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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bibel (Bibelübersetzungen)

teils aus lat., teils aus griech.-lat. Handschriften noch ziemlich vollständig herstellen läßt. Der Wert dieser altlat. Bibelfragmente für die Wiedererkennung des ältesten griech. Textes, namentlich des Neuen Testaments, ist ein erheblicher, ihre philol. Erforschung daher in regem Betriebe. Doch lief diese Übersetzung seit Ende des 2. bis Ende des 4. Jahrh. in vielfältig voneinander abweichenden Textformen um (unter diesen die "Itala" [s. d.] eine der wichtigsten), bis der Kirchenvater Hieronymus (s. d.) im Auftrage des röm. Bischofs Damasus c. die Vulgata (s. d.) an ihre Stelle setzte. d. Die übrigen christl. Bibelübersetzungen: die äthiopische (4. Jahrh.), koptische oder niederägyptische, sahidische oder oberägyptische (beide Ende des 3., Anfang des 4. Jahrh.), armenische (5. Jahrh.), georgische (6. Jahrh.), beruhen für das Alte Testament auf der Septuaginta. Das Gleiche gilt von der got. Bibelübersetzung des Ulfilas (s. d.) und von der altslaw. Übersetzung, deren Anfang in die zweite Hälfte des 9. Jahrh. fällt. Der slaw. Text wurde im 14. Jahrh. unter dem Patriarchen Euthymius revidiert und unter dem Erzbischof Gennadius von Nowgorod 1499 zum erstenmal zu einer vollständigen B. zusammengestellt; der erste vollständige Druck geschah in Ostrog 1581.

2) Im Mittelalter (bis zur Reformation) trat zunächst das Bedürfnis nach einer Übersetzung der ganzen B. in die Volkssprachen zurück. Um so häufiger finden sich jedoch dichterische Wiedergaben einzelner besonders wichtiger Teile der B. mit Zugrundelegung der Vulgata; so auf dem german. Sprachgebiet die allitterierenden biblischen Gedichte der Angelsachsen, der niedersächs. "Heliand" (s. d.), Otfrieds (s. d.) gereimte Evangelienharmonie, die österr. "Genesis" und "Exodus" u. a. Doch fehlen schon in althochdeutscher Zeit auch Prosaübersetzungen nicht; zu nennen sind namentlich die ostfränk. Übertragung einer fälschlich dem Tatianus beigelegten Evangelienharmonie (s. d.), Notker Labeos (s. Notker) Psalmenübersetzung. Mit dem Anwachsen der Opposition gegen die entartende Kirche seit Ende des 12. Jahrh. mehrte sich im Volke das Verlangen nach der unmittelbaren Kenntnis der B. Bei den Albigensern verbreiteten sich provençal. Übersetzungen, und die erste vollständige B. in nordfranz. Sprache war schon um die Mitte des 13. Jahrh. vorhanden (bisher nur bruchstückweise herausgegeben; vgl. Berger, La Bible française au moyen-âge, Par. 1884). Engl. und böhmische B. entstanden dann während der durch Wicliff und Huß hervorgerufenen reformatorischen Bewegungen. Die teilweise schon im 13. Jahrh. ins Czechische übersetzten biblischen Bücher wurden unter Kaiser Karl IV. in ein Buch zusammengetragen, die Übersetzung zur Zeit der hussitischen Reformation umgearbeitet; die erste B. wurde in Prag 1488 gedruckt. Die älteste polnische B. (Biblia Królowéj Zofii), aus der Mitte des 15. Jahrh. stammend, ist eine Übertragung der czechischen B. ins Polnische. In Deutschland erlangte vornehmlich eine im 14. Jahrh. entstandene deutsche Übersetzung besondere Bedeutung (der neutestamentliche Teil neuerdings herausgegeben nach einer wahrscheinlich in waldensischen Kreisen benutzten, keineswegs der ältesten Handschrift, von Klimeč, "Der codex Teplensis, enthaltend die Schrift des newen Gezeuges", 3 Tle., Augsb. 1881-84). Nach Erfindung der Buchdruckerkunst war es eben diese, die durch den Druck vervielfältigt wurde, wenngleich nicht ohne Änderungen. Wie in allen Landen gegen Ende des 15. Jahrh. bereits Bibeldrucke in den Volkssprachen sich verbreiteten, so war diese Erscheinung namentlich in Deutschland ein Vorbote der herannahenden Reformation. Jene deutsche Bibelübersetzung war vor Luther, abgesehen von den zahlreichen Handschriften, bis 1477 schon in 7, von 1480 bis 1518 in weitern 7 hochdeutschen, ferner in 3 niederdeutschen gedruckten Gesamtausgaben verbreitet. Sie beruhte aber nur noch auf der Vulgata. (Vgl. Walther, Die deutsche Bibelübersetzung des Mittelalters, 3 Tle., Braunschw. 1889-92; ders., Luthers Bibelübersetzung kein Plagiat, Lpz. 1891.)

3) In der neuern Zeit (von der Reformation an). 1522 erschien das Neue Testament in der Übersetzung Luthers. Obwohl seine Benutzung der bereits vorhandenen Übersetzung neuerdings zweifellos geworden ist (vgl. Wilh. Krafft, Über die deutsche B. vor Luther und dessen Verdienste um die Bibelübersetzung, Bonn 1883), so überragte Luther, wie in allem andern, doch auch in diesem Werke bei weitem seine reformatorischen Vorläufer. Aufs tiefste durchdrungen von dem Geiste der Schrift und von dem unerschütterlichen Glauben an ihre göttliche Wahrheit erfüllt, hat er dieselbe gleichsam zum zweitenmal geschrieben, indem er sie übersetzte. Seine Übersetzung ist ebensosehr aus dem Geiste des deutschen Volks wie aus dem Bibelgeiste selbst herausgeschrieben, und die wunderbare Kraft und Volkstümlichkeit ihres deutschen Ausdrucks hat für die Geschichte der deutschen Sprache selbst eine neue Epoche heraufgeführt. Er ging zuerst seit dem kirchlichen Altertume wieder auf den Grundtext zurück, unterstützt von einer tüchtigen sprachlichen Bildung und den ersten Männern der Wissenschaft, wie Melanchthon, Bugenhagen, Jonas, Cruciger u. a. So ist Luthers Bibelübersetzung ein bis heute unübertroffenes Meisterwerk, ein Volksbuch im großartigsten Sinne des Wortes geworden. Schon auf der Wartburg hatte Luther das Neue Testament vollendet; es erschien im Sept. 1522. Im J. 1523 folgten die fünf Bücher Mosis, und bis 1534 wurde allmählich mit den Apokryphen das Ganze vollendet. Mit reißender Schnelligkeit verbreitete sich die Übersetzung über ganz Deutschland. Aus der Offizin des Druckers Hans Lufft (s. d.) in Wittenberg gingen allein in 40 Jahren 100000 Exemplare hervor, und in ganz Deutschland wurde die Übersetzung nachgedruckt (bis 1558 38mal, und außerdem das Neue Testament 72mal). In Norddeutschland wurde die Luthersche Übersetzung plattdeutsch gedruckt (seit 1534 zu Lübeck, Hamburg, Wittenberg, Magdeburg und sonst), übersetzt für Dänemark (Neues Testament 1524, die ganze B. 1550), Schweden (Neues Testament 1526, B. 1541), Holland (1526), Island (Neues Testament 1540, B. 1584).

Geringere Verbreitung fanden die Bibelübersetzungen reformierter Theologen, wie die von Zwingli angeregte schweizerdeutsche (1529, das Neue Testament auf Luther beruhend), die von Pareus (1579), Piscator (1602) und die französische unter Calvins Mitwirkung entstandene "Genfer B." (1551). Die erste offizielle prot. Bibelübersetzung in England war die unter Leitung des Erzbischofs Parker von Canterbury hergestellte Bishops-Bibel (1568); die endgültig autorisierte die "Royal Version" (1611). Die offizielle Bibelübersetzung Hollands wurde die von der Dordrechter Synode angeordnete "Staatenbibel" (1637). Von 1577 bis 1593 wurde die ganze B. unter der Leitung von Bla-^[folgende Seite]