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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Census hereditarĭus; Cent

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Census hereditarius – Cent (Geldrechnungsstufe und Münze)

dem Lande ihr Vermögen, die Anzahl ihrer Kinder, Sklaven u. s. w. eidlich angeben mußten, worauf unter Zugrundelegung dieser Angaben die Einreihung der Bürger in fünf Klassen, die wieder in Centurien (s. d.) zerfielen, vor sich ging. In der Königszeit und in der ältern Zeit der Republik fand die Abschätzung ausschließlich nach der Größe des Grundbesitzes statt. Erst später, nach Mommsen durch den Censor Appius Claudius, ward eine Berechnung des gesamten Vermögens in Geld zu Grunde gelegt und zwar in schweren Assen, die ein Pfund Erz in Münze darstellen sollten. Die überlieferten Summen müssen aber die des leichtern Asses sein, welches mit den silbernen Sesterzen und Denaren in ein solches Verhältnis gesetzt war, daß 10 Asse den Wert eines Denars hatten. Die erste Klasse umfaßte nunmehr in 80 Centurien diejenigen, deren Vermögen wenigstens 100000 Asse (= etwa 7000 M.) betrug. Für die zweite, dritte und vierte Klasse mit je 20 Centurien wurden 75000, 50000, 25000, und für die fünfte mit 28 Centurien wurden 12000 Asse Vermögen erfordert. Eine besondere Stellung nahmen die Ritter ein (s. Eques). Die sieben untersten Centurien waren ebenfalls keiner Klasse zugewiesen. Nach der Klasseneinteilung ward die Kriegspflicht, die Steuer und die polit. Berechtigung der Bürger, namentlich bei Wahlen und Volksversammlungen (s. Komitien), geregelt. Diejenigen (abgesehen von den Rittern), die in keine Klasse aufgenommen waren, hatten die Kriegspflicht, besaßen aber kein Wahlrecht (s. Capite censi).

Die Rücksicht auf das Vermögen bei Zuteilung von öffentlichen Rechten liegt auch dem C. im neuern Sinne zu Grunde. Man sagt nämlich, das Wahlrecht sei an einen C. gebunden, wenn zur Ausübung desselben die Nachweisung eines bestimmten Vermögens oder Einkommens, wie in England, oder, was in Deutschland gewöhnlicher, die eines bestimmten Steuerbetrags oder des Minimums irgend einer direkten Steuer erforderlich ist. Die Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung ist vielfach angezweifelt worden, namentlich in Frankreich unter der Regierung Ludwig Philipps, wo erst ein Steuerbeitrag von wenigstens 200 Frs. die aktive, von 500 die passive Wahlfähigkeit verlieh, sodaß von 30 Mill. Franzosen nur 180000 zu den wirklichen Vollbürgern zählten. Allerdings ist das Interesse am Staate als Pflicht aller zugleich ein Recht aller, der Reichtum an sich aber keine Bürgschaft besserer Einsicht und eines höhern Patriotismus. Gerade in Frankreich sprechen aber die Erfahrungen, welche man seit 1848 nach Aufhebung des C. mit dem allgemeinen Stimmrecht machte, für die Notwendigkeit, dem abhängigen, in seiner Verwilderung unberechenbaren Proletariat keinen direkten Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten zu verstatten. Die franz. Verfassung von 1875 hat zwar für die Abgeordnetenkammer das allgemeine Stimmrecht beibehalten, die Wirkungen desselben jedoch nicht bloß durch den Zusatz «nach Maßgabe des Wahlgesetzes», sondern auch durch die Einrichtung eines «Senats» neben dem Abgeordnetenhause abzuschwächen gesucht. Selbst in Nordamerika hat das allgemeine Stimmrecht nicht durchweg Anerkennung gefunden, indem wenigstens die Verfassungen einiger Staaten die Ausübung aller polit. Rechte von einem wenn auch sehr niedrigen C. abhängig machen. (S. Wahl.) Dagegen ist in der Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 20 fg., und in dem Wahlgesetze dazu vom 31. Mai 1869 für den Deutschen Reichstag das allgemeine Stimmrecht ohne allen und jeden C. zur Anerkennung gelangt und es liegt, abgesehen von der Stellung des Bundesrats, in dem zum aktiven und passiven Wahlrecht erforderlichen Alter von 25 Jahren und in der Diätenlosigkeit der Abgeordneten keine irgend genügende Ausgleichung. Das Wahlsystem zum preuß. Landtage, das sog. Dreiklassenwahlsystem, beruht ganz auf dem C., indem in jedem Wahlbezirke diejenigen Personen, welche ein Drittel der Personalsteuern des Bezirkes aufbringen, ein Drittel der Wahlmänner, diejenigen, welche das zweite Drittel aufbringen, abermals ein Drittel und endlich der gesamte Rest das dritte Drittel der Wahlmänner wählt. Daß dieses System nach verschiedenen Richtungen eine ungeheure Ungerechtigkeit und ein ganz beklagenswertes Privileg des Geldes enthält, ist nicht zu leugnen; alle Versuche, eine Änderung herbeizuführen, blieben jedoch bis jetzt vergeblich, da die meisten Wahlsysteme an ebenso schweren oder noch schwerern Mängeln leiden. Eine Art von C. der Intelligenz ist im Wahlsystem von Stuart Mill enthalten.

In England und Nordamerika ist C. auch die offizielle Bezeichnung der alle 10 Jahre stattfindenden allgemeinen Volkszählung (s. d.).

Census hereditarĭus, s. Abschoß; census immigratīonis, s. Anzugsgeld.

Cent (mittellat. centena, von centum, «hundert»), Hundertschaft. Die staatsrechtliche Einheit der alten Germanen bildeten die Völkerschaften (civitates). Diese zerfielen in Gaue (s. d.) und letztere wieder in Hundertschaften oder C., welche sich aus einem Verband von 100 oder 120 (german. Großhundert) Familien, also einer erweiterten Sippe entwickelt haben dürften, woher der Name. Die C. war ein Verband, der als Markgenossenschaft die agrarischen Angelegenheiten besorgte, hauptsächlich aber den Zwecken des Heerwesens und der Rechtspflege diente. Nach der Völkerwanderung war die Hundertschaft aus einem persönlichen Verbande ein räumlicher Bezirk geworden. Unter König Childebert Ⅰ. und Chlothar Ⅰ. wurde aus den Freien der Hundertschaft eine Centschar (centenarii) zur Verfolgung von Dieben und Räubern ausgehoben. Auch für die karolingische Gerichtsverfassung blieb die C. Gerichtssprengel. An der Spitze der C. stand, nachdem der früher vom Volke gewählte Vorsteher (thunginus) verschwunden war, der Centgraf (Schultheiß, centenarius), welcher dem dem echten Ding Vorsitzenden Grafen zur Seite stand und mit der gerichtlichen Exekution und Eintreibung der fiskalischen Gefälle betraut war, während er im gebotenen Ding selbst den Vorsitz führte. Als die alte Gauverfassung gefallen war (s. Gau), wurden in einem Teile Deutschlands die Landgerichte Gerichte für die vornehmern Bevölkerungsklassen, die Centgerichte dagegen blieben Niedergerichte, Gerichte für die bäuerliche Bevölkerung. Hohe C. hieß der Blutbann, die Kriminalgerichtsbarkeit. Die Landesherren verliehen nun diese einzelnen Patrimonialgerichten, und man nannte ein solches mit der Kriminalgerichtsbarkeit ausgestattetes gutsherrliches Gericht auch eine C. oder ein Centgericht. Demnach war Centherr der Besitzer eines solchen Guts und Centrichter der, welcher die Gerichtsbarkeit verwaltete. – Über die angelsächsische Hundertschaft s. Hundred.

Cent (vom lat. centum), d. i. Hundertstel, Geldrechnungsstufe und Münze in den Niederlanden, den

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