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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Chlor

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Chlor

rief. C. focht bei Smolensk und wurde in der Schlacht an der Moskwa schwer verwundet. Nach seiner Herstellung folgte er zunächst wieder Napoleon, nahm aber infolge einer Zurücksetzung seinen Abschied und lebte zu Paris, als die Verbündeten einzogen. Er kehrte 1814 nach Polen zurück und ward vom Kaiser Alexander Ⅰ. zum Divisionsgeneral ernannt. Der Großfürst Konstantin beleidigte ihn jedoch bei einer Heerschau, und er nahm deshalb wieder den Abschied. Als die Revolution zu Warschau 1830 zum Ausbruch kam, hielt er sich zunächst zurück, trat indes später dem Administrationsrate bei und übernahm 5. Dez. die Diktatur. Sein Hauptbestreben ging dahin, der Anarchie entgegenzuwirken und eine Vermittelung mit dem Kaiser herbeizuführen. Seine Strenge fand jedoch bald lauten Tadel, und da er seinen Zweifel am Siege der Revolution kaum verhehlte, so beschloß der Patriotische Verein, ihn zur Rechenschaft zuziehen. Dies bewog C., 23. Jan. 1831 die Diktatur niederzulegen; er trat aber zu Anfang Februar als Soldat in die Reihen der Kämpfer. In der Schlacht bei Wawre am 19., bei Grochow 20. Febr. unterstützte er den Befehlshaber durch seine Kriegserfahrung und wurde durch eine Granate schwer verwundet. Nach Beendigung der Revolution lebte er in Krakau und starb dort 1854.

Chlor (chem. Zeichen Cl, Atomgewicht = 35,5), ein zu den Halogenen oder Salzbildnern gehörendes Element. Es wurde 1774 von Scheele entdeckt und nach damaliger Anschauung für von Phlogiston befreite Salzsäure betrachtet; Humphry Davy wies ihm 1810 seine Stellung unter den Elementen zu und nannte es Chlorine. Im freien Zustande kommt C. in der Natur niemals vor, dagegen in großer Menge mit Metallen verbunden, so namentlich als Chlornatrium im Steinsalz, im Meerwasser, in größerer oder geringerer Menge in allen Wasserläufen und Quellen, in allen Ackererden, in allen Pflanzen und Tieren; ferner als Chlorkalium im Sylvin, im Carnallit und in andern Mineralien. Man stellt das C. stets dar durch Oxydation der Chlorwasserstoffsäure oder Salzsäure:

2 HCl + O = 2 Cl + H₂O.

Dieser Prozeß ist jedoch direkt nicht durchführbar, sondern nur durch Vermittelung eines andern Körpers, der als Überträger des Sauerstoffs an die Chlorwasserstoffsäure wirkt. Als solchen benutzt man meist das Mangansuperoxyd (Braunstein), MnO₂. Übergießt man dieses mit konzentrierter Salzsäure und erwärmt, so wird unter Bildung von Manganchlorür und Wasser C. frei:

MnO₂ + 4 HCl = MnCl₂ + Cl₂ + 2 H₂O.

Auf gleiche Weise wie Mangansuperoxyd verhalten sich viele andere hochoxydierte Körper, so Bleisuperoxyd, Kobaltoxyd, Chromsäure, Salpetersäure. Im chem. Laboratorium wie in der Technik benutzt man fast ausschließlich den Braunstein zur Entwicklung des C. Bei der Darstellung im Kleinen füllt man einen Glaskolben bis zum Halse mit erbsengroßen Körnern von Braunstein, gießt so viel konzentrierte Salzsäure hinzu, daß der freie Raum des Kolbens nur etwa zur Hälfte davon erfüllt ist, und erwärmt sehr gelinde. Das entweichende Chlorgas wird durch ein Glasrohr zunächst in eine Waschflasche geleitet, um es möglichst von abgedunsteter Salzsäure zu befreien, und dann im pneumatischen Apparat über warmem Wasser gesammelt; über Quecksilber kann man es nicht auffangen, da es sich mit diesem chemisch verbindet. Will man das Gas ganz rein haben, so ist es, nachdem es in Wasser gewaschen ist, noch durch ein mit Braunstein gefülltes, zum schwachen Glühen erhitztes Rohr zu leiten, da es nur auf diese Weise gelingt, die letzten Reste von Salzsäure zu entfernen. Behufs bequemer Entwicklung kleinerer Mengen von Chlorgas zersetzt man Chlorkalk, der durch Mengen mit Gips oder durch einfaches Pressen zu festen Stücken geformt ist, im Kippschen Apparat mit Salzsäure:

CaOCl₂ + 2 HCl = CaCl₂ + H₂O + Cl₂.

Das C. ist ein Gas von grüngelber Farbe, von heftig reizendem, erstickendem Geruch; vor der Einatmung desselben ist dringend zu warnen, da es die zerstörendsten Wirkungen auf die Lungen ausübt. Die Gasdichte ist = 2,45, beträgt aber oberhalb 1250° nur noch 1,63; man muß daher annehmen, daß bei dieser Temperatur ein Teil der aus zwei Atomen bestehenden Moleküle des C. in einzelne Atome zerfallen ist. Durch Kälte oder starken Druck läßt sich C. zu einer grüngelben Flüssigkeit verdichten, welche bei -33,6° C. siedet und bei -102° fest wird. Es wird von Wasser absorbiert; die wässerige Lösung ist das Chlorwasser, Aqua chlorata (Chlorum solutum) der Pharmakopöe. Das Chlorwasser ist an einem kühlen Orte im Dunkeln aufzubewahren, da es sich im Lichte unter Bildung von Salzsäure zersetzt. Bei 0° scheidet sich aus dem Chlorwasser eine Verbindung mit Wasser, das sog. Chlorhydrat, von der Zusammensetzung Cl₂ + 10 H₂O (nach Bakhuis-Roseboom mit nur 8 H₂O), in krystallinischer Form ab.

Das C. hat eine außerordentlich große Affinität zu den meisten andern Elementen; bei gewöhnlicher Temperatur verbindet es sich unter Feuererscheinung mit Antimon, Phosphor, Bor, Silicium, Kalium, Zink und Zinn, wenn diese in fein verteiltem Zustande in das Gas gebracht werden; andere Metalle, wie Kupfer, verbrennen, wenn sie warm in C. eingeführt werden. Gleiche Volume C. und Wasserstoff, im Dunkeln gemischt, bleiben unverändert, sobald aber ein Sonnenstrahl oder unter Umständen schon zerstreutes Tageslicht das Gemisch trifft, tritt heftige, gefährliche Explosion unter Bildung von Chlorwasserstoff ein. Eine Mischung von Kohlenwasserstoffgas und C. verbrennt beim Entzünden unter Bildung einer schwarzen Rauchwolke von abgeschiedenem Kohlenstoff, ebenso verbrennt eine entzündete Kerze in Chlorgas unter Bildung von Ruß, indem der Wasserstoff sich mit C. verbindet und Kohlenstoff frei wird. Wegen seiner großen Affinität zum Wasserstoff kann C. bei Gegenwart von Wasser als starkes Oxydationsmittel wirken, indem der Sauerstoff des Wassers dabei auf den oxydierbaren Körper übertragen wird, z. B.:

H₂SO₃ + H₂O + 2 Cl = H₂SO₄ + 2 HCl.

Alle Brom-, Jod-, Schwefelverbindungen der Metalle werden von C. teils schon bei gewöhnlicher Temperatur, teils beim Erhitzen zersetzt. Mit einzelnen organischen Körpern vereint sich C. direkt, meist erfolgt die Einwirkung so, daß ein Chlormolekül dabei in Reaktion tritt, wobei ein Chloratom sich mit einem Wasserstoffatom vereint, dieses der Verbindung entziehend, während das zweite Chloratom an dessen Stelle tritt, wodurch eine Menge von Chlorsubstitutionsprodukten gebildet werden können, z. B. CH₄ + Cl₂ = CH₃Cl + HCl. Die Zerstörung von Farbstoffen, der das C. seine Ver- ^[folgende Seite]

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