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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchhandel

wiesen selbstverständlich viele Fehler auf, obgleich jene Sklaven, und besonders die griechischen unter ihnen, häufig wissenschaftliche Bildung besaßen. Dagegen ist bei einer solchen Massenproduktion leicht erklärlich, daß selbst Gelegenheitsschriften, wie Plinius (Epist. IV, 7) berichtet, in einer Auflage von 1000 Exemplaren verbreitet, und daß, als Augustus auf falsche Sibyllinische Bücher fahnden ließ, in Rom allein mehr als 2000 Abschriften weggenommen wurden.

Der Vertrieb erstreckte sich von Rom aus in die entferntesten Provinzen, wo in den größern Städten entweder Filialen der röm. Handlungen oder selbständige Geschäfte waren, die von Rom aus ihren Bedarf bezogen. In Rom selbst befanden sich die Buchläden (tabernae bibliopolarum) an den besuchtesten Plätzen, in den eigentlichen Geschäftsvierteln der Stadt. Die Gebrüder Sosius z.B., die Verleger des Horaz, hatten ihren Laden beim Janusdurchgang am Forum. Die Läden, welche nach der Anlage des röm. Hauses der Schallfenster entbehrten, waren dadurch kenntlich gemacht, daß an der Außenseite die Titel der Bücher in Plakatform angebracht waren, manchmal wurden auch zur Anlockung von Käufern Kästen voll Bücher auf die Straße gestellt. Bücherkäufer waren außer den zahlreichen Gelehrten und sonstigen Bücherfreunden eine Menge von öffentlichen Bibliotheken; in Rom sollen schließlich 28 gewesen sein, welche aber alle von der großen Alexandrinischen Bibliothek in Schatten gestellt wurden. Außer den vorhin genannten Sosius kennt man aus späterer Zeit die Verleger des Martial und Quintilian, die Händler Atrectus, Q. Valerianus Pollius, Secundus und Tryphon, welch letzterer Quintilian zur Herausgabe seiner «Institutiones oratoriae» veranlaßte. Martial berichtet einige Einzelheiten über Bücherpreise. Eine Sammlung Genien dieses Dichters wurde von Tryphon zu 4 Sesterzien (d. i. ungefähr 75 Pf.) verkauft, der Dichter meint aber, wenn sein Verleger das Buch um die Hälfte abgeben würde, könnte er auch noch ein Geschäft machen. Diese heute noch existierenden Genien nehmen in der Teubnerschen Ausgabe etwa 14 Oktavseiten ein; es dürfte die Herstellung eines solchen Buches damals kaum höher als auf 20 Pf. gekommen sein, was ungefähr dem doppelten heutigen Preise entsprechen würde. Ausgaben in schönerer Ausstattung waren selbstverständlich teurer. Als ein Beispiel hiervon wäre das erste Buch der Epigramme desselben Dichters anzuführen; dieses im heutigen Druck nahezu zwei Bogen starke Büchlein kostete teilweise mit Purpur geschrieben 5 Denare (3 M. 50 Pf.). Gesetzliche Bestimmungen gegen unberechtigte Vervielfältigung (Nachdruck im heutigen Sinne) finden sich, trotz des sonst stark ausgeprägten Rechtssinnes der Römer, nirgends erwähnt. Der Verleger, welcher ein Manuskript zur Verfügung erhielt, mußte deshalb darauf sehen, schnell so viel Abschriften in den Handel zu bringen, daß der voraussichtlichen Nachfrage genügt werden konnte und ihm ein entsprechender Gewinn verblieb. Honorar wurde nicht gezahlt. In den Briefen Quintilians an seinen Verleger Tryphon, in Ciceros Briefen, in den Epigrammen Martials fehlt jede Anspielung auf eine Honorarforderung. Der Schriftsteller war auf die Gunst der Großen und Reichen angewiesen.

Mit dem Zerfall des Römischen Reichs gingen auch die zahlreichen, durch Vermittelung der librarii (die eigentlichen Abschreiber) und bibliopolae (die Verkäufer, beide Ausdrücke wurden aber unterschiedslos für Buchhändler gebraucht) aufgestapelten Bücherschätze des Altertums zu Grunde und wenige nur sind auf uns gekommen, woran freilich auch die geringe Haltbarkeit des Materials, des Papyrus, der fast ausschließlich zu Büchern verwendet wurde, schuld gewesen sein wird. Der B. jedoch mag, wenn er auch nicht mehr in der frühern ausgedehnten Weise betrieben werden konnte, in Rom selbst niemals aufgehört haben; denn nur dort konnte, wenn überhaupt irgendwo in der damaligen gesitteten Welt, das Bedürfnis hierzu vorhanden sein. Im 6. Jahrh. findet man ihn in Gallien, und so wird er wohl auch, ohne Spuren seines Daseins zu hinterlassen, in Italien bis zum 13. Jahrh. bestanden haben, denn erst von hier ab ist er wieder urkundlich nachzuweisen. Von großer Bedeutung wird der B. in den ersten Zeiten des Mittelalters nicht gewesen sein; denn wenn auch in den Klöstern fleißig abgeschrieben wurde, so geschah dies doch mehr zum eigenen Bedarf oder zum Umtausch als für den Handel. Hemmend wirkte auch für die weitere Verbreitung von Handschriften der hohe Preis des Pergaments, und erst nach Erfindung des Linnenpapiers macht sich wieder ein regerer Verkehr bemerkbar. Den ersten Spuren desselben begegnet man an den ital. Universitäten, und zwar zuerst in Bologna 1259. Die stationary, welche, zum Universitätspersonal gehörig, Bücher, die bestimmt vorgeschrieben waren, zum Abschreiben verliehen, erhielten hierfür einen festgesetzten Betrag. Ferner nahmen sie den Nachlaß Verstorbener und die Bücher abgehender Studenten, auch die Bücher von Juden, denen direkter Handschriftenhandel untersagt war, in Verwahrung und vermittelten den Verkauf gegen eine bestimmte Provision. Der Käufer aber mußte bei seinem Weggange von der Universität die Bücher zu neuem Verkauf zurücklassen. Neben diesem auf Universitätsstädte beschränkten B. entwickelte sich in andern Städten, besonders in Mailand, Venedig und Florenz, ein lebhafter Bücherverkehr. Namentlich ist in letzterer Stadt ein ausgebildeter, vorzugsweise mit populären Artikeln betriebener B. zu Anfang des. 15. Jahrh. deutlich zu erkennen.

An der bedeutendsten Hochschule Frankreichs, in Paris, werden bereits 1323 die stationarii (Handschriftenverleiher) von den librarii (Handschriftenhändler) unterschieden, aber auch hier war durch strenge Vorschriften der Verkauf geregelt. Nebenher spielen aber auch die außerhalb des Universitätsverbandes stehenden Händler eine nicht unbedeutende Rolle. Schon 1170 wird zu Paris ein Buchhändler erwähnt, gegen Ende des 13. Jahrh. finden sich 8 libraires in der Steuerrolle aufgezeichnet und vom Anfang des 15. Jahrh. an, wo der Pariser B. sichtlich einen großen Aufschwung nahm, sind sie zahlreich aufzuweisen.

Auch in England befanden sich an den Universitäten stationarii, die aber nicht unter so peinlicher Aufsicht gestanden zu haben scheinen, da aus ihnen mit der Zeit wirkliche Buchhändler wurden. Deshalb ist auch hier der Name stationer für Buchhändler gebräuchlich geworden, später aber nur noch für die Schreibmaterialienhändler geblieben. Stationer’s Hall in London, die engl. Buchhändlerbörse, wo seit den Zeiten der Königin Elisabeth das Verzeichnis aller mit copyright versehenen Bücher geführt wird, ist noch jetzt den Buch- und Schreibmaterialien