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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brasilien (Geschichte)

Holtermann, Die deutsche Kolonie Dona Francisca in Südbrasilien (Hamb. 1878); Naeher, Land und Leute in der brasil. Provinz Bahia (Lpz. 1881); Sellin, Das Kaiserreich B. (ebd. 1882); Zöller, Die Deutschen im brasil. Urwald (2 Bde., Berl. u. Stuttg. 1883); von Schütz-Holzhausen, Der Amazonas. Wanderbilder aus Peru, Bolivia und Nordbrasilien (Freib. i. Br. 1883); von Koseritz, Bilder aus B. Mit einem Vorwort von Sellin (Lpz. 1885); Carapebus, Notice sur les ressources minérales du Brésil (Par. 1885); Eye, Der Auswanderer. Winke und Weisungen für Ansiedler in den deutschen Kolonien Südbrasiliens (Berl. 1885); Coppin, L’Empire du Brésil au point de vue de l’émigration (Brüss. 1888); d’Altri, Colonizzazione nel Brasilie (Neapel 1888). - Kartenwerke: Mendes de Almeida, Atlas do Imperio do Brazil (24 Karten, Rio de Janeiro 1868); de Mello, Atlas do imperio do Brazil segundo os dados officiaes (erscheint seit 1882 als 2. Aufl. des Atlas von B. von Mendes de Almeida, unter technischer Leitung von Lomchico de Carvalho in Rio); Bianconi und Marc, Le Brésil. Cartes commerciales, physiques etc. avec notice descriptive (Par. 1889).

Geschichte. Zur Zeit der Entdeckung wohnten in B. zwei Völkergruppen: die sog. Tapuyas (Feinde) oder Indios do matto (Waldindianer) und die Tupi-Guarani-Stämme oder Indios mansos (zahme Indianer). Der erste, der das brasil. Festland betrat, war der Spanier Vincente Yanez Pinzon, ein Gefährte des Columbus auf seiner ersten Reise, der 26. Juni 1499 am Kap St. Augustin, in der Nähe des heutigen Pernambuco landete. Durch Zufall gelangte sodann 1500 der Portugiese Pedro Alvarez Cabral (s. d.) an die Küste von B., das er für den König von Portugal in Besitz nahm und Terra da vera Cruz (Land vom wahren Kreuz) nannte. Portugal genehmigte zwar die in seinem Namen vollzogene Besitzergreifung B.s, schickte aber nur anrüchige Personen oder die von der Inquisition Verurteilten dorthin, die das von Madeira nach B. verpflanzte Zuckerrohr mit solcher Betriebsamkeit anbauten, daß es bald ein Gegenstand der Ausfuhr wurde. Endlich beschloß König Johann III., das Land zu kolonisieren. Auf seinen Befehl gründete Thomas de Sousa 1549 die Stadt Bahia, zugleich erlaubte der König dem Adel, Strecken Landes für sich zu erobern und anzubauen; die Jesuiten bemühten sich, die Eingeborenen zu civilisieren. Gegen Ende des 16. Jahrh. ließen sich viele franz. Hugenotten in B. nieder. Von 1580 bis 1640 war Portugal und mit ihm B. ein Teil des span. Reichs. 1624 eroberten die Niederländer im Kampfe gegen Spanien die Stadt Bahia und 1630 die ganze Landschaft Bahia mit Pernambuco. Der niederländ. Statthalter daselbst, Moritz von Nassau, unterwarf dann in den folgenden Jahren den an der Küste gelegenen Teil der 14 Provinzen, aus denen die Kolonie B. bestand. Nach der Thronbesteigung des Hauses Bragança in Portugal, 1640, schloß die Republik mit diesem einen zehnjährigen Waffenstillstand, kraft dessen sie im Besitz B.s blieb. Doch schon 1645 unternahmen die von Cromwell und der portug. Regierung unterstützten Grundbesitzer unter Führung des kühnen Abenteurers Cavalcante einen Aufstand gegen die Niederländer, die Jan. 1654 gezwungen wurden B. zu räumen, worauf sie 1661, unter Englands Vermittelung, gegen eine Summe von 350 000 Pfd. St. allen Ansprüchen an B. entsagten. Die Ausbeutung der kolonialen Reichtümer, die Unterdrückung jeder Selbständigkeit im geistigen und wirtschaftlichen Leben wurden jetzt hier, fast noch ärger als in den span. Kolonien, geübt und die Ausschließung der Fremden mit der größten Unduldsamkeit betrieben. 1678 kam die Regierung durch die Buenos-Aires gegenüber gegründete Kolonie San Sacramento mit Spanien in Streitigkeiten wegen des von hier aus in die span. Provinzen getriebenen Schleichhandels. Die Spanier bemächtigten sich dieser Kolonie, in deren Besitz sie bis 1777 verblieben. Unterdessen war der Wert B.s für Portugal immer höher gestiegen, da man daselbst seit 1698 Gold und um 1730 Diamanten entdeckt hatte. Rio de Janeiro war der Stapelplatz für den Ertrag der brasil. Bergwerke und der einheimischen Erzeugnisse. Allein die portug. Verwaltung hatte weniger die Entwicklung des Landes als vielmehr die Ausbeutung der Gold- und Diamantenlager und die Erhebung von Handelszöllen im Auge.

Eine Änderung in diesen Verhältnissen trat erst ein unter der Verwaltung Pombals, des reformatorischen Ministers Josephs I. (1750-77), der die systematische Ausnutzung der Kolonie durch das Mutterland abzustellen suchte und B. auf eine vergleichsweise hohe Stufe materiellen Wohlergehens brachte. Gleichwohl wurde der Widerwille der Brasilier gegen die Portugiesen durch mancherlei Umstände genährt. Die portug. Könige verteilten an arme Adlige und Günstlinge (nach der Schenkung Donatarios genannt) große Gebiete in B., oder schlossen auch mit Abenteurern Verträge, welche die Eroberung unbekannter Landstriche auf eigene Kosten übernahmen. Diese Art der Landverteilung brachte später große Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Grundeigentum zu Wege, eine der Hauptursachen, warum die Versuche, europ. Einwanderer in Massen nach B. zu ziehen, geringen Erfolg hatten. Als 1808 der portug. Hof, der vor Napoleon geflohen war, in Rio eintraf, bevorzugte man Portugiesen dunkler Herkunft, während die vornehmen, von den Konquistadoren (s. d.) abstammenden Brasilier gleichgültig behandelt wurden. Die Abgaben wurden erhöht, Gold und Edelsteine, welche in Privatländereien vorkamen, allem Herkommen entgegen als Regal in Anspruch genommen, und sogar in Rechtssachen zu Gunsten der Europäer parteiisch verfahren. Diese Übelstände schienen den Brasiliern durch die Vorteile nicht aufgewogen zu werden, die der Aufenthalt der königl. Familie im Lande mit sich brachte, wie die Freiheit und größere Ausdehnung des Handels, die Eröffnung des Landes für Fremde und die dadurch bewirkte Förderung der Civilisation. Auch das Beispiel der ehemaligen span. Kolonien in Südamerika blieb nicht ohne Einfluß auf die Stimmung. Ein in Pernambuco im April 1817 ausgebrochener, aber bald unterdrückter republikanischer Aufstand war der Vorläufer der nunmehr folgenden Ereignisse. Die aufrührerischen portug. Truppen ertrotzten die Ausdehnung der im Aug. 1820 in Lissabon erzwungenen Konstitution (s. Portugal) auf B., und 20. Febr. 1821 beschwor sie der Kronprinz Dom Pedro für sich und seinen Vater.

Am 26. April 1821 schiffte sich Johann VI. nach Portugal ein, indem er Dom Pedro als Prinz-Regenten zurückließ. Die portug. Cortes, dem Beispiele der spanischen von Cadiz folgend, versagten den brasil. Deputierten den Zutritt und verlangten, daß B. sich wie früher als abhängige Kolonie solle