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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bosnien

neuesten Zeit hat die österr. Verwaltung mit der Verbesserung des Pferde- und Rinderschlags durch Einführung von Zuchttieren begonnen. Ferner wird die Bienenzucht und im Karst der Fang von Blutegeln (Ausfuhr 320 000 Stück) betrieben. In der Herzegowina gedeihen der Weinstock, Ölbaum, Feigen und Granaten.

Bevölkerung. B. hatte 1. Juni 1879 1 158 440 E., nach der Zählung vom 1. Mai 1885 einschließlich der Herzegowina (187 574 E.), jedoch ohne das Sandschak Novipazar (168 000 E.), 1 336 091 (705 025 männl., 631 066 weibl.) E., d. i. 26 auf 1 qkm, darunter 571 250 (42,75 Proz.) griech.-orient. und 265 788 (19,89 Proz.) röm.-kath. Christen, 492 710 (36,88 Proz.) Mohammedaner und 5805 (0,44 Proz.) Israeliten. Die Zahl der Häuser betrug 215 429 mit 226 699 Wohnungen. Das Land hat 47 Städte, 31 Märkte und 5261 Dörfer.

Sprachen und Volksstämme. Der Nationalität nach gehören die Bewohner B.s wie der Herzegowina zu den Südslawen, die im 7. Jahrh. in diese Länder eindrangen und die ältere illyrische, wahrscheinlich mit den Albanesen identische Bevölkerung verdrängten. Nur im südöstl. Teil dieses Landes findet sich noch, etwa 30 000 Seelen stark, ein albanes. Element. Die slaw. Bevölkerung gehört dem serb. Stamme an, der erst lange nach seiner Einwanderung sich in verschiedene Zweige spaltete. Die Bosniaken und Herzegowzen sind Glieder einer und derselben Familie. Mit Ausnahme geringer dialektischer Verschiedenheit der Kroaten in der Krajina ist die gemeinsame Muttersprache der Bewohner und die allgemeine Verkehrssprache B.s das Serbische. Das trennende Element unter dieser Nation ist die Religion. Die Mohammedaner, fast ausnahmslos Nachkommen der seit der türk. Eroberung zum Islam übergetretenen städtischen und besitzenden Volksklasse, die sich selber "Turtschin", d. i. Türken, nennen, leben im NW. (Bezirke Bihač und Cazin), im Centrum des Landes (Bezirke Bugojno, Zenica, Vareš, Kladanj, Dolnja Tuzla und Gračanica und in der Stadt Serajewo) und im SO. (Konjica, Foča, Čajnica, Rogatica, Višegrad, Srebrenica), außerdem zerstreut über das ganze Land, besonders jedoch in den Städten. Ihre geistliche Behörde, der Medschlis el-Ulema, hat 5 Mitglieder; 7 Städte haben eigene Muftis; eine besondere Behörde verwaltet die mohammed. Stiftungen (Vakuf). Die griech.-orient. Christen, vorzugsweise "Serben" genannt, wohnen in Überzahl im NO. und O. des Landes, in der südl. und östl. Herzegowina und sind in drei bischöfl. Sprengel: Serajewo (Sitz des Erzbischofs und Metropoliten), Dolnja Tuzla und Mostar, verteilt. Die Katholiken oder "Lateiner" (Latini) wohnen am zahlreichsten in Mittelbosnien (Bezirke Zepče, Travnik, Fojnica), im NO. (Bezirke Dervent und Brčka) und im W. (Bezirke Livno, Zupanjac und Prozor) und in der südwestl. Herzegowina (Bezirke Mostar, Ljubuški und Stolac), unter dem Erzbischof von Serajewo und den Bischöfen von Banjaluka und Mostar. Ihrem Charakter nach ist die Bevölkerung im ganzen und großen roh und barsch, trotzig und zurückstoßend gegen Fremde, tapfer, kühn, zu Falschheit und Grausamkeit geneigt; in häuslichen Verhältnissen sittenstreng, gastfreundlich, einfach, hart; in religiösen Dingen bigott, fanatisch und abergläubisch; in politischen engherzig und beschränkt, im Handel untereinander rechtschaffen und friedliebend. Körperlich sind sie kräftig und stark gebaut, groß und schön gewachsen, aber bei schlechter Nahrung rasch verfallend.

Industrie, Handel. Der einheimische Gewerbfleiß beschränkt sich auf die Fabrikation von groben Eisenwaren, Gewehren, Hiebwaffen, Leder, Seilerwaren, Leinen und gewöhnlichen Wollzeugen, die meist im Lande selbst verbraucht werden. Bedeutend ist die staatlich betriebene Tabakfabrikation mit großen Fabriken in Serajewo, Mostar und Banjaluka. Die Ausfuhr umfaßt insbesondere Getreide, Holz (Faßdauben), Produkte der Obstzucht (gedörrte Pflaumen im Betrage von 12 Mill. kg) und Waldwirtschaft, Schlachtvieh, Häute, Wolle, Wachs, Honig, einige Droguen und Metallwaren im Gesamtwerte von durchschnittlich jährlich 9 Mill. Fl. Die Einfuhr, an Wert um 1 Mill. geringer, befriedigt die geringen Bedürfnisse an Kolonialwaren, Tuch, Baumwollwaren, Metall- und Kurzwaren, vorzüglich von österr. Märkten aus. B. und Herzegowina sind seit der Occupation zum allgemeinen österr.-ungar. Zollgebiet einbezogen, ihr Verkehr ist daher in den Ein- und Ausfuhrmengen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (s. d.) enthalten.

Verkehrswesen. Ein Netz von Landstraßen, die aber nur zum Teil fahrbar sind, verbindet alle größern Orte des Landes untereinander und mit den österr. Grenzpunkten. Namentlich auf dem Gebiete des Straßen- und Eisenbahnbaues erwies sich die Occupation für das Land als besonders wohlthätig; denn während es vor der Occupation nur wenige fahrbare Straßen gab, waren bis 1891 bereits 3572 km sehr gut angelegte und erhaltene Fahrstraßen dem Verkehr eröffnet. Die Haupthandelsstraße läuft von Brod an der Save im Bosnathal aufwärts nach Serajewo und von da über Konjica und Mostar nach Metkovic in Dalmatien; eine zweite von Gradiska aus über Banjaluka und Travnik nach Serajewo und von dort nach Višegrad. Über die Eisenbahnen (726 km) s. Bosnische Eisenbahnen. Die Zahl der Militärpostanstalten betrug (1890) 82, der versendeten Briefe 6,79 Mill., der Zeitungen 0,87 Mill., der Telegraphenbureaus 107. Die Länge der Telegraphenlinien betrug 2789,7 km, der Drähte 5568 km, die Zahl der Depeschen 295 766.

Verfassung und Verwaltung. Hinsichtlich der staatsrechtlichen Stellung des Landes ist in der zwischen der Türkei und Österreich-Ungarn 21. April 1879 zu Konstantinopel abgeschlossenen Konvention ausdrücklich anerkannt, daß die Thatsache der Occupation B.s und der Herzegowina die Souveränitätsrechte des Sultans über diese Provinzen in keiner Weise berührt. Die Leitung der Verwaltung geschieht im Namen des Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn durch den Reichsfinanzminister in Wien, dem das ständige Bureau für bosn.-herzegowin. Angelegenheiten untersteht. Die oberste Behörde im Lande selbst, mit dem Sitz in Serajewo, ist die Landesregierung (für die innere Verwaltung und Kultus, Finanzen und Justiz). Ihr ist als begutachtendes Organ ein Landesverwaltungsrat beigegeben, der aus den geistlichen Würdenträgern Serajewos und 12 Repräsentanten der Bevölkerung besteht. Ähnliche Verwaltungsräte sind auch bei den Kreisbehörden und Bezirksämtern eingerichtet. Am 1. Jan. 1892 trat für B. und die Herzegowina eine neue Strafprozeßordnung in Wirksamkeit, deren wichtigste Institution die Heranziehung des Laien-^[folgende Seite]