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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Canada (Staat)

2) Das eigentliche C., noch übliche Bezeichnung für die jetzigen Provinzen Ontario (früher Ober- oder Westcanada) und Quebec (früher Unter-, Nieder- oder Ostcanada). Dieses Stammland des Dominion of C. ist im allgemeinen ein ausgedehntes Tiefland, das, mit Ausnahme der Halbinsel Gaspe zwischen dem Ästuar des St. Lorenz und der Chaleurbai, ganz zum Gebiet des genannten Stroms gehört. Eigentliche Bergzüge fehlen; nur niedrige Landrücken bilden die Wasserscheiden zwischen den sekundären Becken. Das Laurentische Gebirgsplateau, westlich von der Mündung des Mackenzie in das Eismeer beginnend, umzieht das Becken der Hudsonbai im weiten Bogen und trägt in seinem bis 500 m hohen südl. Teile auf dem linken Ufer des St. Lorenz Gipfel, die wie der 1372 m hohe Oxford bis 900 m über das Tafelland emporragen. An einigen Stellen des Südrandes, wie an der Nordküste der Georgianbai am Huronsee und am linken Ufer des St. Lorenz oberhalb Montreal, fällt das Plateau in wildzerrissenen Steilrändern ab und nimmt dabei Gebirgscharakter an. Mehr den Charakter eines wirklichen Gebirges tragen die zum Appalachensystem gehörenden Bergzüge der im Süden des St. Lorenz gelegenen Gebiete, die sich vom Vorgebirge Gaspe an der St. Lorenzmündung bis zum Grünen Gebirge im Staate Vermont hinziehen und in den Bergen von Notre-Dame oder Tschickschacks-Bergen bis 1150 m Höhe erreichen. Der ganze südl. Teil des Landes, etwa von Montreal ab aufwärts zu beiden Seiten des Stroms zu den Gestaden des Ontario-, Erie- und Huronsees, der einer großen Halbinsel gleicht, bildet eine unabsehbare Niederung, die durch einen kaum die Höhe von 107 m über den Huronsee erreichenden, von der Nottawasagabai aus um die Burlingtonbai nach dem Südufer des Ontario ziehenden und hier im Niagara die großen Stromfälle verursachenden Landrücken in zwei Teile geschieden ist.

Die Berge, welche die Wasserscheide zwischen dem St. Lorenz- und Hudsonbai-Gebiete bilden, sind an ihrem höchsten Punkte nur 465 m hoch. Im eigentlichen C. verbindet sich mit dem Mangel bedeutender Gebirge ein überraschender Reichtum an Wasser. Der Obere, Huron-, St. Clair-, Erie- und Ontariosee gehören C. zur Hälfte an. Unter die Nebenströme des St. Lorenz zählen an der Nordseite der Ottawa, St. Maurice, Batiscan, St. Anne, Jacques-Cartier und Saguenay, an der Südseite der Richelieu-Chambly, auch Sorel genannt, Abfluß des Champlainsees, Yamaska, St. Francis, Chaudière (mit malerischem Wasserfall unfern Quebec) und Etchemin. Der Restigouche bildet die Südostgrenze, (über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse s. die Artikel Quebec und Ontario.)

Vgl. Marshall, The Canadian Dominion (Lond. 1871); Gray, Confederation of C. (1872); Wiedersheim, C., Reisebeschreibung und Bericht über die dortigen land- und volkswirtschaftlichen Verhältnisse (Stuttg. 1882); Maritime provinces of Canada (Bost. 1883); A. Todd, Parliamentary Government in the British Colonies (Lond. 1880); Bourinot, Parliamentary Procedure and Parliament in C. (1884); Clapin, La France transatlantique (Par. 1885); Ritchie, To Canada with emigrants (Lond. 1885); Lemcke, C., das Land und seine Leute (Lpz. 1887); von Hesse-Wartegg, C. und Neu-Fundland (ebd. 1888); Bourinot, Federal Government in C. (Baltimore 1889); Statistical year book of C. for the year 1890 (Ottawa 1890); Dilke, Problems of Greater Britain (2 Bde., Lond. 1890); Roper, By Track and Trail; a journey through C. (ebd. 1890); C. as a field for emigration (Coventry 1891).

Die Geschichte C.s war bis 1867 die Geschichte der beiden jetzigen Provinzen Quebec (s. d.) und Ontario (s. d.). Nachdem zu Anfang des 16. Jahrh. der in franz. Diensten stehende Italiener Giovanni Verazzani das Land unter dem Namen Neufrankreich für König Franz I. in Besitz genommen, machte 1534 und 1535 Jacques Cartier aus St. Malo bedeutendere Entdeckungen. Samuel de Champlain errichtete Handelsposten an verschiedenen Punkten, entdeckte die Seen Champlain, Ontario und Nipissing und legte 3. Jan. 1608 Quebec an. In den Händen verschiedener Privatunternehmer kam die Kolonie nicht zu rechtem Gedeihen, bis Colbert 1674 die Verwaltung einem vom König ernannten Gouverneur, Rat und Richtern überwies. Im Süden grenzte an C. die franz. Kolonie Louisiana (s. d. und die Karte: Geschichtliche Entwicklung der Staaten Amerikas, Bd. 1, S. 516), und beide standen in schroffem Gegensatz zu den engl. Ansiedelungen. Während diese nämlich zum größten Teil von Puritanern und Republikanern bevölkert wurden, war die Besiedelung C.s das Werk monarchisch gesinnter Ritter und streng rechtgläubiger Franziskaner und Jesuiten. Frontenac (das heutige Kingston), Niagara, Duquesne (jetzt Pittsburgh), Detroit, Mackinaw, Vincennes im heutigen Indiana, Kaskaskia in Illinois, St. Louis in Missouri, Natchez, Neuorleans u. a. sollten, als eine Reihe fester Punkte, die engl. Besitzungen umzingeln und an die Küstenstriche bannen. Die Buchdruckerei wurde verboten, kein Ketzer geduldet, der Boden nach altfranz. Recht in Seigneurien an Kavaliere vergeben, welche die Gerichtsbarkeit übten, über alle Wasserkraft geboten, jedoch Mühlen bauen und gegen mäßige Rente (gewöhnlich 2 Sous den Morgen) Grundstücke an Erbpächter verleihen mußten. Die Priester errichteten Indianergemeinden und stifteten Klöster, in denen Unterricht erteilt und ein bedeutender Stand Gebildeter geschaffen wurde, die den Sinn für die Sprache und die Überlieferungen der Väter wach erhielten. Die von den Ufern der Loire stammenden Einwohner vererbten ihre Hufen von Geschlecht zu Geschlecht, und bei jeder Teilung wurden die Streifen schmäler, weil jeder Erbe an dem Fluß oder an der Landstraße wohnen wollte. So bildeten sich die langgestreckten Côtes, Häuserreihen, die von den unter ihnen stehenden, zum Teil prächtigen Kirchen die Heiligennamen führen. Diesen Typus hat Untercanada behalten.

In dem engl.-franz. Kolonialkrieg, der dem Siebenjährigen Krieg zur Seite ging, erlag C. (1759) mehr der Hungersnot und Erschöpfung als den engl. Waffen und ging im Frieden von Paris 10. Febr. 1763 an die brit. Krone über. Dem starrsten Altgallicismus setzte nun Georg III. den starrsten Toryismus entgegen. Während man die Befugnis der einseitigen Steuerauflage der Krone reformierte, wurden dagegen 17. Sept. 1764 die engl. Gesetze (die hochpeinlichen Verordnungen gegen alle Papisten und deren Unfähigkeit zu Ämtern) eingeführt, die höhern Staatsämter an Hofgünstlinge, die in England blieben und ihre Posten durch Schreiber verwalten ließen, verschleudert. Das engl. Kriminalrecht ist seither das herrschende geblieben. Daß die

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