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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Cicero

Zurückgezogenheit sich auch mit Wissenschaften beschäftigte. Der Vater zog bald mit ihm und seinem jüngern Bruder Quintus, der bessern Ausbildung der Söhne wegen, nach Rom, wo Marcus durch seine Lernbegierde und Fähigkeiten sich hervorthat und bei den ersten damaligen Rednern, Crassus und Antonius, Zutritt erhielt. Von seinem 17. Jahre an widmete er sich unter der Leitung des berühmten Rechtsgelehrten Quintus Mucius Scävola (des "Augurs") dem Studium des Rechts, diente im 18. Lebensjahre im Bundesgenossenkriege, kehrte aber bald zu Beredsamkeit und Recht, worin ihn nach dem Tode des Scävola dessen gleichnamiger, noch berühmterer Neffe ("der Pontifex") unterrichtete, und daneben auch zu philos. Studien zurück, worin ihn besonders der Unterricht des Akademikers Philon förderte. 25 J. alt, trat er zuerst vor Gericht auf, und zwar in Civilprozessen, dann in einer Kriminalsache (Verteidigung des auf Vatermord angeklagten Sextus Roscius aus Ameria). Zu seiner weitern Ausbildung unternahm er 79 eine Reise zunächst nach Athen, wo er die angesehensten Philosophen, wie den Akademiker Antiochus und die Epikureer Phädrus und Zeno hörte, dann nach Kleinasien und Rhodus, wo er hauptsächlich den Unterricht des Rhetors Apollonius Molon und des Stoikers Posidonius genoß. Nach 2 Jahren kehrte er nach Rom zurück und verheiratete sich mit Terentia. 76 wurde ihm einstimmig die Quästur übertragen. Diese verwaltete er 75 in Sicilien, wo er sowohl für Rom (große Getreidelieferungen bei der dort herrschenden Teuerung) als auch für die Sicilier im besten Sinne thätig war.

Nach der Rückkehr nach Rom bewarb er sich 70 um die kurulische Adilität und führte mit glänzendem Erfolge im Auftrage der Provinz Sicilien die Anklage wegen Erpressung gegen den trotz aller Schändlichkeiten von einflußreichen Staatsmännern unterstützten, vom Redner Hortensius verteidigten Prätor C. Verres. Dieser ging ins Exil, ohne das Ende des Prozesses abzuwarten. Da C. während desselben nur eine kurze einleitende Rede (die erste "Verrinische") gehalten hatte, so veröffentlichte er nachträglich die große Anklageschrift. Als Ädil erwarb er sich durch weise Freigebigkeit die Gunst des Volks, das ihm für das J. 66 einstimmig die Prätur übertrug. Bei der Bewerbung um das Konsulat galt es die Unterstützung des Pompejus zu gewinnen. Er sprach darum für den Antrag des Manilius, dem Pompejus zu seinem Oberbefehl über die Meere und Küsten die Führung des Krieges in Asien mit weitgehenden Vollmachten zu übertragen. Trotz der Intriguen mehrerer seiner Mitbewerber, besonders des Catilina (s. d.), wurde er zum ersten Konsul für das J. 63, zu seinem Kollegen allerdings sein Gegner Antonius ernannt. Damit erreichte er den Höhepunkt seines polit. Lebens. Den Hauptglanz verlieh seinem Konsulat die Thatsache, daß es ihm gelang, die Verschwörung Catilinas zu vereiteln, nach dessen Fall ihn die ersten Männer der Nobilität als den Retter des Vaterlandes begrüßten. Doch seine Feinde ruhten darum nicht, und das von C. eingehaltene summarische Verfahren gegen die Catilinarier gab ihnen eine Waffe gegen ihn in die Hand. Die von Cäsar wiederholt angebotene Verständigung lehnte er ab, und Pompejus war ein unzuverlässiger Gönner. C. sah allmählich sein Ansehen sinken und sogar seine Sicherheit bedroht. Um ihn zu stürzen, setzte der Tribun Clodius ein Gesetz durch, welches die Strafe der Landesverweisung auf die Hinrichtung eines Bürgers ohne Urteil setzte. Der dadurch bedrohte Konsular legte Trauerkleider an, und gleich ihm thaten dies viele Ritter, auch die Mehrzahl der Senatoren. Aber bei den Machthabern fand C. keinen Schutz gegen Clodius, und so wählte er 58 v. Chr. eine freiwillige Verbannung, die aber Clodius nachträglich auch noch über ihn durch einen eigenen Volksbeschluß aussprechen ließ, durchirrte Italien und nahm endlich seine Zuflucht nach Thessalonich zum Quästor Cu. Plancius. Clodius ließ indes durch seine Banden C.s Haus auf dem Palatin niederbrennen, seine Landhäuser plündern und auf jener Brandstätte einen Tempel der Freiheit erbauen. Selbst C.s Gattin und Kinder waren Mißhandlungen ausgesetzt.

Indessen bereitete sich zu Rom eine Änderung zu Gunsten des Verbannten vor. Nachdem bereits im J. 58 Schritte zu diesem Zwecke gethan waren, stellte besonders auf Anregung des Pompejus der neue Konsul P. Cornelius Lentulus Spinther einen Antrag auf Zurückberufung, und Anfang Aug. 57 wurde diese von der Volksversammlung beschlossen. Von den italischen Städten freudig begrüßt, kam C. Anfang September nach Rom zurück, wo sein Einzug einem Triumph glich. Für die erlittenen Verluste wurde ihm eine Geldentschädigung zuerkannt, die Weihung des Tempels auf seinem Hausplatze für ungültig erklärt und der Wiederaufbau gestattet. Allein trotzdem war C.s Glanzzeit vorbei. Eingeschüchtert, schwankte er zwischen der Partei der Optimaten und der Triumvirn hin und her, bald mehr im Vordergrund des polit. Lebens, bald als Redner vor den Gerichten thätig, bald zurückgezogen, mit rhetorischer und staatsphilos. Schriftstellerei beschäftigt. 53 v. Chr. trat er in das vornehme Kollegium der Augurn ein. Der Tod des Clodius (52) befreite ihn von seinem gefährlichsten Gegner; er verteidigte dessen Mörder Milo, der sein Freund und Rächer war, doch ohne Erfolg. 51 wurde C. vom Senat wider Wunsch und Neigung zum Statthalter von Cilicien ernannt.

Als solcher unternahm er einen Kriegszug gegen räuberische Gebirgsvölker und ward von den Soldaten mit dem Titel Imperator begrüßt. Als er Anfang 49 nach Rom zurückkehrte, war die Feindschaft zwischen Cäsar und Pompejus schon zum offenen Ausbruch gekommen. Nach vergeblichen Versuchen, die beiden Gegner zu versöhnen, schloß sich dann der Schwankende zunächst dem Pompejus an (ohne mit Cäsar zu brechen), blieb aber, während jener nach Griechenland ging, in Italien, wo er in Formiä eine Zusammenkunft mit Cäsar hatte. Erst als diese kein befriedigendes Resultat ergab, ging er zu Pompejus, dessen Lager der Vereinigungspunkt aller Führer der Optimatenpartei war. Nach der pharsalischen Schlacht begab er sich mit Erlaubnis Cäsars nach Italien zurück, welches Cäsars Stellvertreter Antonius verwaltete, und beschäftigte sich nun ganz mit Litteratur und Philosophie. Er schied sich 46 von seiner Gemahlin Terentia und heiratete eine schöne und reiche Erbin, Publilia, deren Vormund er war, von der er sich aber noch vor Ablauf eines Jahres ebenfalls trennte. Sein Bestreben im polit. Leben ging für jetzt nur dahin, so gut als möglich sich in die neu geschaffene Lage zu finden.

Die Ermordung des Diktators, an der er unbeteiligt war, die er aber, nachdem sie geschehen, als eine Rettung des Staates laut pries, schien dem Redner eine neue Laufbahn zu eröffnen. Aber bald

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