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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bleivitriol; Bleiwasser; Bleiweiß

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Bleivitriol - Bleiweiß

nicht, allenfalls kann man durch den länger fortgesetzten Gebrauch des Jodkaliums die Ausscheidung des in den Körper eingeführten Bleies etwas beschleunigen. Daher muß das Hauptgewicht auf die Verhütung der Krankheit gelegt werden. Die Verhütungsmaßregeln ergeben sich aus den oben angeführten Ursachen der B. von selbst. Alle, welche mit Blei zu thun haben, sollen mit besonderer Sorgfalt auf Reinlichkeit, guten Luftwechsel des Arbeitslokals, möglichst häufigen Wechsel der Beschäftigung, Vermeidung aller Excesse, Erkältungen und Überanstrengungen halten. Alle Bleiarbeiten sollen in hohen, luftigen Lokalen ausgeführt und die Arbeitszeit der einzelnen Arbeiter möglichst gekürzt werden. Sobald sich die ersten Spuren der Krankheit zeigen, muß aller Umgang mit bleihaltigen Stoffen absolut aufhören und der Kranke unter möglichst günstige Lebensverhältnisse gebracht werden, d. h. gesunde, leichte Kost, gute Luft haben, fleißig baden u. s. w. Bei der akuten Form der B. reicht man am zweckmäßigsten schwefelsaures Natron und schwefelsaure Magnesia, welche das Bleioxyd in eine unlösliche und daher unschädliche schwefelsaure Verbindung überführen. Die einzelnen Symptome der chronischen B. erfordern ihre besondere Behandlung. Gegen die Kolik und die Gliederschmerzen werden schmerzstillende Mittel, namentlich die Opiate, gegen die Verstopfung Abführmittel, besonders Ricinusöl, gegen die Lähmungen Elektricität, gegen die allgemeinen Ernährungsstörungen Chinarinde und Eisen nötig u. s. w. Von großem Nutzen sind warme Bäder, besonders Schwefelbäder. - Vgl. Tanquerel des Planches, Traité des maladies de plomb (2 Bde., Par. 1839); Hitzig, Studien über B. (Berl. 1868); Heubel, Pathogenese und Symptome der chronischen B. (ebd. 1871); Hirt, Die Krankheiten der Arbeiter (4 Bde., Bresl. 1871-78).

Bleivitriol, s. Bleisulfat und Anglesit.

Bleiwasser, Kühlwasser, Aqua plumbi s. saturnina, ist offizinell und eine Mischung aus 1 Teil Bleiessig und 49 Teilen destilliertem Wasser. Das Goulardsche B., Aqua Plumbi Goulardi, welches noch in die erste Ausgabe der Pharmacopoea Germanica (von 1872) aufgenommen war, sich aber schon in der zweiten Ausgabe (von 1882) nicht mehr findet, besteht aus 1 Teile Bleiessig, 4 Teilen Weingeist und 45 Teilen Brunnenwasser. Beide finden Anwendung zu äußerlichen Zwecken als Verbandwasser, als kühlender Umschlag bei Quetschungen, entzündlichen Anschwellungen der Haut, bei Verbrennungen u. dgl.

Bleiweiß, Cerussa, Plumbum carbonicum s. hydro-carbonicum s. subcarbonicum, basisches Bleicarbonat von der Zusammensetzung Pb(OH)2 2PbCO3, eine seit den ältesten Zeiten bekannte weiße Maler- und Deckfarbe, deren sich auch schon die griech. Frauen als Schminke bedienten. Seine im Großbetriebe ausgeführte Darstellung beruht auf der Thatsache, daß metallisches Blei bei Gegenwart von Sauerstoff, Feuchtigkeit und Essigsäure mit Leichtigkeit in basisches Bleiacetat verwandelt, und daß aus diesem durch Kohlensäure B. gefällt wird. Je nachdem diese Operationen auf verschiedene Weise geleitet werden, unterscheidet man folgende Methoden: 1) Holländische Methode. Zu losen Rollen aufgewickeltes Walzblei wird nebst etwas Essig in Töpfe von Steinzeug gebracht, die lose mit einer Bleiplatte bedeckt und zu Hunderten schichtenweise neben- und übereinander in eine gemauerte Grube so eingesetzt werden, daß der Boden zunächst mit einer Schicht frischen Pferdedüngers belegt wird, hierauf kommt eine Schicht von Töpfen, die von den Wandungen der Grube durch eine Düngerschicht getrennt ist, und so folgen abwechselnd Schichten von Töpfen und Dünger, bis die ganze Grube gefüllt und schließlich mit einem Düngerhaufen überdeckt ist. Durch die bald eintretende Gärung des Düngers wird die ganze Masse erwärmt, Essigsäure und Wasserdampf treten mit dem Blei in Berührung, wodurch unter der Mitwirkung des Sauerstoffs der in den Töpfen eingeschlossenen und auch von außen zugeführten Luft die Bildung des basischen Acetats eingeleitet wird, während gleichzeitig in dem Gärungsprozeß die zur Zersetzung nötige Kohlensäure entsteht. Nach etwa 4-6 Wochen ist der größere Teil des Bleies in B. verwandelt, worauf die Grube geräumt und die Töpfe entleert werden. Dieses älteste Verfahren hat den Übelstand, daß die Umwandlung des Bleies in B. nicht überwacht werden kann, und daß bei der Gärung des Düngers außer Kohlensäure auch Schwefelwasserstoff gebildet wird, wodurch das B. eine gelbe Farbe annehmen kann. Dies vermeidet man durch die 2) Deutsche Methode. Bei dieser werden die Bleiplatten in der Mitte zusammengebogen und in Holzgestellen auf Trägern in einem gemauerten Raume möglichst dicht aneinander aufgehängt. In diesen Raum werden Dämpfe von Essigsäure geleitet, und gleichzeitig wird Kohlensäure zugeführt. Letztere wird erzeugt, indem man Holzkohlen oder Koks in einem offenen Ofen in dem Lokal selbst verbrennt, oder indem man gärende Substanzen, Weintreber, Weingeläger u. s. w. hineinbringt, oder indem man das aus Mineralwasserquellen entströmende Gas durch zweckmäßige Fassung der Quellen abfängt und in den Raum treten läßt. Die Umwandlung des Bleies in B. verläuft hier auf gleiche Weise wie beim holländ. Verfahren; nach Ablauf einiger Wochen sind die Platten bis auf einen geringen Rest gänzlich in B. verwandelt. Holländisches und deutsches B. muß unter möglichster Vermeidung des Stäubens und Einatmens weiter bearbeitet werden. Es existieren eigene vom 12. April 1886 datierte Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der Bleifarbenfabriken. Beim Auseinanderbiegen der Bleiplatten löst sich ein Teil des B. ab, dieses wird in den Stücken, so wie es abfällt, verpackt und kommt als Schieferweiß in den Handel. Der Rest des B. hängt fest an dem Bleirückstand und wird durch Pressen zwischen kannelierten Holzwalzen hiervon getrennt. Dem so gewonnenen B. ist dann noch durch Mahlen auf Naß- oder Trockenmühlen der hohe Grad von Feinheit zu geben, den es zu seiner Verwendung als Farbe bedarf. 3)Französische Methode von Thenard. Bei diesem, zuerst in der Fabrik zu Clichy angewandten Verfahren erfolgt die Darstellung des B., indem man in eine Lösung von basisch essigsaurem Blei direkt Kohlensäure einleitet. Die Kohlensäure erhält man durch Verbrennen von Koks in geeigneten Öfen, oder nach Ozouf, indem man abgekühlte Schornsteinluft auf Sodalösung wirken läßt und das gebildete Bicarbonat durch Erhitzen zersetzt, wobei man die Kohlensäure in einem Gasbehälter sammelt. Der zur Darstellung des B. dienende Apparat der Fabrik zu Saint Denis ist in umstehender Figur abgebildet. Die Lösung des basisch essigsauren Bleies wird in dem hölzernen, mit Rühr- ^[folgende Seite]