behendigkeit hüpfen. Dies ist auch häufig bei Kängurus in zoolog. Gärten zu beobachten. Wie unausgebildet die Jungen geboren werden, geht daraus hervor, daß das nach einer Tragzeit von

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39 Tagen geborene Junge des bis zu 100 kg schwer werdenden Riesenkängurus nur 60 g wiegt.

Man unterscheidet bei den B.: echte Fleischfresser (Creatophaga) mit großen Eckzähnen, wohin der einem Metzgerbunde ähnliche Beutelwolf, die Beutelmarder und Beutelbilche gehören, die mehr marderartig an Bäumen klettern; Insektenfresser (Entomophaga), zu denen die amerik. Beutelratten gehören, während sie in Australien durch die Beuteldachse und die Ameisenbeutler vertreten sind; Fruchtfresser (Carpophaga), nächtliche Klettertiere mit Daumen an den Hinterfüßen, die von Baumfrüchten leben, darunter die Flugbeutler, die Koalas oder Beutelbären und die Fingerbeutler oder Kusu auf den Sunda-Inseln; Grasfresser (Poephaga), denen die Kängurus und Kängururatten angehören, die mit ihren gewaltigen Hinterfüßen und dem langen Balancierschwanze in gewaltigen Sprüngen die Grasebenen Australiens durchfliegen; endlich Beutelnager (Rhizophaga) mit nagerähnlichem Gebiß, wozu der in der Weise eines Murmeltiers lebende Wombat gehört. Neun Zehntel der bekannten Arten leben in Australien und den benachbarten Inseln, die übrigen in Amerika und auf den asiat. Inseln. In den Tertiärschichten einiger europ. Länder hat man ebenfalls ausgestorbene Arten entdeckt, und vielleicht gehören alle in neuester Zeit in den Trias, dem Jura und der Kreide entdeckten ältesten Säugetierreste Formen dieser Unterklasse an, welche offenbar die Stammgruppe sämtlicher höhern Säugetiere darstellt. Dieses ist um so wahrscheinlicher, als man in Australien Reste von fossilen B. entdeckt hat, die den Dickhäutern ähnliche Charaktere aufweisen. (S. die einzelnen Artikel und Tafel: Beuteltiere I, II.)

Beuteltuch, Siebtuch, Beutelgaze, Müllergaze, ein in Kette und Einschlag aus starkem, festgedrehtem Kammgarn, Baumwollgarn, Leinen, Roßhaar oder Seide (Rohseide) bestehendes undichtes Gewebe, das hauptsächlich als Material zu Sieben für mannigfache Zwecke, namentlich in der Müllerei zur Herstellung der das Mahlgut in Kleie und die verschiedenen Mehlsorten sondernden schlauchartigen Beutel oder zum Beschlagen der Siebcylinder der Sichtemaschinen, Beutelmaschinen (s. Mühlenbeutelmaschinen) Anwendung findet, in einzelnen Sorten auch in der Näherei und Stickerei, zu Modelltüchern, zum Beziehen von Arbeitsrahmen sowie als Fenstergaze benutzt wird. In den gewöhnlichen Mühlen ist allgemein das wollene B., in den amerik. oder Kunstmühlen die aus roher (gelber oder weißer) Seide hergestellte, die höchsten Feinheitsnummern vertretende Beutelgaze in Gebrauch. Das eigentliche B. muß in der Art gewebt sein, daß je zwei zusammengehörige Kettenfäden (Polfaden und Stückfaden) zwischen je zwei Einschlagfäden miteinander verzwirnt sind, wodurch quadratische Offnungen von sehr gleichmäßiger und unveränderlicher Größe gebildet werden, die wohl die rundlichen Mehlkörnchen, nicht aber die platt und länglich geformten Kleienteile durchlassen.

Beutelwolf, Beutelhund (Thylacinus), Gattung austral. Raubbeutler von hundeartigem Habitus. Die einzige Art (Thylacinus cynocephalus Fischer, s. Tafel: Beuteltiere II, Fig. 3) ist das größte Raubtier seiner Heimat Tasmanien. Er heißt wegen der schwarzen Querbinden des Rückens wohl auch Zebrahund. Er erreicht die Länge von 1,10 m bei 46 cm Schulterhöhe. Das lichtscheue Tier hält sich