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Bourrée – Boussingault
Bourrée
(frz., spr. bureh; ital. borea), ein
der Gavotte verwandter altfranz. Tanz muntern Charakters im 4/4-, später auch 2/4-Takt, nach
Rousseau aus der Auvergne, nach andern aus Biscaya stammend. Ihre Perioden mußten mit Auftakt
beginnen. Bourréekomponisten waren J. S. Bach und Rameau.
Bourrette
(frz., spr. burétt), Abfallseide, s. Seide.
Bourriches
(frz., spr. burihsch), Austernkörbe, s.
Auster
(Bd. 2, S. 167b).
Bourrienne
(spr. burĭénn), Louis Antoine Fauvelet de, franz. Diplomat, geb. 9. Juli
1769 zu Sens, erhielt seine erste Bildung in der Kriegsschule zu Brienne, wo er mit Napoleon
Freundschaft schloß. Er studierte seit 1788 in Leipzig und ward 1792 Gesandtschaftssekretär in
Stuttgart. 1797 ernannte Napoleon ihn zu seinem Sekretär, und er begleitete diesen nach Italien und
Ägypten. Seine Habsucht brachte ihn schon 1802 um seine Stellung am Hofe. Nur auf Fouchés Verwendung
ward er 1804 Gesandter in Hamburg. Als solcher erwarb er sich die Gunst der Hamburger Bürger durch
milde Handhabung seiner strengen Instruktionen und freundliche Behandlung der franz. Emigranten.
Doch wurde er überwiesen, zwei Millionen unrechtmäßig erworben zu haben, und 1810 verurteilt, eine
zurückzustellen. Dies that er nicht, aber er wendete sich nun offen von dem Kaiser ab und im April
1814 Talleyrand zu, der an der Spitze der Provisorischen Regierung stand und B. zum Generaldirektor
der Posten machte. Nach der Rückkehr Ludwigs ⅩⅧ. mußte B. diese Stelle aufgeben, und erst als
Napoleon bereits von Elba entwichen war, wurde er Pariser Polizeipräfekt. Bei der zweiten
Restauration erhielt er den Titel eines Staatsministers. Als Abgeordneter des Depart. Yonne 1815 und
1821 trat er als Gegner aller liberalen Staatseinrichtungen auf und wurde dann das willfährigste
Werkzeug
Villèles
(s. d.), dem er für 100000 Frs. alljährlich das Budget zusammengestellt haben soll. Nachdem er durch
die Julirevolution Stellung und Vermögen verloren, verfiel er in Geisteskrankheit und starb 7. Febr.
1834 zu Caen. Seine
«Mémoires sur Napoléon, le Directoire, le Consulat, l’Empire et la
Restauration»
(10 Bde., Par. 1828‒30; deutsch, 10 Bde., Stuttg. 1829‒30), von Villemarest unter B.s Namen
zusammengestellt, enthalten neben sehr wertvollen Mitteilungen manches Unrichtige. – Vgl. Boulay de
la Meurthe, B. et ses erreurs volontaires et involontaires (2 Bde., Par. 1830), deutsch, 2 Bde.,
Lpz. 1830). Mit Unrecht hat man ihm die
«Histoire de Bonaparte par un homme qui ne l’a pas quitté depuis 15 ans»
zugeschrieben.
Boursault
(spr. burßoh), Edme, franz. Schriftsteller, geb. im Okt. 1638 zu Mussy
l’Évêque (Burgund), kam 1651 nach Paris und erwarb sich durch seine Gazetten in Versen, seine
Romane, Novellen, Fabeln, Epigramme und Bühnenstücke einen geachteten Namen. Er starb 15. Sept. 1701
zu Montluçon. Seine Tageschroniken in Versen erwarben ihm den Beifall des Hofes, wurden aber, da sie
freimütig gehalten waren, wiederholt unterdrückt. Gegen Racines
«Britannicus»
richtete er sich in der Vorrede zu seinem Roman
«Artemise et Polianthe»; gegen Molière, durch dessen
«Critique de l’école des femmes»
er sich persönlich verletzt fühlte, in der Komödie «Le portrait du
peintre»
(1663), worauf Molière mit dem
«Impromptu de Versailles»
antwortete, während B. Boileau die Persönlichkeit seiner Satire in dem Lustspiel
«La Satire des Satires»
(1669)
↔
zum Vorwurf machte. Boileau wußte die Aufführung dieses Stückes zu hintertreiben. Später erfolgte
eine Aussöhnung zwischen den litterar. Gegnern, und Boileau strich den Namen B.s aus seinen Satiren.
Auf die Nachwelt ist B.s Name durch einige moralphilosophisch gehaltene Lustspiele gekommen. Sein
Meisterwerk ist «La Comédie sans titre» (oder
«Mercure galant», 1683); beachtenswert bleiben
«Les fables d’Ésope»
(Ésope à la ville, 1690; «Ésope à la
cour», 1701) und die
«Lettres de respect, d’obligation et d’amour»
(1666) oder «Lettres à Babet», die zugleich Briefe seiner
geistvollen Geliebten Babet enthalten, die, von ihren Eltern ob ihrer Liebe zu B. ins Kloster
geschickt, dort vor Gram gestorben ist. B.s
«Théâtre»
erschien in einer Gesamtausgabe (3 Bde.) zu Paris 1725. – Vgl. Saint-René Taillandier,
Études littéraires: Un poète comique du temps de Molière. B., sa vie et
ses œuvres
(Par. 1881); Grewe, E. B.s Leben und Werke (Münster 1887).
Bourse
(frz., spr. burß), Säckel, Beutel, Börse;
Boursier
(spr. burßĭeh), Kassenwart, Schatzmeister, Börsenspekulant.
Bourtanger Moor
(spr. baur-), im südl. Teile Großes
Grenz-Moor
oder
Twist
genannt, ein großes, ununterbrochenes Hochmoor auf dem linken Emsufer, durch welches die
holländ.-preuß. Grenze hinzieht, war eine vegetationslose unüberschreitbare Einöde, bis es
allmählich durch Kanäle entwässert, urbar gemacht oder in Weideland verwandelt worden ist. In der
holländ. Provinz Groningen liegt auf einer sandigen Höhe inmitten der Torffläche das Dorf Bourtange
mit der
Bourtanger Schanze.
Boussingault
(spr. bußänggoh), Jean Baptiste, franz. Chemiker, geb. 2. Febr. 1802 zu
Paris, besuchte die Bergbauschule zu St. Etienne und ging im Auftrage einer engl.
Bergbaugesellschaft nach Columbia in Südamerika. Während des südamerik. Befreiungskrieges begleitete
er den General Bolivar als Oberst auf dessen Feldzügen. Er bereiste Venezuela bis zum Orinoco,
Ecuador und Peru und bestieg den Chimborazo. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich übernahm er die
Professur der Chemie zu Lyon und wurde 1839 in das Institut berufen. Die Resultate seiner
wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte er in der «Économie rurale»
(2 Bde., Par. 1844; 2. Aufl. u. d. T:
«Agronomie, chimie agricole et physiologie», 3 Bde., ebd.
1860‒64), ein Werk, dessen hohe Wichtigkeit für die Agrikulturchemie allgemein anerkannt und durch
die Übersetzung ins Englische von Law (Lond. 1845) und ins Deutsche von Gräger (2 Bde., Halle
1844‒45) bestätigt ist. Einige Jahre vorher hatte er mit Dumas den «Essai
de statique chimique des êtres organisés»
(Par. 1841; 3. Aufl. 1844) herausgegeben. Auch die «Annales de
chimie et de physique»
sowie die
«Mémoires de l’Académie des sciences»
enthalten wichtige Untersuchungen von ihm, die er zum Teil in den
«Mémoires de chimie agricole et de physiologie»
(Par. 1854) zusammengestellt hat. Er verbrachte viele Zeit auf seinem Landgut Bechelbronn unweit
Weißenburg im Elsaß, um die Resultate der theoretischen Wissenschaft durch Beobachtung in der Praxis
zu prüfen und zu begründen, und schrieb hier: «La fosse à fumier»
(Par. 1858), behielt aber dauernd seinen Wohnsitz in Paris, wo er 12. Mai 1887 starb.