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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bremen

den bilden seit 1878 einen Kreis, dessen Organe der Kreistag (28 Vertreter) und der Kreisausschuß (7 Mitglieder) sind; Geschäftsleitung und Vorsitz in beiden Versammlungen stehen einem Mitgliede des Senats zu. Die Hafenstädte erhielten 1879 kommunale Verfassungen, die sich dem Entwurf der neuen preuß. Städteordnung anschließen. Für die Rechtspflege bestehen im Bremer Staat zwei Amtsgerichte (in B. und Bremerhaven) und ein Landgericht (in B.); die höhere Instanz bildet das Hanseatische Oberlandesgericht zu Hamburg. Die Besetzung erledigter Richterstellen erfolgt durch Wahl; sie wird durch ein Wahlkollegium von 9 Personen vorgenommen, das für jeden Einzelfall in der Weise neu bestellt wird, daß Senat, Bürgerschaft und Richterkollegium je 3 Mitglieder deputieren. Für das Civilrecht bildet das gemeine Recht die Grundlage, aber vielfach abgeändert durch Partikulargesetze, Verordnungen und Gewohnheitsrecht, das sich zum Teil an die Bestimmungen des alten Stadtrechts von 1433 anschließt oder sich aus ihnen entwickelt hat. Kodifiziert ist das Recht an unbeweglichen Sachen und die Verpfändung derselben in der «Erbe- und Handfestenordnung» von 1833, die in origineller Weise die dem Handelsverkehr erwünschte Mobilisierung des Immobiliarvermögens verbindet mit der größtmöglichen Sicherheit des Gläubigers. Ebenso ist das Vormundschaftsrecht in der Vormundschaftsordnung von 1826 (später Revisionen in Einzelheiten) gesetzlich geregelt worden. – Das Wappen ist ein schräg liegender, silberner Schlüssel in einem von zwei Löwen gehaltenen roten Schilde, auf dem eine goldene Krone ruht; die Landesfarben sind Weiß und Rot.

Finanzen. Das Budget des Rechnungsjahres 1891/92 ergab an Einnahmen 16718000 M.; darunter aus: 1) direkten Abgaben: Einkommensteuer 3693000, Grund- und Gebäudesteuer 1039000 Erleuchtungssteuer 555000, Firmensteuer 617000; 2) indirekten Abgaben: Einnahmen vom Reich 1325000, Gebrauchs- und Verbrauchsabgaben 593000, Rechtsgeschäfte und Amtshandlungen 1709000; 3) von Verkehrsanstalten 1090000; 4) von anderm Eigentum 3154000; 5) aus andern Titeln 2431000 M. Die Ausgaben betrugen 22493000 M., und zwar für Gesetzgebung und Verwaltung 3059000, Rechtspflege 987000, Materielle Kultur 5839000, Geistige und sittliche Kultur 1863000, Gesundheitspflege 395000, Finanzverwaltung 4099000 M. Die Staatsschuld belief sich (1892) auf 80,2 Mill. M. Die hauptsächlichsten direkten Steuern bestehen in Grund- und Gebäude- Einkommen- und Firmensteuern, die wichtigsten indirekten sind die Verbrauchsabgaben. Einige Abgaben werden «auf Bürgereid» entrichtet.

Kirchenwesen. Während im 17. und 18. Jahrh. die große Mehrheit der Stadt und des Landgebietes dem reformierten Bekenntnis angehörte und es Herkommen war, die Lutheraner vom Rat und andern wichtigen Ämtern auszuschließen, ohne daß ein förmliches Verbot bestanden hätte, ist seit Beginn dieses Jahrhunderts der Zutritt zu den Staatsämtern den Lutheranern nicht mehr erschwert und ihre Zahl durch Zuzug aus der luth. Umgegend (namentlich Hannover und Oldenburg) beständig gewachsen. Die Unterschiede beider Konfessionen haben ihre Bedeutung im Bewußtsein der Bevölkerung mehr und mehr verloren. Sämtliche Kirchengemeinden haben Presbyterialverfassungen. Die Vermögensverwaltung und die übrigen äußern Angelegenheiten liegen unter Mitwirkung des Kirchenvorstandes den Bauherren ob. Die Rechte des summus episcopus ruhen beim Senat. Die kath. Einwohner stehen unter dem Bischof von Osnabrück als apostolischem Provikar der nordischen Mission. – Die Militärhoheit ist durch Konvention vom 27. Juni 1867 an Preußen abgetreten; das Kontingent bildet das zum 9. preuß. Armeekorps gehörige 1. Bataillon des 1. Hanseatischen Infanterieregiments Nr. 75.

2) Die Stadt B. liegt 53° 4’ 48" nördl. Br. und 8° 48’ 15" östl. L. (Ansgariturm) von Greenwich, in 5 m Höhe (Weserspiegel), auf beiden Ufern der schiffbaren Weser, 69 km von der Mündung derselben in die Nordsee und hat eine Ausdehnung von 7900 m (O. nach W.) und 8400 m (S. nach N.), 33 km Umfang. Von der Gesamtfläche (23,12 qkm) sind 526 ha Gebäude und Höfe, 437 ha Straßen einschließlich der Wallanlagen und 1349 ha landwirtschaftlich benutzt. Der mittlere Luftdruck ist nach dem Mittel von 1803 bis 1890 760,9 mm, die mittlere Jahrestemperatur 8,7° C. (+ 36° C. Maximum, -27° C. Minimum), die Niederschlagsmenge 695,2 mm. (Hierzu ein Plan mit Verzeichnis der Straßen und Plätze und der öffentlichen Gebäude.)

Bevölkerung. Die Wohnbevölkerung der Stadt betrug 1867: 74574E., 1871: 82969, 1875: 102499, 1880: 112940, 1885: 118043, 1890: 124955 E., d. i. eine Zunahme (1885‒90) von 6912 Personen (6 Proz.) oder jährlich 1382 Personen. Dem Religionsbekenntnis nach waren (1890) 117713 Evangelische (942 auf 1000), 5736 Katholiken (46), 772 sonstige Christen, 734 Israeliten (6). 1890 gab es 19453 Gebäude, nämlich 3185 unbewohnte und 16268 bewohnte mit 1693 Einzel-, 24723 Familienhaushaltungen. Geboren waren (1890) in B. 69334, im übrigen Deutschen Reiche 53813, im Auslande 1808 Personen. Die Zahl der Geburten betrug 1891 3719, die der Sterbefälle 2474, die der Eheschließungen 1177. In Garnison liegt das 1. und 2. Bataillon des 75. Infanterieregiments.

Zu dem wirtschaftlichen Weichbilde der Stadt sind außerdem noch die Ortschaften Walle (6753 E.), Hastedt (4999), Schwachhausen (1604) und Woltmershausen (3900) zu rechnen, die in enger Berührung mit der Großstadt stehen und gewissermaßen Bremer Vororte sind; die Einwohnerzahl von Groß-Bremen beträgt somit (1890) 142211.

Anlage, Brücken, Plätze, Denkmäler. Die Stadt wird durch die Weser und deren Arm, die Kleine Weser, in die auf dem rechten Ufer liegende Altstadt und die 1622‒26 aus militär.

^[Abb. Wappen von Bremen]