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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Botanik

weise die Fortpflanzungsorgane und weniger den übrigen Bau der Blüte als Einteilungsgrund nahmen, benutzten die beiden Jussieu den gesamten Bau der Blüte als Basis des natürlichen Systems. Von dieser Zeit an bis jetzt wurden zwar vielfach noch Veränderungen in der systematischen Einteilung vorgenommen, aber im großen und ganzen lehnten sich sämtliche neu aufgestellten Systeme an das Jussieusche an. Von den Botanikern, die das natürliche System weiter ausführten und verbesserten, sind hauptsächlich zu erwähnen: Pyrame Decandolle (1778-1841), Robert Brown (1773-1858), Bartling, Lindley, Endlicher, A. Braun und A. W. Eichler. Fast sämtliche natürlichen Systeme, die jetzt noch gelten, fußen auf dem Bau der Blüte, dessen Erkenntnis nach der Einführung des Mikroskops immer mehr vervollkommnet wurde.

Während die Systematik hiernach schon vom Anfang des 17. Jahrh. an eine wissenschaftliche Behandlung erfuhr, sind Histologie sowie die eingehendere vergleichende Morphologie, abgesehen von einigen wenigen Versuchen gegen Ende des 18. Jahrh., erst von Anfang des 19. Jahrh. an zur weitern Ausbildung gelangt. Da beide Disciplinen abhängig sind von der mikroskopischen Untersuchung, so konnte natürlich erst nach der allgemeinen Einführung des Mikroskops Ersprießliches darin geleistet werden. Zwar wurde das einfache und auch das zusammengesetzte Mikroskop, allerdings nur in sehr roher Ausführung, schon gegen Ende des 17. Jahrh. von einigen Botanikern benutzt, um den innern Bau der Pflanzen genauer kennen zu lernen, und es wurden auch manche, für jene Zeit immerhin beachtenswerte Erfolge damit erzielt, so von Robert Hooke (1635-1703), Marcello Malpighi (1628-94), Nehemia Grew (1628-1711), Anton van Leeuwenhoek (1632-1723). Die genannten Forscher hatten sowohl über den Bau der Blüte als auch über die innere Struktur der pflanzlichen Organe manches Richtige aufgefunden; aber die wenigen Resultate, die sie erzielt hatten, gerieten wieder fast gänzlich während des 18. Jahrh. in Vergessenheit, da die neuen Lehren, die in der Systematik sich damals geltend gemacht hatten, das Interesse der Botaniker von histologischen und eingehendern morpholog. Forschungen ablenkten.

Erst zu Anfang des 19. Jahrh, wurde den letztern Disciplinen wieder mehr Beachtung geschenkt; aber ehe man wiederum zu einer annähernd richtigen und nüchternen Betrachtung der Formverhältnisse im Bau der Pflanze gelangte, riefen unklare philos. Vorstellungen über Metamorphosen und über verschiedene in den Pflanzen wirksame Lebensprincipien u. dgl. m. die größten Verwirrungen hervor. Hauptsächlich hatte hierunter die vergleichende Morphologie zu leiden, denn durch die Metamorphosenlehre Goethes, die schließlich zu dem reinsten Mysticismus führte und durch die sog. Spiraltheorie, die von Schimper aufgestellt und von A. Braun weiter ausgeführt wurde (s. Blattstellung), war ein so weites Feld für gewagte Deutungen geschaffen worden, daß die vorurteilsfreie Beobachtung und Untersuchung darunter leiden mußte. Allerdings hat die Spiraltheorie insofern viel Neues zu Tage gefördert, als sie die Stellungsverhältnisse der Organe, die für die vergleichende Morphologie von größter Wichtigkeit sind, eingehender betrachtete.

Die Histologie wurde unter diesen Umständen ziemlich vernachlässigt, da man die Aufmerksamkeit hauptsächlich jenen morpholog. Fragen zuwandte. Die Resultate, welche durch die Untersuchungen Malpighis und Grews erzielt wurden, waren, wie schon gesagt, in Vergessenheit geraten und deshalb mußte die histologische Forschung eigentlich wieder von vorn anfangen. Gegen Ende des 18. Jahrh. beschäftigte sich in Deutschland besonders Johannes Hedwig (1730-99) mit anatom. Untersuchungen; zu Anfang des 19. Jahrh. traten in Frankreich Brisseau-Mirbel, in Deutschland Kurt Sprengel, Bernhardi, Link, Treviranus, Moldenhawer, Meyen als eifrige Förderer der Phytotomie auf. Die genannten Forscher untersuchten fast ausschließlich die fertig ausgebildeten Pflanzen und schenkten der Entwicklungsgeschichte keine Beachtung. Es wurden auf diese Weise eine große Menge neuer und wichtiger Thatsachen zu Tage gefördert; aber es fehlte dabei die nötige Übersicht. Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Histologie waren die Untersuchungen Hugo von Mohls. Durch seine Gewandtheit in der mikroskopischen Technik und durch die gänzlich vorurteilsfreie Betrachtung der Objekte war er allen andern Botanikern, die sich mit Phytotomie beschäftigten, weit überlegen. Der allergrößte Teil seiner Untersuchungen hat bis auf die Jetztzeit seine volle Gültigkeit behalten. Infolge der Arbeiten Mohls und der kritischen Anregungen Schleidens machte sich bald eine rege wissenschaftliche Thätigkeit bemerkbar; man untersuchte den Bau der Zellen, die Eigenschaften des Zellhautgerüstes, die Zusammengehörigkeit zu größern Zellkomplexen genauer und gelangte durch Zuhilfenahme der Entwicklungsgeschichte immer mehr zur Betrachtung des anatom. Baues der Pflanzen unter einheitlichen Gesichtspunkten und auf diese Weise zur vergleichenden Anatomie. Unter den Botanikern, die in dieser Hinsicht fördernd einwirkten, sind vorzugsweise zu nennen Nägeli, Schacht, Hanstein, Sanio, de Bary, Schwendener, Haberlandt u. a.

Auf dem Gebiete der vergleichenden Morphologie wurden vor allem durch Schleiden und Nägeli neue Gesichtspunkte eröffnet, auf Grund deren eine rein wissenschaftliche Betrachtung der Dinge sich geltend machte gegenüber der philos. Richtung, die im Anfange des 19. Jahrh. die Morphologie beherrschte. Hauptsächlich wirkte Schleiden in dieser Beziehung bahnbrechend, indem er den hohen Wert der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen hervorhob. Wenn auch seine Arbeiten in sehr vielen Punkten später widerlegt wurden, so hat er doch durch seine scharfen Angriffe gegen die herrschende philos. Richtung außerordentlich fördernd gewirkt. Durch die immer weiter fortschreitende Verbesserung der Mikroskope und die Vervollkommnung der mikroskopischen Technik wurde eine genauere Kenntnis von den Vorgängen der Zellbildung und Zellteilung ermöglicht, und infolgedessen gelang es, sowohl die Formverhältnisse der niedern Kryptogamen, als auch viele Einzelheiten im anatom. Bau der höhern Pflanzen kennen zu lernen. Die Untersuchung der niedern Kryptogamen hinsichtlich ihres Baues und ihrer Entwicklungsgeschichte wurde gefördert durch Nägeli, Hofmeister, Pringsheim, A. Braun, de Bary, Tulasne, Schwendener, Bornet, Cohn, Brefeld, Zopf u. a.

Das Studium der Befruchtungsvorgänge sowohl bei Phanerogamen wie bei Kryptogamen war ebenfalls erst durch Einführung besserer Mikroskope ermöglicht worden. Zwar wußte man betreffs der