Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

466

Braunschweig (Herzogtum; Geschichte)

linie Braunschweig-Bevern, aus der sich der Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern (s. Bevern) im Siebenjährigen Kriege hervorthat. Die Wolfenbütteler Linie setzte Rudolf August fort, der als Jüngling durch Reisen und wissenschaftliche Studien sich eine umfassende Bildung erworben hatte. Er trat die auf seinen Vater vererbten dannenbergischen Ämter an die Lüneburger Linie ab, die dagegen auf ihre Ansprüche auf die Stadt B. (s. d.) verzichtete, deren Landsässigkeit erst jetzt (1671), nach einem Kampfe von mehrern hundert Jahren, entschieden ward. Rudolf August starb 1704, nachdem er bereits seit 1685 seinen Bruder Anton Ulrich zum Mitregenten angenommen hatte. Dieser ließ die Grafschaft Blankenburg zum Fürstentum erheben, trat 1710 zur kath. Kirche über und regierte bis 1714. Von seinen beiden Söhnen August Wilhelm und Ludwig Rudolf erhielt der letztere Blankenburg, der erstere aber folgte dem Vater in der Regierung des Herzogtums B. Da August Wilhelm 1731 kinderlos, und sein Bruder Ludwig Rudolf ohne Söhne zu hinterlassen 1735 starb, so gelangte die Linie Braunschweig-Bevern zur Regierung in B. in der Person Ferdinand Albrechts, des Sohnes des gleichnamigen Stifters dieser Linie. Ferdinand Albrecht starb indes noch in demselben Jahre, und ihm folgte sein ältester Sohn Karl, der erst 22 Jahre zählte. Seine Prachtliebe, die außerordentliche Vermehrung des Militärs sowie manche Projekte zu großartigen und wohlthätigen Zwecken (Stiftung des Kollegium Karolinum u. s. w.) erschöpften die ganze Kraft des Landes. Der Staat wurde unter ihm mit einer Schuld von 11 bis 12 Mill. Thlrn. belastet, und es wäre ein reichsgerichtlicher Lehnskonkurs unvermeidlich gewesen, wenn nicht seit 1773 der Erbprinz in die Regierung eingegriffen und neue Ordnung in den Finanzen zu schaffen gewußt hätte. Als 1780 Karl starb und ihm der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand (s. d.) folgte, war ein Teil der Staatsschulden bereits wieder getilgt. Als Oberbefehlshaber des preuß. Heers in der Schlacht bei Auerstädt tödlich verwundet, starb er 1806 zu Ottensen bei Mona, wohin er geflüchtet war, wenige Tage nachdem Napoleon I. das Haus B. der Regierung für verlustig erklärt hatte. Infolge des Tilsiter Friedens wurde das Herzogtum B. ein wesentlicher Teil des neugeschaffenen Königreichs Westfalen, und erst die Schlacht bei Leipzig hatte die Wiedereinsetzung des alten Regentenhauses in B. zur Folge. Zur Regierung kam Karl Wilhelm Ferdinands Sohn Friedrich Wilhelm (s. d.), der 1805 von seinem Oheim, dem Herzog von Braunschweig-Öls, das schles. Fürstentum Öls (s. d.) ererbt hatte. Die Rückkehr Napoleons rief den Feldherrn 1815 von neuem ins Feld, wo er bei Quatre-Bras 16. Juni 1815 den Heldentod starb. Da seine Söhne Karl und Wilhelm noch minderjährig waren, so erhielt 7. Juli 1815 der Prinz-Regent von Großbritannien (nachmals König Georg IV.) die vormundschaftliche Regierung für den ältesten Sohn Karl.

Hierauf leitete der Graf von Münster (s. d.) von London aus die öffentlichen Angelegenheiten B.s. Im ganzen wurde Ordnung in der Staatsverwaltung hergestellt, namentlich das Schuldenwesen geregelt. Auf das Drängen der Ritterschaft wurde nach einigen Jahren die landständische Verfassung wiederhergestellt, und 1820 kam, im Einverständnis mit den zusammenberufenen Ständen, die revidierte Landschaftsordnung zu stande, ein Werk, das weit hinter den Forderungen der Zeit zurückblieb. Am 30. Okt. 1823 trat der unterdessen mündig gewordene Herzog Karl (s. d.) die Regierung an. Nachdem wiederholte Anträge an den eigenmächtig schaltenden Fürsten auf Anerkennung der Verfassung von 1820 fruchtlos geblieben waren, traten 1829 die Landstände kraft des ihnen zustehenden Konvokationsrechts zusammen, um die Hilfe des Bundes für dieselbe in Anspruch zu nehmen. Die Verhandlungen darüber zogen sich jedoch in die Länge, bis 7. Sept. 1830 der schon lange in den Gemütern herrschende Unwille in offenen Aufruhr ausbrach, das Residenzschloß des Herzogs in B. erstürmt und in Brand gesteckt wurde und der Herzog entfloh.

Schon 10. Sept. langte der Bruder des vertriebenen Fürsten, der damals in Berlin sich aufhaltende Herzog Wilhelm (s. d.) in B. an und übernahm anfangs provisorisch, später selbständig die Regierung. Die Ruhe wurde bald wiederhergestellt; auch sprach der Bundestag nun die Rechtsgültigkeit der Verfassung von 1820 aus. Die Agnaten erklärten den Herzog Karl der Regierung für unfähig und verlustig, worauf 25. April 1831 die Huldigung des Herzogs Wilhelm erfolgte, nachdem derselbe die Verfassung anerkannt hatte. Noch 1831 wurde ein neues Landesgrundgesetz entworfen und den Ständen vorgelegt. Ein neuer Verfassungsentwurf wurde im wesentlichen im Okt. 1832 von den Ständen angenommen und als Landesgrundgesetz nebst den damit zusammenhängenden Umänderungen im Staatsorganismus veröffentlicht. Die erste reformierte Landesversammlung trat 30. Juni 1833 zusammen und blieb nach mehrmaligen Vertagungen bis zum Mai 1835 in Wirksamkeit. Unter vielen neuen Gesetzen, die die ständische Zustimmung erhielten, zeichneten sich die Ablösungsordnung und die Städteordnung aus, und ihren Einwirkungen verdankte das Land zunächst die Entwicklung der polit. Freiheit.

Der zweite Landtag (1836/37) genehmigte das Gesetz über die Aufhebung (Modifikation) der Feudalrechte und eine Summe zum Bau einer Eisenbahn von B. nach Harzburg. Eine kurze außerordentliche Versammlung der Stände Ende 1837 hatte den Anschluß einiger Gebietsteile des Herzogtums (Blankenburg, Walkenried und Kalvörde) an den Preußisch-Deutschen Zollverein zum Gegenstande. Das wichtigste Werk des dritten ordentlichen Landtags (1839-42) war das neue Kriminalgesetzbuch, dessen Gültigkeit mit dem 1. Okt. 1840 begann. Von besonderm Belang waren die Verhandlungen über die Zoll- und Steuerverhältnisse des Landes, die durch den mit Schluß des J. 1841 bevorstehenden Ablauf der Verträge nötig wurden. Nachdem Differenzen zwischen B. und Hannover den Abbruch der Unterhandlungen zur Folge gehabt hatten, wandte die braunschw. Regierung sich an den Preußisch-Deutschen Zollverein und erreichte 19. Okt. 1841 die Aufnahme des Landes in denselben. Doch blieb der südwestl. Teil des Landes noch auf ein Jahr mit Hannover vereint, welches bis zu dessen Ablauf seinen Beitritt zu dem Zollverein in Aussicht stellte. Der vierte ordentliche Landtag wurde im Nov. 1842 eröffnet. Nachdem das Provisorium hinsichtlich der Steuerverbindung der südwestl. Landesteile mit Hannover nochmals auf ein Jahr verlängert war, wurden dieselben (mit Ausnahme der hannov. Enklaven) 1. Jan. 1844 in den Zollverein aufgenommen. Die einzige Aufgabe des im Nov. 1845 eröffneten fünften ordentlichen Landtags sollte die Feststellung des