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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchhandel

Händlern gemeinsam. Auch hier entwickelte sich der B. trotz der freien Stellung der stationarii weniger an den Universitäten als in London, wo bereits 1403 die stationers oder text-writers sich zu einer Gilde vereinigten.

In den Niederlanden beschränkte sich der B. auf schöne Gebetbücher mit Miniaturen und Initialen, denn wenn dort auch sehr viel geschrieben wurde, so waren es meistens auf Bestellung gefertigte Arbeiten für die Herzöge von Burgund oder von den Brüdern vom gemeinsamen Leben geschriebene Bücher, welche von diesen auch vertrieben wurden, sodaß ein eigener B. nicht aufkommen konnte.

In Deutschland finden sich ebenfalls in den Satzungen der Universitäten die stationarii, sie treten hier aber wenig hervor, denn es scheinen nicht nur hier die Studenten selbst mehr als anderswo geschrieben zu haben, sondern es wurde auch an einigen Universitäten den Lehrern gestattet, unter gewissen Bedingungen den Studenten Bücher zu diktieren. Ferner wurde in den Klöstern sehr viel, wenn auch nur zum eigenen Gebrauch abgeschrieben. Außerhalb des geistlichen Standes kam erst spät ein Lesebedürfnis auf. Als im 13. Jahrh. in einigen bedeutenden Städten der aufstrebende Bürgerstand seine eigenen Schulen errichtete, stieg der Bedarf an Büchern. In erster Linie sorgte der Schullehrer für die Befriedigung dieses Bedürfnisses, indem er die nötigen Schulbücher selbst anfertigte und verkaufte. Später ließ sich dieses Geschäft weiter ausdehnen, denn allmählich gab es schon einen recht zahlreichen Laienstand, der zur Unterhaltung lesen wollte. Einer dieser industriellen Schulmeister, der um die Mitte des 15. Jahrh. sein Geschäft als förmlicher Buchhändler betrieb, war Diebold Lauber in Hagenau. Von ihm sind mehrere Verzeichnisse seines Handschriftenlagers noch vorhanden und diese enthalten so viele Werke, daß angenommen werden muß, er sei nicht der alleinige Schreiber gewesen, sondern habe mehrere Personen beschäftigt. Sein Verlag war vorwiegend populärer Natur; außer verschiedenen Gedichten der mittelhochdeutschen Periode umfaßte er Reimbibeln, Andachts- und Arzneibücher, gemalte Wahrsagebücher, die Goldene Bulle und andere Rechtsbücher.

Aus diesem Handschriftenhandel ging nach Erfindung der Buchdruckerkunst (s. d.) der eigentliche B. hervor, doch blieb jener neben diesem noch eine Zeit lang bestehen, da die neue Erfindung nicht allen Bedürfnissen gleichmäßig entsprechen konnte, obgleich sie eine rasche und weite Verbreitung gewonnen hatte. In welchem Maße diese Kunst in der ersten Zeit ihres Bestehens wirkte, ist aus Hains "Repertorium typographicum" (4 Bde., Stuttg. 1826-38) zu ersehen, in welchem bis zum J. 1500 nicht weniger als 1213 Druckwerkstätten an 208 verschiedenen Orten mit 16 299 Werken aufgeführt sind. In der ersten Zeit waren die deutschen Buchdrucker zugleich meist die direkten Verkäufer der von ihnen herausgegebenen Werke an das Publikum auf Messen und Jahrmärkten, welche die natürlichen Mittelpunkte auch bereits für den Handschriftenhandel gewesen sein mochten. Aber sie beschränkten sich nicht auf ihr Vaterland, Fust und Schöffer waren nach Paris gegangen, um dort ihre Bibeln zu verwerten, und der unternehmendste und thätigste Verleger seiner Zeit, Antoni Koburger (s. d.) von Nürnberg (1472-1513), hatte in Paris, Lyon und Ofen Filialen seines ausgebreiteten Geschäfts errichtet.

In den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrh. tritt der Genossenschaftsbetrieb stark hervor: Vereinigung mehrerer Drucker zur Herstellung von Werken auf gemeinschaftliche Kosten; Beteiligung von Kaufleuten, Gelehrten u. s. w. durch Vorschuß von Geld oder Lieferung von Papier an die Drucker, und dann Verkauf auf gemeinschaftliche Rechnung. Auch der Verkauf ganzer Auflagen kommt vor, wie Partieverkauf. Gegen Ende desselben Jahrhunderts bildet sich auch bereits zwischen Verleger und Publikum ein Bindeglied aus, das die Vermittelung des Bücherverkehrs zum eigentlichen Geschäftszweig machte, nämlich der Buchführer oder Sortimentsbuchhändler (s. Sortimentsbuchhandel). Der Verkehr zwischen Verleger und Buchführer fand meist statt auf der Buchhändlermesse (s. d.), doch auch auf kleinern Messen und Märkten, wie Straßburg, Zurzach, Neisse, Peter-Paulsmesse in Naumburg, die lange wichtig war, Wittenberg, München, Innsbruck u. s. w. Unter den Meßplätzen nahm Frankfurt a. M. die erste Stelle ein; durch seine günstige Lage zum In- und Auslande war es besonders geeignet, den Mittelpunkt des Handels zu bilden. Es kann mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß schon die ersten Mainzer Drucker die Frankfurter Messe besucht haben, und bereits 1497 läßt sich daselbst der Besuch Venetianischer Verleger nachweisen. Fast gleichzeitig mit Frankfurt tauchte Leipzig als Meßplatz auf, doch machte sich schon von Anfang an ein Unterschied zwischen beiden bemerkbar; in Frankfurt verkehrten auch auswärtige Buchhändler, besonders Italiener, Franzosen und Niederländer, während die Leipziger Messen hauptsächlich von deutschen Händlern bezogen wurden. Frankfurt behauptete aber den Vorrang vor Leipzig bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Aus der Blütezeit der Frankfurter Büchermessen hat der berühmte Pariser Buchhändler Henri Etienne (Henricus Stephanus) in seinem "Francofordiensie emporium sive Francofordienses nundinae" (Frankf. 1574; neue Ausg., Par. 1875) eine überschwengliche Schilderung hinterlassen, in welcher er Frankfurt mit Athen vergleicht. Über den eigentlichen geschäftlichen Verkehr berichten andere Quellen, daß die einheimischen und fremden Händler innerhalb und in der Nähe der noch heute danach benannten Buchgasse eigene Gewölbe hatten, welche nur in den beiden Messen (Fasten- oder Ostermesse und Herbstmesse) geöffnet wurden. Die Käufe wurden entweder gegen bar oder noch häufiger in Rechnung bis zur nächsten Messe, ausnahmsweise auch länger, abgeschlossen. Tauschgeschäfte kamen in größerm Umfange erst später vor; diese Geschäftsweise und der hierfür übliche Ausdruck "verstechen" machte sich erst im 17. Jahrh. stärker geltend, zu einer Zeit, als das bare Geld knapp und überdies durch Kipper und Wipper so verschlechtert war, daß viele auswärtige Verleger lieber Bücher gegen Bücher einhandelten, als gutes Geld hinzulegen und für ihre Ware schlechte, kaum im eigenen Lande unterzubringende Münze zu erhalten. Bis gegen Ende des 18. Jahrh. blieb diese Art und Weise im deutschen Buchhandel üblich, in den übrigen Ländern bürgerte sie sich nicht ein. Um den die Messe nicht besuchenden Bücherfreunden Kenntnis von den neuen Erscheinungen der Litteratur zu geben, hatten schon früher manche Verleger und Buchführer Verzeichnisse ihres Lagers veröffentlicht, bis 1564 Georg Willer von Augsburg, einer der bedeutendsten Buch-^[folgende Seite]