Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Brief; Briefadel; Briefcouvertmaschinen; Briefgeheimnis

528

Brief (Börsenausdruck) - Briefgeheimnis

Vielfach wurde in der Romanlitteratur von dem B. Gebrauch gemacht, zuerst von Richardson, den Rousseau, Rétif de la Bretonne, Musäus, Hermes, Sophie de la Roche, Tieck nachahmten, auch Goethes "Werther", durch den wieder Foscolo zu den "Ultime lettere di Jacopo Ortis" angeregt wurde. Jetzt ist der Briefroman in Abnahme gekommen; zu erwähnen sind die von Dito und Idem, d. i. Carmen Sylva und Mite Kremnitz: "Astra", "Feldpost" und "Aus zwei Welten" (Bonn 1886).

Die als Quellen für die ältere deutsche Geschichte wertvollen B. sind in den "Monumenta Germaniae historica" in einer besondern Abteilung gesammelt. Vgl. W. Roberts, History of letterwriting from the earliest period to the 5th century (Lond. 1843); Steinhausen, Geschichte des deutschen B. (2 Bde., Stuttg. 1889-91). Auch die epistolarische Litteratur des Morgenlandes ist sehr reichhaltig. Zu besonderer Blüte ist sie bei Arabern und Türken gediehen, wurde aber auch bei den Assyrern und Babyloniern gepflegt. (S. auch Briefgeheimnis, Briefporto, Briefsteller.)

Brief, abgekürzt B. oder Br., auf Kurszetteln bedeutet, daß die Papiere zu dem so bezeichneten Kurs angeboten sind, daß also die Verkäufer bereit waren, zu diesem Kurse zu verkaufen, daß sich aber zu demselben keine Käufer gefunden haben. Man bezeichnet solche Kurse auch mit Papier oder P. Im Gegensatz zu diesen Kursen stehen diejenigen, welche mit Geld (s. d.) oder G. bezeichnet sind.

Briefadel, s. Adel (Bd. 1, S. 135 a) und Adelsbrief.

Briefcouvertmaschinen, s. Couvertmaschinen.

Briefgeheimnis, die Unverletzbarkeit der der Post anvertrauten verschlossenen Sendungen. Zum Wesen eines Briefs gehört der Verschluß, durch welchen der Briefabsender seinen Willen bekundet, daß die unter dem Schutze des Siegels befindliche Botschaft jedem unbefugten Auge entzogen werden soll. Neuere Rechtslehrer (Laband, Dambach) unterscheiden zwischen B. und Postgeheimnis. Der erste Begriff bezieht sich auf den Inhalt des verschlossenen Briefs, das Postgeheimnis dagegen umfaßt alle Thatsachen, welche der Postbeamte durch seine amtliche Thätigkeit in Erfahrung gebracht hat, und kennzeichnet sich nur als eine besondere und besonders streng gehandhabte Anwendung des Amtsgeheimnisses überhaupt, bezieht sich also auch z. B. auf Adressen, offene Postkarten, Zeitungsabonnements.

Die Heilighaltung des B. ist von allen Kulturvölkern als Princip anerkannt worden, besonders seitdem das Postwesen überall als eine Staatswohlfahrtsanstalt verwaltet wird. Unbefugte Eröffnung von Briefen und unberechtigtes Eindringen in den Inhalt derselben fällt demgemäß unter strafrechtliche Vorschriften. Nur in Fällen der Gefährdung des Staatsinteresses, wo also eine höhere Berechtigung, als die des Individuums, in Frage kommt, kann eine Ausnahme von der Unverletzlichkeit des B. als zulässig erachtet werden. Dies trifft namentlich im Kriege oder in Fällen gemeiner Gefahr zu, denn der Staat kann nicht Bestrebungen fördern, welche die Existenz seiner eigenen Bürger bedrohen. In Deutschland findet sich die Gewährleistung des B. zuerst in der Josephinischen Wahlkapitulation von 1690 ausgesprochen. Die Verletzung desselben sollte als crimen falsi mit Staupenschlag und Landesverweisung bestraft werden. In der Allgemeinen preuß. Postordnung vom 10. Aug. 1712 war den Postbeamten die Brieferbrechung bei Strafe der Dienstentlassung und Ahndung als Meineidige verboten; auf analogem Standpunkt steht das Allgemeine Preuß. Landrecht. Noch härter war das franz. Gesetz. Eine Verordnung Ludwigs XV. vom 25. Sept. 1742 setzte fest, daß Postbeamte, welche Briefe und Pakete erbrochen und die darin enthaltenen Gegenstände zu eigenem Nutzen unterschlagen hätten, die Todesstrafe verwirkt haben sollten. Die franz. Nationalversammlung nahm auf Sieyes' Antrag die Gewährleistung des B. unter die sog. Grundrechte auf; nach diesem Vorgange wurde das B. in den meisten Verfassungsurkunden der konstitutionellen Staaten garantiert, so in Portugal 1826, Kurhessen 1831, Württemberg 1843, Baden 1845. Art. 141 der Frankfurter Reichsverfassung von 1849 verordnete: "Das B. ist gewährleistet. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen notwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen", eine Verheißung, die damals unerfüllt blieb. Preußen (1850), Oldenburg und Sachsen (1852) nahmen indessen diese Fundamentalbestimmungen auch in ihre Verfassungsurkunden auf. Im Deutschen Reiche ist durch §. 5 des Gesetzes über das Postwesen vom 28. Okt. 1871 das B. für ganz Deutschland gewährleistet. Nach diesem Paragraphen "ist das B. unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Konkurs- und civilprozessualischen Fällen notwendigen Ausnahmen sind durch ein Reichsgesetz festzustellen".

Diese Ausnahmen finden sich in den §§. 99 und 100 der Reichs-Strafprozeßordnung angegeben. Zulässig ist dementsprechend: die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Postsendungen und Telegramme, ferner solcher Briefe u. s. w. auf der Post, in betreff deren Thatsachen vorliegen, welche darauf schließen lassen, daß die Briefe von dem Beschuldigten herrühren oder für ihn bestimmt sind und daß ihr Inhalt für die Untersuchung von Bedeutung ist. Die Beschlagnahme wird vom Richter, in eiligen Fällen auch von der Staatsanwaltschaft verfügt; die letztere Beschlagnahme muß indessen binnen 3 Tagen vom Richter bestätigt werden, widrigenfalls sie außer Kraft tritt. Die Prüfung darüber, ob diesen Bedingungen bei der Beschlagnahme genügt ist, liegt nicht der Post, sondern dem Richter ob. Die Post muß nur Nachricht erhalten, daß eine strafgerichtliche Untersuchung eingeleitet ist. Die beteiligten Personen sind, sobald der Untersuchungszweck dies gestattet, von der Beschlagnahme zu benachrichtigen. Im Civilprozeß findet keine Ausnahme vom B. statt. Doch können die Gläubiger des Adressaten die an diesen gerichteten Briefe mit Wertinhalt, Pakete und Postanweisungsgelder im Wege der Zwangsvollstreckung gerichtlich mit Beschlag belegen lassen. Es ist dies ein Pfändungsrecht des Gläubigers; die Sendungen müssen jedoch dem Adressaten bereits ausgehändigt sein. Solange der Adressat die Sendungen nicht angenommen hat, behält lediglich der Absender das Verfügungsrecht; lehnt der Adressat die Annahme ab, so müssen die Sendungen an den Absender zurückgehen. In Konkursfällen (§. 111 der Reichs-Konkursordnung) sind "die Post- und Telegraphenanstalten verpflichtet, auf Anordnung des Konkursgerichts alle für den Gemeinschuldner eingehenden Sendungen, Briefe und Depeschen dem Konkursmassenverwalter auszuhändigen, der zur Eröffnung u. s. w. berechtigt ist. Der Gemeinschuldner kann aber die Einsicht, und wenn der Inhalt die Masse nicht betrifft, die Heraus-^[folgende Seite]