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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Charta indentata – Chartismus

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Charta'

fassung eintraten, diese mit dem Ausdruck Charte bezeichneten. Die radikale Partei in England nannte ihr Programm «Volkscharte», daher der Ausdruck Chartisten. (S. Chartismus.)

Charta indentata, s. Charta partita.

Charta partita (lat.), eine im Mittelalter, als die Siegel noch selten waren, besonders in England gebräuchliche «geteilte Urkunde». Jede Partei erhielt ein gleichlautendes Exemplar (Charta paricola) der Urkunde, sämtliche Exemplare aber waren ursprünglich auf ein Blatt geschrieben, an dessen oberstem Teil ein Wort oder ein Denkspruch stand. Beim Abschneiden der einzelnen Exemplare wurde auch das Wort oder der Spruch in gerader oder gewundener Linie (im letztern Fall Charta indentata genannt) durchschnitten. Die Echtheit der Urkunde wurde dadurch bezeugt, daß bei späterer Aneinanderfügung der Teile auch die Teile des Wortes oder Spruches passen mußten.

Charte (frz., spr. scharrt), s. Charta.

Chartepartie (frz., spr. scharrtpartih) oder Certepartie (von charta partita, s. d.; ital. carta partita; franz. auch police d’affrétement; engl. charter party oder memorandum for charter), an sich die schriftliche Vertragsurkunde, welche über die Befrachtung eines ganzen Schiffs oder eines Teiles desselben zwischen dem Eigentümer des Schiffs oder dem Schiffer als seinen Vertreter und dem Befrachter errichtet wird. Der Ausdruck dient sodann allgemein auch zur Bezeichnung des Vertrags selbst, des Chartervertrags. Nach den ältern Seegesetzen wurde meistens die Errichtung einer C. für jeden Chartervertrag verlangt, über ihren Inhalt gab es besondere Vorschriften nicht. Die wesentlichen Erfordernisse einer C. deckten sich vielmehr mit denjenigen des Frachtvertrags überhaupt. Meistens pflegte sie zu enthalten den Namen und die Größe des Schiffs, den Namen des Schiffers, des Befrachters, des Verfrachters, Ort und Zeit zum Laden und Löschen, sowie die Liegetage, Frachtbestimmung nebst den Zahlungsterminen, Bestimmung, ob die Befrachtung das ganze Schiff oder einen Teil desselben betrifft, Bestimmung der Entschädigung für den Fall von Verzögerungen u. s. w. Nach heutigem deutschen Seerecht ist die Errichtung einer C. nicht mehr gesetzliche Vorschrift. Doch kann bei der Verfrachtung des Schiffs im ganzen oder eines verhältnismäßigen Teils oder bestimmt bezeichneten Raums desselben jede Partei verlangen, daß über den Vertrag eine C. errichtet werde (Deutsches Handelsgesetzbuch Art. 558). Auch das engl., finländ., belg. Seerecht verlangen nicht Schriftlichkeit als Erfordernis des Chartervertrags. Andere Seerechte dagegen, z. B. das französische, holländische, spanische, haben das Gebot der Schriftlichkeit beibehalten. Die Frage, ob die Schriftlichkeit mit der Rechtsfolge geboten sei, daß in Ermangelung derselben der Vertrag als nichtig anzusehen, ist in der Praxis meistens verneint worden.

Charterhouse School (spr. tschart’rhaus skuhl), eine der großen engl. Public Schools (s. d.), begründet 1609 von Thomas Sutton, bis zum J. 1872 in der City von London befindlich, dann nach Godalming in der Grafschaft Surrey verlegt. Mit der Schule in Verbindung stand früher ein Stift für Männer, das von Thackeray in seinen «Newcomes» unter dem Namen «Grey Friars» beschrieben wird. Thackeray war selbst ein Zögling von C. S. Wie in allen engl. öffentlichen Schulen der gleichen Gattung, sind den ältern Lehrern Häuser zur ↔ Aufnahme von Schülern zugeteilt. C. S. hat 11 derartige Häuser, unter denen 7 mehr als je 50 Schüler beherbergen können. Hauptgewicht wird auf die klassischen Sprachen gelegt, doch hat die Schule eine besondere «Army Class» für Schüler, die später in eine der Offiziersschulen eintreten wollen, die namentlich von Kandidaten für die Woolwich Academy (die militärisch organisierte Schule, deren Besuch für zukünftige Artillerie- und Genieoffiziere obligatorisch ist) benutzt wird. Das Motto, das der Stifter der Schule gegeben hat, ist: «Deo Dante Dedi» («Durch Gottes Gabe gab ich»). – Vgl. W. H. Brown, Charterhouse, past and present (Lond. 1879); s. ferner Litteraturübersicht unter Public Schools.

Chartern (engl., spr. tschar-), ein Schiff mieten.

Charters Towers (spr. tschárters tauers), Stadt in der brit.-austral. Kolonie Queensland, etwa 20° südl. Br., ist mit dem etwa 140 km nordöstlich gelegenen Hafen Townsville sowie mit dem Innern durch Eisenbahn verbunden, hat (1891) 4597 E. (davon etwa 400 Chinesen), mit dem dazugehörigen Distrikt (1881) 13362 E. und sehr bedeutende Goldfelder in der Umgebung.

Chartervertrag (spr. tschar-), s. Chartepartie.

Chartier (spr. scharrtĭeh), Alain, franz. Dichter, geb. um 1390 zu Bayeux, gest. 1430 oder 1433, studierte in Paris und wurde Sekretär Karls VII. In seiner Jugend dichtete er in der allegorisierenden, spitzfindigen und doch nüchternen Weise seiner Zeit die «Deux fortunés», das moralisierende, romanartige «Livre des quatre Dames», das «Lay de la belle Dame sans mercy» u. a. Später brachte er in Prosa und Versen seine moralischen Überzeugungen, seine Lebensweisheit und patriotische Gesinnung zum Ausdruck, bewies in korrekten aber eintönigen Balladen und Lays, wie in dem «Lay de Paix» (um 1425) und der «Ballade de fougères» (1448) warme Liebe zum Vaterlande und erscheint in der Prosaschrift «Le Curial», einer Schilderung des Hoflebens, als lebenserfahrener Sittenlehrer. Von Prosawerken ist ein Brief über die Jungfrau von Orléans hervorzuheben. Mit Unrecht wird ihm ein Geschichtswerk über Karl VII. zugeschrieben. Bis ins 16. Jahrh. galt C. als klassischer Dichter und als Begründer der franz. Beredsamkeit. Seine Werke wurden von Duchesne herausgegeben (Par. 1617). – Vgl. Delaunay, Étude sur C. (Par. 1876); Joret-Desclosières, Un écrivain national au XVe siècle, A. C. (ebd. 1876).

Chartismus (spr. tschar-), Bezeichnung für eine sociale Bewegung in England. Die Erweiterung des Wahlrechts durch die Reform Act von 1832 erwies sich als eine Maßregel, welche die Interessen der Mittelklassen in den Vordergrund brachte, aber die untern Schichten der Bevölkerung bitter enttäuschte. Das Gefühl der Enttäuschung erreichte seinen Höhepunkt, als 1838 Lord John Russell erklärte, die Reformbewegung sei jetzt weit genug gegangen. Am Tage nach dieser Erklärung trat eine aus wenigen Parlamentsmitgliedern und den Vertretern der Arbeitervereine bestehende Versammlung zusammen, welche ein Programm entwarf, das von dem berühmten O’Connell als der Freibrief des Volks (the People’s Charter; daher der Name C.) bezeichnet wurde und folgende sechs Hauptpunkte enthielt:

  • 1) Allgemeines Stimmrecht,
  • 2) geheime Abstimmung (ballot),
  • 3) Aufhebung des passiven Wahlcensus,
  • 4) gleichmäßige Wahlbezirke,
  • 5) jährliche Neuwahl des Unterhauses,

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 115.

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