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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Censorīnus; Censōrisch; Censūr; Censūrae ecclesiastĭcae; Census

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Censorinus – Census

den pflegte und im Unterschied von diesem zur Zeit der Republik nur einem einzigen zum zweitenmal verliehen worden ist. Die Censur wurde 443 v. Chr. im Zusammenhang mit der Einführung des Konsulartribunats von der konsularischen Amtsgewalt (nach Mommsen erst 435 v. Chr.) abgezweigt und als selbständiges Amt eingerichtet und zunächst den Patriciern vorbehalten, seit 350 aber auch den Plebejern eröffnet. Nach Untergang der Republik erlosch die Censur allmählich, insoweit nicht die Kaiser ihre Funktionen, anfangs zum Teil noch unter dem Titel von C., ausübten. – Vgl. de Boor, Fasti censorii (Berl. 1873).

Censorīnus, ein röm. Grammatiker, verfaßte, außer andern verlorenen grammatischen Schriften, um 238 n. Chr. eine Abhandlung «De die natali», deren Stoff größtenteils, wenn auch in der Hauptsache nur mittelbar, aus ältern Schriften, insbesondere Varros Werken herstammt. Die Schrift ist für die Kenntnis der Chronologie der Alten und der Fragen ihres Kalenders von Wert und bietet auch viele andere brauchbare Notizen. Die erste kritische Ausgabe besorgte O. Jahn (Berl. 1845), neuere Hultsch (Lpz. 1867) und Cholodniak (Petersb. 1889).

Censōrisch, zur Würde, zum Amt der Censoren (s. d.) gehörig.

Censūr (lat. censūra), Prüfung, Beurteilung, besonders eines Menschen und seiner Handlungsweise. Der Ausdruck C. wird darum auch von dem Urteile einer Prüfungsbehörde über die Kenntnisse und Leistungen eines Examinierten und auch als Bezeichnung für Kirchenstrafen (s. Censurae ecclesiasticae) gebraucht. Bei den Römern übten eigene Magistrate (Censoren, s. d.) eine Aufsicht über die Sitten aus. In den neuern Zeiten wird aber bei jenem Worte hauptsächlich an die Büchercensur gedacht, eine Einrichtung, welche mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und aus Anlaß der durch die letztere unterstützten kirchlichen Reformbewegungen begann. In Deutschland bestellte zuerst Kurfürst Berthold von Mainz 1486 eine C. in seiner Diöcese. Es sind dann, um die Verbreitung ketzerischer Schriften zu hindern, eine Anzahl päpstl. Anordnungen, im 16. Jahrh. auch deutsche Reichsgesetze zur Überwachung der Buchdruckereien ergangen, namentlich die Polizeiordnung von 1577, nach welcher nichts im Drucke ausgehen sollte, was nicht vorher durch die ordentliche Obrigkeit eines jeden Ortes oder die dazu Verordneten besichtigt und der Lehre der christl. Kirche, desgleichen den aufgerichteten Reichsabschieden gemäß befunden und zugelassen sei. Noch schärfere Maßregeln wußte die Hierarchie in den Niederlanden, Italien, Spanien und später in Frankreich durchzuführen. Das Tridentinische Konzil verbot den Druck und das Lesen antikath. Schriften und begann den Index librorum prohibitorum, dessen Fortsetzung seit 1563 der päpstl. Kurie verblieb. Zur Überwachung der Litteratur besteht die besondere Congregatio indicis im Kardinalskollegium. (S. Index.) Noch gegenwärtig ist für die kath.-religiösen Schriften das geistliche Approbatur erforderlich.

Bereits im 16. Jahrh. ward die C. auch politischen Zwecken dienstbar gemacht. Doch erhob sich bald in der öffentlichen Meinung ein Rückschlag gegen dieselbe, der allmählich, freilich zum Teil erst sehr spät, zu ihrer Aufhebung führte. In England erlosch die C. seit 1694. In Schweden wurde sie schon 1766 einmal abgeschafft, aber bald wieder erneuert und erst 1809 definitiv beseitigt. In Dänemark gab es eine eigentliche C. schon 1770 nicht mehr. In Frankreich ward sie durch die Konstitution von 1791 abgeschafft. 1805 wiederhergestellt, 1814 wieder aufgehoben, dann abwechselnd hergestellt und abgeschafft, bis sie seit 1827, wenigstens der Form nach, nicht wieder erschien. Sehr entschieden verwirft die C. die belg. Verfassung von 1831, Art. 18; ähnlich die norweg. Verfassung, §. 100. In Rußland besteht sie noch in sehr ausgedehntem Maße. Im alten Deutschen Reiche bestand ein kaiserl. Bücherkommissariat in Frankfurt a. M., und die Kaiser gelobten in den Wahlkapitulationen die Handhabung der C.; allein die Schwäche der Centralgewalt machte diese C. ziemlich unwirksam. In den einzelnen deutschen Ländern bestand meist, obschon nicht überall, eine C., die aber in sehr verschiedenartiger Weise gehandhabt wurde. Der Bundesbeschluß vom 20. Sept. 1819 führte in ganz Deutschland für alle Schriften unter 20 Bogen eine vorgängige C. obligatorisch ein; das Jahr 1848 machte ihr indes in Deutschland gänzlich ein Ende. In Preußen wurde die C. verboten durch Art. 27, Abs. 2 der Verfassung vom 31. Jan. 1850; jetzt unterliegt die Presse der Reichsgesetzgebung (Reichsverf. Art. 4, Z. 16), welche deren Verhältnisse im Sinne fast uneingeschränkter Preßfreiheit durch Gesetz vom 7. Mai 1874 ordnete; nur durch das sog. Socialistengesetz erfolgte vorübergehend eine Beschränkung. Von Seiten der kath. Kirche werden die durch den Index aufgestellten Bücherverbote soviel als möglich mit innerkirchlichen Mitteln aufrecht erhalten. – Nach der Deutschen Gewerbeordnung §§. 32, 33a, 33b, 55, Z. 4 ist eine Theatercensur (s. d.) statthaft. (S. Presse und Preßgesetzgebung.)

Censūrae ecclesiastĭcae (lat., auch poenae medicinales), diejenigen kirchlichen Strafen, welche lediglich die Besserung des Schuldigen – im Gegensatz zu den eigentlichen poenae – zum Zweck haben und demnach bei Erreichung dieses Ziels wieder aufgehoben werden. Man teilt die C. e. in latae und ferendae sententiae, je nachdem der Schuldige durch Begehen des unter diese Strafe gestellten Delikts ohne weiteres sich die C. e. zuzieht, oder es noch eines erkennenden Richterspruchs bedarf. Zu den C. e. werden gerechnet: die Große und Kleine Exkommunikation, das Interdikt und die Suspension der Geistlichen. Die moderne Gesetzgebung Deutschlands hat in Preußen, Baden, Hessen, Sachsen den Gebrauch kirchlicher Strafmittel beschränkt, indem in der Regel Strafen, die sich gegen Leib, Vermögen, Freiheit oder bürgerliche Ehre richten, verboten und nur solche C. e. gestattet sind, welche dem rein religiösen Gebiete angehören oder die Entziehung eines innerhalb der Kirche oder Religionsgesellschaft wirkenden Rechtes oder die Ausschließung aus derselben betreffen. (Vgl. das preuß. Gesetz vom 13. Mai 1873 und Gesetz vom 29. April 1887.) Öffentliche Verkündigung verhängter C. e. ist gestattet, darf sich aber nicht gegen die bürgerliche Ehre richten. Die Censurae latae sententiae sind zuletzt durch die Konstitution Pius’ Ⅸ. Apostolicae sedis im J. 1869 fixiert worden. (S. auch Kirchenzucht.)

Census hieß bei den Römern die ursprünglich alle 5 Jahre durch die Konsuln, dann durch die Censoren (s. d.) vorzunehmende Schätzung der Bürger nach ihrem Vermögen. Eingeführt wurde der C. nach der Überlieferung durch den König Servius Tullius (s. d.), der, wie in ähnlicher Weise Solon für Athen, 577 v. Chr. die Anordnung getroffen haben soll, daß alle Bürger in der Stadt und auf

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