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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Braunschweig

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Braunschweig (Kreis und Stadt)

herzoglich braunschw. Hauses Ansprüche auf die Thronfolge erhob, anheimgestellt hatte, seine Ansprüche bei den hierfür allein kompetenten Organen des Reichs zur Geltung zu bringen. Diesen Weg wollte der engl. Prinz nicht betreten.

In der Landtagssitzung vom 20. Okt. 1885 stellte die staatsrechtliche Kommission den Antrag, der Landtag solle sich dahin aussprechen, daß er die Thronfolge Cumberlands ausgeschlossen sehe durch die von diesem selbst eingenommene Stellung bezüglich der Geltendmachung von Rechten auf die preuß. Provinz Hannover, und daß er über reichs- oder verfassungsmäßige Mittel nicht verfüge, die von dem Herzoge selbst geschaffene Lage zu beseitigen. Dieser Antrag wurde mit allen gegen zwei Stimmen angenommen. Darauf nahm der Landtag dem Regentschaftsgesetze von 1879 gemäß die Wahl eines Regenten vor. Im Namen des Regentschaftsrats schlug Graf Görtz-Wrisberg den Prinzen Albrecht (s. d.) von Preußen vor, der auch 21. Okt. vom Landtag einstimmig zum Regenten von B. gewählt wurde. Albrecht nahm die Wahl an, hielt 2. Nov. seinen Einzug in B. und übernahm die Regierung des Landes. Der Gesetzentwurf über Feststellung eines neuen Huldigungseides, in welchem Treue und Gehorsam dem Regenten gelobt wurde, wurde vom Landtag 9. Febr. 1886 einstimmig angenommen, dabei aber die Aufrechterhaltung der im Erbhuldigungseide dem Hause B. gegenüber eingegangenen Verpflichtung ausdrücklich anerkannt. Am 24. März ward die mit Preußen abgeschlossene Militärkonvention genehmigt. Aus den Verhandlungen des 19. ordentlichen Landtags gingen als wichtigste Resultate eine Änderung des Landesgrundgesetzes von 1832 hervor, wodurch die bisherige sechsjährige Wahlperiode der Landesversammlung in vierjährige, und die dreijährigen Finanzperioden in zweijährige verkürzt wurden. Der Beginn des Rechnungsjahres wurde auf den 1. April festgesetzt. Hinsichtlich der Civilliste des Landesfürsten wurde vereinbart, daß solche von 1888 an um jährlich 300 000 M., also auf 1 125 322 M. für die Dauer der gegenwärtigen Regentschaft zu erhöhen sei. Zugleich wurde der Veräußerung verschiedener Grundflächen der herzogl. Hofstatt zu Herstellung von Straßenanlagen und als Baugrund, sowie endlich der Entnahme von 450 000 M. aus dem Kammer-Kapitalfonds behufs Verwendung auf Bauten an den herzogl. Schlössern zugestimmt. Bei den Reichstagswahlen von 1887 wurden nur Anhänger des Septennats, 1890 zwei Deutschfreisinnige und ein Socialdemokrat, Juni 1893 zwei Anhänger der Militärvorlage und ein Socialdemokrat gewählt.

Litteratur. G. Hassel und K. Bege, Geogr.-statist. Beschreibung der Fürstentümer Wolfenbüttel und Blankenburg (2 Bde., Braunschw. 1802); Lachmann, Physiographie des Herzogtums B. und des Harzgebirges (2 Bde., ebd. 1851-52); Guthe, Die Lande B. und Hannover (Hannov. 1867; 2. Aufl. 1888); Beiträge zur Statistik des Herzogtums B. (Heft 1-9, Braunschw. 1874 fg.); Blasius, Die faunistische Litteratur B.s (ebd. 1891); Ortschaftsverzeichnis des Herzogtums B. auf Grund der Volkszählung vom 1. Dez. 1890 (ebd. 1891); Zavemann, Geschichte derLande B. und Lüneburg (3 Bde., Gött. 1853-57); Schaumann, Handbuch der Geschichte der Lande Hannover und B. (Hannov. 1864); von Malortie, Beiträge zur Geschichte des braunschw.-lüneb. Hauses und Hofes (6 Hefte, ebd. 1860-72; Neue Folge, 1. Bd., ebd. 1879); Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von B. und Lüneburg, hg. von Sudendorf (11 Bde., ebd. 1859-80); Görges, Vaterländische Geschichten und Denkwürdigkeiten der Vorzeit, hg. im Verein braunschw. und hannov. Geschichtskundiger (2. Aufl., 3 Bde., Braunschw. 1880-81); O. von Heinemann, Geschichte von B. und Hannover (3 Bde., Gotha 1882-92); Ad. Köcher, Geschichte von B. und Hannover, 1648-1714 (1. Bd.: 1648-68, Lpz. 1884).

Braunschweig. 1) Kreis im Herzogtum B., hat 543,08 qkm und (1890) 141 632 (69 642 männl., 71 990 weibl.) E., 11 535 Gebäude mit 31 699 Haushaltungen, 1 Stadt und 92 Landgemeinden und umfaßt die Amtsgerichtsbezirke B., Riddagshausen, Vechelde und Thedinghausen.

2) B. (Brunsvyk, Brunonis vicus), Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums B., liegt unter 52° 16' 19" nördl. Br. und 10° 32' östl. L. von Greenwich, 7 km von der nördl. Landesgrenze und 61 km von Hannover entfernt, in 83 m Höhe, an der Ocker, in einer flachen, aber fruchtbaren Gegend und hat im Mittel eine Jahrestemperatur von +8 °C. (+33° Maximum, -17° Minimum), einen Luftdruck von 754 mm (772 Maximum, 731 Minimum) und eine Niederschlagsmenge von 748 mm. Von dem Weichbilde (27,19 qkm) kommen 2,62 qkm auf die Innenstadt, die von dem Umflutgraben der Ocker umgeben ist.

^[Abb.]

Bevölkerung. B. hatte 1880: 75 038, 1885: 85 174, 1890: 101 047 (49 598 männl., 51 449 weibl.) E., d. i. eine Zunahme (1885-90) von 15 873 Personen oder 18 Proz. oder jährlich 3174 Personen; 6116 Wohnhäuser und 22 960 Haushaltungen. Dem Religionsbekenntnis nach waren 90 467 Lutherische, 2524 Reformierte, 6297 Katholiken, 465 andere Christen und 710 Israeliten. Geboren sind in B. 45 047, im übrigen Lande 22 799, im übrigen Deutschen Reiche 31 849 (davon in Preußen 27 699) und im Auslande 1288. Die Zahl der Geburten einschließlich Totgeburten betrug (1892) 3962, Sterbefälle 2514, Eheschließungen 965. Es zogen zu (1891) 21 668, ab 19 374. In Garnison liegt das 1. und 2. Bataillon des 92. Infanterieregiments und das 17. Husarenregiment.

Anlage, Straßen, Plätze, Denkmäler. Die Stadt ist meist unregelmäßig gebaut und hat 297 Straßen und 17 Plätze. Die auf der Stelle der 1797 geschleiften Befestigungen entstandenen und durch schöne Neubauten gezierten Promenaden mit dem herzogl. und dem Eisenbahnpark, besonders zwischen August- und Wendenthor, zählen zu den schönsten derartigen Anlagen Deutschlands. Der Hauptverkehr bewegt sich auf dem Altstadt-, Kohl- und Hagenmarkt, dem Bohlweg und den dazwischen liegenden Strecken. Die Außenstadt zeigt und zwar abweichend von andern Städten, besonders im östl. Teile, eine reiche Villenentwicklung. Auf dem Burgplatz mit dem ehernen Löwen, den Heinrich der Löwe als Zeichen seiner Oberhoheit 1166 errichten ließ und der 1858 erneuert ist, hielten bis 1486 die herzogl. Vögte öffentlich Rügegericht; der Altstadtmarkt hat einen 1408 errichteten, 1847 erneuerten Brunnen (s. Tafel: Brunnen I, Fig. 3);