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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchdruckerkunst

lich. In Frankreich war zwar die Zeit der Etienne (16. Jahrh.) vorüber, doch lieferte Paris, namentlich die sehr begünstigte königl. Druckerei, noch immer geschmackvoll ausgestattete Ausgaben. In England, wo die Buchdrucker schweren Verfolgungen ausgesetzt waren, gedieh die Kunst nicht besonders. Dagegen blieben die freien Niederlande ein Sitz regen Kunsteifers, und auf Christoph Plantin in Antwerpen (gest. 1589) folgte die Familie Elzevier (s. d.; 1592‒1681) in Leiden und Amsterdam. Neben ihr machten sich die Blaeu (s. d.) und Joh. Jansson bemerkbar. England, welches bisher sein Papier aus Frankreich bezogen hatte, erhielt durch die Vertreibung der Protestanten aus Frankreich die besten Papiermühlen. – Im 17. Jahrh. kam Gutenbergs Erfindung auch nach Nordamerika, indem von der Witwe des auf der Überfahrt gestorbenen Glover zu Cambridge (Mass.) 1638 die erste typographische Werkstatt errichtet und im folgenden Jahre das erste nordamerik. Buch gedruckt wurde. Nächst Cambridge waren Boston, Philadelphia und Neuyork die ersten Städte, wo Buchdruckereien entstanden. Andererseits kam die Kunst nach dem fernen Osten, indem in Ostindien und Japan, hier aber nur von Jesuiten (mit Antiqualettern) gedruckt wurde.

In technischer Hinsicht wurde im 17. Jahrh. die Presse durch Willem Janszoon Blaeu, einen mechanisch geschulten und wohlgeübten Mann, verbessert. Die Zahl der Schriften vermehrte sich; von Nonpareille bis zur groben Kanon waren alle Abstufungen und von manchen Kegeln mehrere Garnituren vorhanden. Besonders beliebt waren die kleinern Schriften (Nonpareille und Petit), mit denen zierliche kleine Ausgaben gedruckt wurden. 1692 ließ Ludwig ⅩⅣ. von der Akademie der Wissenschaften Zeichnungen für Antiqua oder Kursivschrift herstellen, welche, ausschließliches Eigentum der königl. Druckerei zu Paris, die schönsten Schriften der Welt sein sollten. Diese Schriften wurden 1693‒1714 geschnitten und blieben ein Jahrhundert in Verwendung, zeichneten sich aber mehr durch ihre Besonderheiten als durch Schönheit aus. Einen Zuwachs an Arbeiten erhielten die Buchdrucker durch die beliebt gewordenen Zeitungen (s. d.), welche zu Anfang dieses Jahrhunderts regelmäßig zu erscheinen begannen. Der Holzschnitt wurde zu Gunsten des Kupferstichs vernachlässigt.

Während im 17. Jahrh. holländ. Geschmack überwog, herrschte im 18. Jahrh. die franz. Mode vor. Friedrich Ⅱ., der schon früher die Absicht gehabt hatte, eine königl. Druckerei nach dem Muster der Pariser zu errichten, aber durch die Kriege daran verhindert worden war, verlieh 1769 dem Buchdrucker G. J. ^[Jacob] Decker in Berlin den erblichen Titel eines Hofbuchdruckers, nachdem dieser nach des Königs Wunsche seine Druckerei mit franz. Schriften versehen und einen Faktor aus Paris hatte kommen lassen. In Paris war Setzen und Drucken eine Unterhaltung des Hofs; aber auch Joseph Ⅱ. lernte und übte als Prinz diese Kunst. Zugleich belebte der Geist der Aufklärung die Gelehrten, mächtig entwickelte sich mit der Litteratur die B., und in edlem Wetteifer strebten die Nationen, mit schönen Typen Meisterwerke zu schaffen.

In Deutschland wirkte Joh. Gottl. Immanuel Breitkopf in Leipzig als genialer Buchdrucker, der eine neue Methode des Musiknotendrucks erfand, wie als tüchtiger Buchhändler und typographischer Schriftsteller. Neben Decker glänzte Unger in Berlin;

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Göschen in Leipzig und Cotta in Stuttgart verlegten und druckten die Werke der deutschen Litteraturheroen; in Österreich entwickelten Trattner und Traßler als Drucker und Verleger, vor allem auch als Nachdrucker eine große Thätigkeit. In der Schweiz zeichneten sich Haas Vater und Sohn durch typographische Kunstfertigkeit aus. In Frankreich schnitten Fournier und F. A. Didot vielbewunderte Schriften; in Holland konkurrierten mit ihnen Enschedé (s. d.) und die Elzeviers, dessen ausgezeichneter Stempelschneider Fleischmann die Kontrapunzen erfand; in England wurden Caslon und Baskerville, in Italien Bodoni Meister der Stempelschneidekunst, und selbst in Spanien entwickelte sich durch Ibarra eine bessere Kunstrichtung. In Rußland begünstigte Peter Ⅰ. die B., wie alle westeurop. Kulturprodukte, selbst in der Türkei gelang es dem unermüdlichen Eifer Ibrahim Efendis, die Vorurteile des Volks und den Widerstand der Ulemas zu besiegen und 1726 eine Buchdruckerei zu errichten, die freilich keinen langen Bestand hatte. In Amerika machte die Verbreitung der B. schnelle Fortschritte; zu den Typographen Amerikas zählt Benjamin Franklin, der berühmte Schriftsteller und Staatsmann.

Es giebt Bücher, die in immer neuen Auflagen unverändert gedruckt werden und in denen Druckfehler besonders ärgerlich und schädlich sind, wie die Bibel, Klassikerausgaben, Wörterbücher u. dgl. War es gelungen, ein solches Buch möglichst fehlerfrei herzustellen, so ließ man den Satz für neue Auflagen stehen, um die Kosten des Satzes und die Mühe neuer, sorgfältiger Korrekturen zu ersparen; aber solcher stehender Satz kostete nicht nur viel Material, er konnte auch zerfallen. Daher suchte man Mittel, solchen Satz in feste Platten zu gießen, welche leicht aufbewahrt werden konnten, und ein Prediger J. Müller in Leiden war der erste, der mit dem Buchdrucker van der May 1701‒11 feste Satzplatten erzeugte. Ihm folgte der schott. Goldschmied W. Ged 1725 und eine Reihe anderer, welche verschiedene Methoden zur Anwendung brachten; doch kam dieser Plattenguß, der von Didot Stereotypie (s. d.) getauft wurde, im 18. Jahrh. über das Experiment nicht viel hinaus.

Mit dem Ende dieses Jahrhunderts vollzog sich eine Veränderung der Lage des Buchdruckergewerbes. Die Französische Revolution hob die Patente zur Ausübung der B. auf und gab das Gewerbe frei. Zwar geschah dies nur vorübergehend, aber der Anstoß blieb nicht ohne Nachwirkung. Zu Anfang des 19. Jahrh. wurden auch in den größern Staaten Deutschlands die Zünfte aufgehoben, und damit fielen viele Beschränkungen, welche bis dahin manche Kraft gelähmt hatten. So durfte vorher niemand eine Buchdruckerei führen, der die B. nicht erlernt hatte; selbst ein Schriftgießer galt nicht für einen gelernten Buchdrucker. Dem Buchhändler Göschen wurde die Errichtung einer Buchdruckerei in Leipzig nicht gestattet, er mußte sie in Grimma errichten; der Schriftgießer Haas in Basel hatte eine Buchdruckerpresse erfunden, durfte aber auf derselben nicht drucken, weil er kein gelernter Buchdrucker war u. s. w. Durch die Einführung der Gewerbefreiheit wurden der B. Kapitalien und Talente zugeführt und insbesondere die volle Ausnutzung der vielen Erfindungen und Fortschritte unsers Jahrhunderts auf allen technischen Gebieten ermöglicht. Eine Folge der Gewerbefreiheit war vor allem eine großartige Vermehrung der Buchdruckereien. Wäh- ^[folgende Seite]