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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Borsäureanhydrid; Borsdorfer Apfel; Börse

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Borsäureanhydrid - Börse

Cisterne abgelassen, worauf die Lagune wieder mit Wasser gefüllt wird. Die schwache Lösung der B. ist nun bis zum Krystallisationspunkt zu verdampfen, wobei die dazu erforderliche Wärme ebenfalls durch die Soffionen geliefert wird. Zu diesem Behufe ist eine flache Bleipfanne von 125 m Länge, 2,5 m Breite und 20 cm Tiefe so über Soffionen aufgestellt, daß diese den ganzen Boden, der nur von auf seitlichem Mauerwerk ruhenden eisernen Stäben getragen wird, bestreichen müssen. Die klare Lösung fließt beständig an dem einen Ende der etwas geneigt stehenden Pfanne zu und der Zufluß wird so reguliert, daß am andern Ende beständig eine krystallisationsfähige Lösung abläuft. Diese kommt in ein durch eine Soffione warm gehaltenes Klärbassin und wird nach dem Klären in hölzernen, mit Blei ausgelegten Behältern dem Erkalten überlassen, wobei die Krystallisation der Säure erfolgt. Nach dem Ablassen der Mutterlauge und Trocknen bildet die so gewonnene Säure Handelsware. Sie ist in diesem Zustande nicht chemisch rein, sondern enthält noch schwefelsaures Ammonium und wird als Rohmaterial für die Darstellung des Borax (s. d.) verwendet. Zur Darstellung in chemisch reinem Zustande erhitzt man 10 Teile Borax mit 30 Teilen Wasser zum Sieden und versetzt die siedendheiße Flüssigkeit mit 6 Teilen Salpetersäure von 1,35 spec. Gewicht. Nach 24stündigem Stehen an einem kalten Orte hat sich eine Menge von feinschuppigen Krystallen von B. gebildet, die, von der Mutterlauge durch Abpressen befreit, durch Umkrystallisieren rein gewonnen werden.

Die reine B. bildet farblose, seidenglänzende, sich fettig anfühlende kleine Krystalle, die in kochendem Wasser leicht, in 26 Teilen kaltem Wasser und auch in Alkohol löslich sind. Die alkoholische Lösung brennt mit schön grüner Flamme. Die wässerige Lösung färbt Lackmuspapier weinrot, gegen Kurkuma aber verhält sie sich wie eine Basis, indem sie diesen Farbstoff bräunt; beim Kochen der Lösung entweichen erhebliche Mengen der Säure. Beim Erhitzen der trocknen Säure findet zunächst bei 100° partielle Anhydridbildung statt; es bleibt dabei Säure von der Zusammensetzung BO(0H) (Metaborsäure) zurück, bei 140-160° erhält man Tetraborsäure, B4O5(OH)2, endlich beim Glühen geschmolzenes, nach dem Erkalten glasartig erstarrendes Borsäureanhydrid, B2O3. Die verschiedenen Anhydride gehen beim Lösen in Wasser wieder in gewöhnliche B., B(OH)3, über. Ferner kennt man die im Boronatrocalcit (s. d.) vorkommende dreibasische Pentaborsäure: B5O6(OH)3 und die im Boracit (s. d.) enthaltene sechsbasische Octoborsäure: B8O9(OH)6. Die B. dient zur Darstellung von Glasuren, Email, künstlichen Edelsteinen, zum Tränken der Kerzendochte, zum Konservieren von Nahrungsmitteln, medizinisch als Desinfektionsmittel und Antiseptikum bei Augen-, Ohren- und Blasenleiden, Diphtherie u. s. w. Preis 25 Proz. höher wie der des Borax.

Borsäureanhydrid, s. Borsäure.

Borsdorfer Apfel (nach dem Orte Borsdorf in Böhmen), Edelborsdorfer, 9. Klasse des Diel-Lucasschen Systems (s. Apfel), in Österreich Maschansker, in Frankreich Reinette d'Allemagne genannt, ist eine der edelsten Reinetten; die kleine bis zum Februar haltbare Frucht hat eine feine, feste, glänzende, wachsartig weißgelbe, später goldgelbe, sonnenseitig rot verwaschene Schale und feines, festes Fleisch von fein gewürztem, süßweinigem Geschmack; charakteristisch sind die erhabenen, gelbgrauen Warzen auf der Schale.

Börse (frz. Bourse, engl. Exchange), zunächst der Ort, an dem sich Kaufleute, Bankiers, Versicherungsunternehmer, Reeder und Geschäftstreibende oder deren Vertreter regelmäßig zusammenfinden, um miteinander unmittelbar oder durch Makler oder Kommissionäre (s. d.) Handelsgeschäfte in Waren, Wechseln, Effekten u. s. w. zu machen. Im übertragenen Sinne wird dann auch die Gesamtheit der diese Geschäfte abschließenden Personen als B. bezeichnet, woher die Bezeichnungen: Haltung, Stimmung, Tendenz u. s. w. der B. stammen.

Geschichtliches. Die Nützlichkeit des persönlichen Zusammenkommens von Käufern und Verkäufern aller Art, die für den kleinern Verkehr die Märkte hervorrief, ist ohne Zweifel auch dem Großverkehr von jeher einleuchtend gewesen, und insofern reichen die ersten Anfänge der B. bis in das Altertum zurück. In der neuern Zeit aber wurde mehr und mehr aus den ursprünglich formlosen Zusammenkünften eine geregelte Einrichtung, die teils durch staatliche Gesetzgebung, teils durch Gewohnheitsrecht und Selbstverwaltung ihre festen Regeln erhalten hat. Der Name B. tritt erst im 16. Jahrh. auf und stammt aus Brügge, abgeleitet, wie es heißt, von dem in drei Geldbeuteln bestehenden Wahrzeichen des der Familie van der Burse gehörigen Gebäudes, in dem die Versammlung stattfand. In Frankreich wurden die börsenartigen Zusammenkünfte für Wechselgeschäfte schon unter Philipp dem Schönen auf den heutigen Pont-au-Change beschränkt; die ersten gesetzlich organisierten B. aber waren die von Lyon und Toulouse (1546), denen 1566 Rouen folgte. Paris erhielt erst 1724 eine gesetzlich anerkannte B., die bis 1793 in dem Hôtel de Nevers (der heutigen Nationalbibliothek) ihren Sitz hatte. Der ihr gegenwärtig angewiesene Palast wurde erst 1826 eröffnet. In London entwickelte sich die B. durchaus aus eigenem Antriebe und frei von staatlichen Eingriffen. Als Lokale dienten den verschiedenen Geschäftszweigen ursprünglich einige Kaffeehäuser im Kern der Hauptstadt, wie Lloyds (s. d.) und das Stock Exchange Coffee-House, das erstere für Schiffahrts- und Versicherungs-, das letztere für Effektengeschäfte, die in London schon im 17. Jahrh. eine größere Bedeutung erhalten hatten. Ein neues Gebäude für die Effektenbörse wurde 1802 durch eine Aktiengesellschaft geschaffen. In Deutschland war Hamburg schon seit dem 16. Jahrh. als Börsenplatz bedeutend, im Binnenlande entwickelte sich die B. erst im Laufe des 18. Jahrh. auf den größeren Plätzen, wie Frankfurt a. M., Leipzig und Berlin. (S. auch Börsengebäude.)

Börsengeschäfte. Neben dem Warengeschäft erlangte von Anfang an das Geschäft in Wechseln an der B. hervorragende Bedeutung. Seit dem 17. Jahrh. bildete sich an einigen größern Plätzen, wie in London und Amsterdam, auch der Verkehr in zinsbringenden Wertpapieren (namentlich in Staatsschuldverschreibungen und Aktien der großen Handelscompagnien) aus, doch stellte der Umsatz in Wertpapieren, abgesehen von der engl. Staatsschuld, noch zu Anfang des 19. Jahrh. durchweg nur einen bescheidenen Bestand dar. Durch die großartige Ausdehnung des modernen Aktienwesens aber und die gesteigerte Kreditbedürftigkeit fast aller Staaten hat das Geschäft in Wertpapieren an den