Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

271

Chrië - Christ

den "Chroniques anglonormandes", Bd. 3, Rouen 1840), wovon Keller in den "Altfranz. Sagen" (2 Bde., Tüb. 1839-40) eine deutsche Bearbeitung gegeben hat. Auf letzterer beruht O. Schönhuths "Historie von König Wilhelm und seinen Söhnen" (Reutl. 1852). Nicht nur in stofflicher, sondern auch in formeller Hinsicht ist C. der erste unter den nordfranz. Trouvères; seine Sprache und sein Versbau wurden von seinen Fachgenossen als Muster aufgestellt, Episoden, Motive, Situationen, Charaktere und Wendungen wurden von Dichtern des Artussagenkreises und von Verfassern von Abenteuerromanen ihm bis ans Ende des 13. Jahrh. entlehnt; er darf als Begründer des höfischen Erzählerstils des Mittelalters betrachtet werden. - Vgl. Holland, Chrestien von Troies. Eine litteraturgeschichtliche Untersuchung (Tüb. 1854); Potvin, Bibliographie de C (Brüss. 1863).

Chrië (grch. chreia; d. h. Gebrauch, Anwendung) heißt die Behandlung eines philos. oder schriftstellerischen Ausspruchs oder einer Thatsache nach gegebenen Gesichtspunkten. Die Zahl der letztern stellte der Rhetor Aphthonius (s. d.) fest auf 8: 1) dictum vel factum cum laude auctoris (Thema mit rühmender Erwähnung dessen, dessen Ausspruch oder Handlung vorliegt), 2) paraphrasis (Erklärung), 3) aetiologia (Begründung), 4) contrarium (Gegensatz), 5) simile (Vergleich), 6) exemplum (Beispiel), 7) testimonium (Beleg), 8) conclusio (Schluß). Von dieser aphthonianischen C. unterscheidet man die freiere, ciceronische mit weniger Gesichtspunkten in beliebiger Ordnung. Auch der bekannte Schulhexameter "quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando" ("wer, was, wo, mit welchen Hilfsmitteln, warum, wie, wann") ist als Anleitung zu chrienmäßiger Behandlung eines Themas gedacht. Die Form der C., insbesondere der aphthonianischen, hat lange die Schulübungen beherrscht und bildete schon im Altertum einen wesentlichen Teil der Vorübungen (Progymnasmata) für die Einführung in die Redekunst.

Chriemhild, s. Kriemhild.

Chrisam, soviel wie Chrisma (s. d.).

Chrischona-Pilgermissionsanstalt, 1840 von Fr. Spittler in dem verfallenen Chrischonakirchlein bei Basel ursprünglich als Vorschule für die Baseler Mission gegründet, sendete bald selbständig Missionare aus, besonders in der Richtung der sog. "Apostelstraße" von Alexandria nach Abessinien und bis Chartum. In neuerer Zeit hat die C. die Auslandsmission ganz aufgegeben und sich der Innern Mission zugewendet, für die sie Laienprediger ausbildet, die als "Evangelisten" in der Schweiz und Deutschland verwendet werden. 1855 entstand die "freiwillige Zwangsarbeitsanstalt" für Heilung suchende Trunksüchtige und 1866 befand sich eine Anzahl von Chrischonabrüdern als Kolporteure und Krankenpfleger bei den Deutschen Heeren. Ihre Organe sind: "Der Glaubensbote", "Chrischona-Blättchen" und "Jahresbericht".

Chrisfal, Schriftstellername des portug. Dichters Christovam Falcão (s. d.).

Chrisma (grch., Salbe), Chresam, Chresem, Chrisam, das aus Olivenöl und Balsam bestehende Salböl, welches in der griech. und röm.-kath. Kirche neben dem reinen Olivenöl (Kranken- und Katechumenenöl) zur Salbung (s. d.) angewendet wird. Der jährliche Bedarf an C. für die einzelnen Diöcesen wird in der röm.-kath. Kirche, ebenso wie jenes Öl, am Gründonnerstage von den Bischöfen geweiht; in der griech. Kirche weihen es die Patriarchen.

Chrismageld (Chrismales denarii), das Geld, welches die Priester dem Bischof für das Chrisma (s. d.) zu entrichten haben.

Chrismale, in der kath. Kirche ein weißes Tuch, welches den zu Salbenden um die Stirn gebunden wird, damit das Salböl (s. Chrisma) nicht herabfließen kann.

Chrismarium (lat.), Gefäß für das Chrisma (s. d.); dann Reliquienkästchen; auch der Ort, wo die Firmelung vollzogen wird.

Chrismon, ein eigentümliches Zeichen, die symbolische Anrufung Gottes (neben der durch Worte ausgedrückten) bedeutend, am Anfange der Königsurkunden, in der ältesten Form (bei den Merowingerurkunden) einem griech. χ, später mehr einem C gleichend. An beiden Formen finden sich zahlreiche Verschnörkelungen, in der Ausbiegung des C Verschlingungen mit eingezeichneten tironischen Noten (s. d.); einzelne sind von Sickel entziffert, z. B. "ante omnia Christus". Vom 11. Jahrh. an bleibt nur das C und auch dieses verschwindet im Anfang des 13. Jahrh.; nur in Klosterurkunden hält es sich länger. Ein gleiches Zeichen findet sich häufig auch am Ende des Urkundentextes vor der Unterschrift des Kanzlers oder Notars und bisweilen erscheinen ähnliche Zeichen, nur kleiner, auch an andern Stellen der Urkunden. Weil unter den verschiedenen Deutungen des χ und C (Jesus, Christus?) auch das Wort "crux" Anklang fand, erscheint in vielen Urkunden später ein einfaches Kreuz.

Christ, Joh. Friedr., Archäolog, geb. 1701 zu Coburg, studierte in Jena, Halle und Leipzig und wurde daselbst 1739 Professor der Poesie und 1756 Rektor der Universität. Er starb 3. Aug. 1756 zu Leipzig. C. führte zuerst die Archäologie als Disciplin in den Cyklus der Universitätsstudien ein. Lessing und Heyne waren seine Schüler. Seine "Abhandlungen von der Litteratur und den Kunstwerken des Altertums" wurden erst 20 Jahre nach seinem Tode von Zeune herausgegeben (Lpz. 1776). C. selbst gab Bd. 1 u. 2 von Lipperts "Dactyliothek" (ebd. 1755-56) heraus; den Rest besorgte Heyne. Ferner schrieb C.: "Noctes academicae" (Halle 1729), "Magisteria veterum in poculis" (Lpz. 1745-49), "De murrhinis" (ebd. 1743) und gab den Phädrus heraus (ebd. 1748). - Vgl. Dörffel, J. F. C., sein Leben und seine Schriften (Lpz. 1878).

Christ, Wilh. von, Philolog, geb. 2. Aug. 1831 zu Geisenheim im Rheingau, studierte 1850-53 in München und Berlin klassische Philologie und vergleichende Sprachwissenschaft, war dann Lehrer am Maximilians-Gymnasium in München, bis er 1860 als Professor der klassischen Philologie an die Universität München berufen wurde. Auch ist C. Vorstand des philol. Seminars und Konservator des königl. Antiquariums. Aus seiner Stellung als ständiges Mitglied des obersten Schulrats schied er 1892 wegen der Agitationen der Klerikalen, die er durch eine Rektoratsrede ("Reform des Universitätsunterrichts", Münch. 1892) erregt hatte. 1876 erhielt er mit dem Verdienstorden der bayr. Krone den persönlichen Adel. C.s größere Werke sind: "Grundzüge der griech. Lautlehre" (Lpz. 1859), "Anthologia graeca carminum christianorum") (gemeinsam mit Paranikas, ebd. 1871), "Metrik der Griechen und Römer" (2. Aufl., ebd. 1879); kritische Ausgaben des Pindar (1869) und der "Poetik" und "Metaphysik" des