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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchdruckerkunst

Antoine Vérard, mit Vorliebe franz. Bücher verlegten und dafür auch eine der heimischen Schrift ähnelnde Typenart einführten (Batardetype, s. Batarde). Zierliche, häufig auf Pergament gedruckte Bücher mit eleganter Ausstattung, erbaulichen oder nationalen Inhalts, werden in Frankreich vom Ende des 15.Jahrh. an häufig. Neben Paris gewann Lyon, das mit Deutschland enge Verbindungen unterhielt, große Bedeutung als Büchermarkt. – Nach den Niederlanden kam die B., soviel sich ermitteln läßt, über Köln; Utrecht hat den ältesten datierten Druck (aus 1473 von Kettelaer und Leempt; etwas später druckte dort Joh. Veldener). Sonst sind Löwen, Deventer und Brügge hervorzuheben. Hier druckte Colard Mansion seit 1476, welcher als Lehrmeister Will. Caxtons (s. d.) gilt, durch den die B. nach England verpflanzt wurde (1477). Vielleicht aber haben beide in Köln gelernt und schreibt sich daher die Ähnlichkeit ihrer Typen. Aus Haarlem, wo Coster (s. d.) schon um 1423 gedruckt haben soll, giebt es erst von 1483 einen datierten Druck. Von den vielen (etwa 45) undatierten Bruchstücken kleiner holländ. Drucke (Donate u. dgl.), auf welche die Anhänger der holländ. Ansprüche so großen Wert legen, ist noch von keinem ein höheres Alter als aus dem Anfang der siebziger Jahre nachgewiesen. – In England blieb W. Caxton längere Zeit der einzige Drucker. Er druckte vorwiegend Bücher in engl. Sprache; liturgische Werke wurden mehrfach für engl. Diöcesen im Ausland gedruckt. – In Skandinavien war nur vorübergehend 1483 der Wanderdrucker Joh. Snell und 1494‒96 eine andere Firma in Stockholm thätig; weitere Versuche unterblieben bis zur Mitte des 16. Jahrh. Der erste Buchdrucker Kopenhagens war Gottfr. von Ghemen 1490. – Auch in den slawischen Ländern tauchten Druckereien bald auf: Pilsen erhielt 1475, Prag 1478 die erste Presse; in Polen wurde das erste Buch 1491 zu Krakau gedruckt; in Rußland soll 1493 zu Tschernigow ein Buch in kirchenslaw. Sprache mit cyrillischen Lettern erschienen sein, die ersten Bücher in russ. Sprache wurden jedoch im Auslande gedruckt. In der Türkei, wo die B. nur verstohlen ausgeübt werden konnte, wurden von Juden Bücher gedruckt.

So hatte sich schon im 15. Jahrh., dank der deutschen Wanderlust, die B. fast über ganz Europa verbreitet. Man kennt die Namen von etwa 1000 Druckern und Verlegern, und darf die Zahl der im 15. Jahrh, gedruckten Werke wohl auf 30000 ansetzen. Die Höhe der Auflagen betrug im Durchschnitt etwa 300.

Da die Aufgabe der B. die Vervielfältigung der Handschriften war, so war es selbstverständlich, daß die ersten Buchdrucker die Handschriften getreu nachahmten. Neben der erwähnten großen und fetten Missaleschrift, welche Gutenberg für den Druck der Donate und Bibeln anfertigte, bediente man sich einer andern Schrift für minder wichtige oder weniger gebrauchte Werke, einer kleinen halbgot. ^[Spaltenwechsel]

Form, die der Alltagsschrift nahe stand. Mit dieser Texttype wurden zuerst die Ablaßbriefe von 1454/55 (s. Faksimile 1 und 2) gedruckt; bald darauf erscheint sie in Fust und Schöffers «Durandi Rationale» (1459, s. Faksimile 3) und (größer) in den «Constitutiones Clementis» (1460, s. Faksimile 4), in Gutenbergs «Catholicon» (1460) und Mentels erster lat. Bibel (etwa 1460, s. Faksimile 5).

Die Franzosen nannten diese Schrift Lettres de Somme, nach der damit gedruckten «Summa» des Thomas von Aquino. Andererseits hatten die Humanistenkreise die fränk. Minuskel des 10. bis 12. Jahrh. wieder in Gebrauch genommen, und auch sie, welche in den Versalien die Buchstaben der röm. Inschriften und in den gemeinen Buchstaben runde Formen zeigt, wurde für den Typendruck frühzeitig nachgeahmt (s. Faksimile 6). Unsere lat. Druckschrift besitzt sie noch heute als Antiqua (s. d.). Mit ihr druckten Sweynheim und Ponnartz zu Subiaco und Gering nebst Genossen zu Paris; in Deutschland ist ihr Gebrauch wahrscheinlich noch älter, doch drang er dort nicht so durch wie in Italien. Zu deutschen und profanen Werken diente vorerst die lat. Texttype, später kam eine besondere Schrift got. Charakters auf, welche der damaligen Briefschrift sehr nahe stand. Sie wurde zuerst im «Garten der Gesundheit» (1485 bei Pet. Schöffer) und von dem Maler Rewich zu Mainz, von dem auch vermutlich ihr Schnitt stammt, zum Druck von Breydenbachs «Die heyligen reysen gen Jherusalem zu dem heiligen Grab» (1486) angewendet (s. Faksimile 7). Ihr sehr ähnlich ist die franz. Batarde oder Bastard- ^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 3. Durandustype von Fust und Schöffer, aus Durandi Rationale von 1459.]

^[Abb.: Fig. 4. Clemens- oder Bibeltype von Fust und Schöffer, aus Sch. Verlagsanzeige von 1469 bis 1470.]

^[Abb.: Fig. 5. Mentelsche Typen (Anfang der Bibel von 1460).]

^[Abb.: Fig. 6. Aus Cicero de or. 1464 oder 1465. Subiaco.]