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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bleichsucht; Bleidächer; Bleide; Bleidraht; Bleidreck; Bleiepilepsie; Bleierde; Bleiessig; Bleiextrakt; Bleigießen; Bleigießerei

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Bleichsucht (bei Pflanzen) - Bleigießerei

Lebensweise (Näherinnen), besonders aber bei Kindern Mangel an Muskelbewegung und Überhäufung mit geistigen Anstrengungen, z. B. durch unzweckmäßige Schuleinrichtungen, oft auch allzu frühe Reizung der geschlechtlichen Phantasie (durch Romane, Verführung u. s. w.) oder Liebesgram, geheime Sünden u. s. w. Die Krankheit ist gegenwärtig häufiger als früher, was besonders seinen Grund in Uberbürdung der Kinder mit Arbeiten, in zu frühzeitiger Anspannung der Gehirnthätigkeit und im übermäßigen Genusse des Kaffees haben mag. Auf dem Lande ist sie wegen der bessern Luft und des häufigern Aufenthalts der Kinder im Freien weniger verbreitet als in den Städten.

Der Verlauf der B. gestaltet sich sehr verschieden. Manche Fälle gehen schon nach einigen Wochen oder nach wenigen Monaten in vollständige Heilung über; andere sind viel hartnäckiger, widerstehen allen Behandlungsversuchen und machen häufig Rückfälle. Frühere Stufen des Übels sind leicht heilbar, vorzüglich durch Vermeidung der erwähnten Gelegenheitsursachen, wogegen die bis zur Wachsfarbe gediehene B. mitunter unheilbar ist und häufig allerlei Nervenbeschwerden, Menstruationsfehler, Unfruchtbarkeit u. dgl. hinterläßt. Die Kranken müssen sich viel, aber durchaus nicht bis zur Übermüdung, in freier Luft bewegen, eine nährende Kost genießen, viel Milch trinken (nach Befinden auch mäßig Bier oder zu Tisch etwas Wein) und die Haut fleißig frottieren, bürsten und mit kaltem Wasser vorsichtig waschen oder lauwarme Bäder nehmen; kalte Bäder sind meist nachteilig. Innerlich dienen besonders die Eisenpräparate, namentlich Eisensäuerlinge; daher haben Driburg, Cudowa, Elster, Franzensbad, Pyrmont und Schwalbach großen Ruf als Kurorte für Bleichsüchtige. - Vgl. Virchow, Allgemeine Störungen der Ernährung und des Blutes (Erlangen 1854); Richter, Blutarmut und B. (Dresd. u. Lpz. 1850; 2. Aufl. 1854); Pfaff, Blutarmut und B. (Lpz. 1870); Peters, Die Blutarmut und B. (2. Aufl., ebd. 1885); Berger, Diät und Wegweiser für Blutarme (Berl. 1887); Dyes, Die B., sog. Blutarmut, und der Schlagfluß (3. Aufl., Stuttg. 1892).

Bleichsucht (Gelbsucht), bei Pflanzen eine Krankheitserscheinung, die sich durch Gelbwerden der Blätter verbunden mit Wachstumsstockungen äußert. Sie kann aus verschiedenen Ursachen entstehen; bei Freilandgewächsen durch schlechten Untergrundboden (Letten, Kies, Moor), stagnierendes Grundwasser, durch nährstoffarmen Boden u. s. w.; bei Topfgewächsen infolge saurer Erde, Mangel an gewissen mineralischen Nährstoffen, namentlich an Eisen. Die Krankheit wird durch Verbesserung oder Drainieren des Untergrundes, durch Düngung mit kräftigem animalischen Dünger, bei Topfpflanzen durch Erneuerung der Erde oder durch Gießen mit einer schwachen Eisenvitriollösung gehoben.

Bleichsucht der Schafe, charakterisiert durch Abmagerung, auffallend blasse, nicht rosarot gefärbte Haut und Bindehaut der Augen, tritt als Folge gewisser Wurmkrankheiten, namentlich der Leberegel-, Magenwurm- und Bandwurmseuche auf. Behandlung: Hebung der veranlassenden Krankheit, soweit möglich (s. Magenwurmseuche und Bandwurmseuche), und kräftige, leicht verdauliche Nahrung mit Anwendung von sog. "Lecken", deren Hauptbestandteile Eisenpräparate und bittere Mittel sind.

Bleidächer, venet. Staatsgefängnis, s. Piombi.

Bleide, s. Blyde.

Bleidraht, aus Blei fabrizierter Draht (s. d.), wird zum Anbinden von Gartengewächsen sowie als dichtende Zwischenlage beim Zusammenschrauben eiserner Röhren benutzt. Derselbe wird entweder aus Streifen gezogen, die von einer gewalzten Platte mit der Schere abgeschnitten werden, oder auch gepreßt, in welch letzterm Falle das Blei in eine Preßform gebracht wird, die unten eine der Dicke des zu pressenden Drahts entsprechende Austrittsöffnung hat, worauf durch einen unter starkem Druck abwärts bewegten, genau in die Form passenden Kolben das Blei durch die enge Öffnung gepreßt wird.

Bleidreck, hüttenmännischer Ausdruck für die Haut, mit welcher sich das beim reduzierenden Schmelzen der Bleiglätte gewonnene Blei nach dem Abstich aus dem Ofen bedeckt; sie enthält den größeren Teil der in der Glätte enthaltenen Unreinigkeiten (daher "Dreck") und wird von dem geschmolzenen Blei wiederholt abgezogen, um dieses zu läutern.

Bleiepilepsie, s. Bleivergiftung.

Bleierde, Gemenge von Bleispat (Cerussit) mit Thon, Eisenoxyd u. a., wird an solchen Orten, wo sie sich in größern Mengen findet, z. B. in der Eifel, auf Blei verhüttet.

Bleiessig, Bleiextrakt (Liquor Plumbi subacetici, Acetum plumbicum oder Acetum saturninum), eine Auflösung von basisch essigsaurem Blei in Wasser. Der B. wird nach dem deutschen Arzneibuch (1890) dargestellt in der Weise, daß 3 Teile rohes Bleiacetat mit 1 Teil Bleiglätte verrieben und unter Zusatz von 0,5 Teilen destilliertem Wasser in einem bedeckten Gefäß im Wasserbad erhitzt werden, bis die Mischung weiß oder rötlichweiß geworden ist. Dann werden nach und nach 9,5 Teile Wasser hinzugesetzt und die trübe Flüssigkeit nach dem Absetzen filtriert. Der B. bildet eine farblose Flüssigkeit von schwach alkalischer Reaktion und 1,235 bis 1,240 spec. Gewicht und findet in der Heilkunde als äußerliches Mittel vielfach Anwendung. Das Bleiwasser (s. d.) und Goulardsche Wasser sind verdünnte Lösungen des B.

Bleiextrakt, s. Bleiessig.

Bleigießen ist ein Orakel, das namentlich in der Andreasnacht, aber auch in der Matthias-, Thomas-, Christ-, Sylvesternacht befragt wird. Besonders bedienen sich Mädchen desselben, um über ihren künftigen Geliebten Auskunft zu erhalten. Es wird zu diesem Zwecke geschmolzenes Blei oder Zinn aus einem Erblöffel oder durch einen Erbschlüssel in eine Schüssel fließenden Wassers gegossen. Aus der Figur weissagt man: Hunde bedeuten einen Fleischer oder Jäger, Schafe einen Landmann, Federn einen Lehrer u. dgl.; ein Kreuz bezeichnet Tod, ein Licht Feuersbrunst. In einigen Gegenden ist Talg an die Stelle des Bleies getreten.

Bleigießerei, die Herstellung von gegossenen Gebrauchsgegenständen aus Blei. Reines Blei findet nur verhältnismäßig selten Verwendung für die Herstellung von Gußwaren; es ist zu weich, zu unscheinbar und gegen chem. Einflüsse zu wenig widerstandsfähig, um für die Anfertigung gewöhnlicher Gußgegenstände gut brauchbar zu sein. Gewehrkugeln gießt man, sofern sie nicht durch Pressen hergestellt werden, in eisernen Formen; ab und zu gießt man auch wohl diesen oder jenen Gegenstand für irgend einen gewerblichen Zweck in Sandformen, die in derselben Weise nach einem Modell gefertigt werden wie bei andern Metallen (s. Formerei); als Zwischenerzeugnisse für die Anfertigung von Blei- ^[folgende Seite]