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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dampfkesselgesetze
lich Dampf, daß der Kessel gesprengt wird, ehe die
Sicherheitsapparate wirken tonnen, d. Vei gewisser
Beschaffenheit der Platten nimmt man an, das
Wasser werde in seine Bestandteile, Sauerstoff und
Wasserstoff zersetzt; diese, in luftförmigem Zustand
und in einer gewissen, durch die Umstände bedingten
Mengung, bilden das sog. Knallgas, welches bei
seiner Entzündung, die durch die glühenden Kessel-
platten oder durch noch nicht aufgeklärte elektrifche
Erscheinungen im Innern des Kessels bewirkt
werden kann, mit ungemeiner Heftigkeit explodiert.
4) Die Ablösung von Kesselstein (s. d.), unter
dessen Schutz die Kesselwände glübend geworden,
wodurch die unter 3 erwähnten Fälle herbeigeführt
werden können. Derartige Explosionen sind bei
zwar hinreichend mit Wasser gefüllten, nicht über-
lasteten, aber schlecht gereinigten Kesseln möglich.
5) Nach einer zuerst von Boutigny aufgestellten
Hypothese ist als eine Ursache von D. der Eintritt
des Sphäroidalzustandes des Kesselwassers (s. Lei-
denfrostscher Versuch) anzusehen. In diesem Zu-
stand, bei welchem eine Dampfschicht zwischen Wasser
und der aus irgend einem Grunde glühend gewor-
denen Wand liegt und als schlechter Wärmeleiter
wirkt, wird durch das Wasser nur sehr wenig Wärme
aus der Wand aufgenommen. Kühlt sich dagegen
diese aus irgend einem Grunde wieder ab und hört
infolgedessen der ^phärmdalzustand auf (welch letz-
tere Wirkung auch durch (^töhe und Erschütterungen
veranlaßt werden kann), so kommt die Wassermasse
mit der völlig glühenden Wand in Berührung, und
es erfolgt eine außerordentliche Dampfentwicklung.
6) Da endlich schon mehrfach der Fall vorgekom-
men ist, daß beim ersten Anheizen ganz neuer, direkt
aus der Kesselfabrik kommender Dampfkessel Ex-
plosionen erfolgt find, ohne daß irgendwelche Un-
regelmäßigkeit im Betrieb beobachtet wurde, fo fah
man sich, da keine der eben angeführten Urfachen
bier anzunehmen war, genötigt, nach einem andern
Grunde zu forfchen. Man glaubt denselben in dem
sog. Siedeverzug gefunden zuhaben. Der Siede-
verzug, welchen man auch experimentell darstellen
kann, besteht in folgender Erscheinung: Bei ganz
ruhigem Wasser, namentlich wenn keine Dampf-
entnahme stattfindet, kann die Temperatur des
Wassers ohne gleichzeitige Druckerhöhung allmäh-
lich steigen, bis durch Störung dieses labilen Gleich-
gewichtszustandes eine plötzliche Verdampfung ein-
tritt. Die Hypothese des Siedeverzugs wird durch
die Beobachtung unterstützt, daß die meisten D.
beim Wiederanlassen der Dampfmaschine nach den
durch die Mahlzeit bedingten Pausen erfolgen.
Während dieser Pausen steht der Kessel unter vollem
Dampfdruck und es kann fo der Fall eintreten, daß
das Wasser eine große Wärmemenge aufnimmt,
ohne eine entsprechende Dampfmenge zu bilden.
Wird nun bei Wiederaufnahme der Arbeit das Ab-
sperrventil schnell geöffnet, so findet eine plötzliche,
verhältnismäßig große Dampfentnahme statt; das
Wasser wird bewegt, und der in demselben enthal-
tene Wärmeüberschuß erzeugt momentan eine so
große Dampfmenge, daß der Kessel nicht im stände
ist, Widerstand zu leisten. Nach Versuchen von Du-
fours in Lausanne entstand der Siedeverzug in er-
höhtem Maße bei öligem, säurehaltigem und un-
reinem Wasser.
Nach Obigem ergeben sich zur Verhütung der D.
nachstehende Regeln: 1) Erhaltung der guten Be-
schaffenheit der Sicherheitsventile (keine zu hohe
und willkürliche Belastung), sowie der Wasserstands-
zeiger und Speiseapparate; 2) regelmäßige Feue-
rung; 3) Vermeidung aller Stöße und Erschütte-
rungen durch langsames Öffnen der Dampf- und
Sicherheitsventile; 4) rechtzeitige Reparatur aller
schadhaften Stellen, Sprünge und Risse; 5) hin-
reichender Wasservorrat im Kessel und 6) oft-
malige und sorgfältige Reinigung vom Kesselstein.
(S. Dampfkesselrevision.) Eine sorgfältige Beobach-
tung der Manometer und Wasserstandszeiger ist
allen selbstthätig wirkenden Alarmapparaten, die
übermäßige Spannung oder Wassermangel durch
Signale anzeigen, jederzeit vorzuziehen, da diese
Apparate keine absolute Zuverlässigkeit gewähren
und oft alarmieren, wenn der Kessel sich im norma-
len Zustande befindet, sodaß unnötige Betriebs-
störungen veranlaßt werden.
Die Zahl der D. ist im Vergleich zu der großen
Anzahl der bestehenden Dampfkessel und zu der
Häufigkeit anderer Unfälle im gewerblichen Betrieb
gering. Folgende Tabelle giebt für die I. 1877
-92 die Anzahl der D. im Deutschen Reiche und
der dabei verletzten Perfonen:
Zahl der
Zahl der
! Zahl der
Zahl der
Jahr
Ex-
verletzten
Jahr Ex-
verletzten
plosionen
Personen
! plosionen
Personen
1877
20
58
1885 ! 13
22
1878
18
32
1886 ! 16
23
1879
18
78
1887 ! 14
83
1880
20
29
1888 15
11
1881
11
47
1889 16
28
1882
11
48
1890 10
21
1883
14
55
1891 z 10
l 10
1884
14
45
1892 ! 18
' 41
Im Vergleich mit der fortwährend wachsenden
Zahl der Dampfkessel bedeuten vorstehende Ziffern
eine wefentliche Abnahme der D. Diese Abnahme
in der Zahl der D. ist zu danken sowohl den Er-
fahrungen, die man bei den Dampfkefselrevisioncn
und bei den Untersuchungen über die Ursachen der
einzelnen D. im Laufe der Zeit gesammelt hat, als
auch den Fortschritten, die in der Herstellung beson-
ders zähen Kesselmaterialö gemacht worden sind;
endlich hat auch die immer steigende Anwendung
der Wasserröhrenkessel (s. Dampfkessel, S. 725d),
bei denen die Explosionsgefahr eine sehr geringe ist,
einen entschiedenen Einfluß gehabt.
Vgl. Grimburg, Zur Frage der D. (Zur. 1865);
Hartig, Die D. (Lpz. 1867); Scheffler, Die Ursachen
der D. (Berl. 1867); Kesseler, Die D. und das Haft-
pflichtgesetz (Greifsw. 1874); Kosak, Die Ursachen
der D. und die Mittel zu ihrer Verhütung (Wien
1876); Martini, Über D. (Elberf. 1870)' Mnvmer,
Über Dampfkesselzerstörungen u. s. w. (Lpz. 1884);
Verzeichnis der D. im Deutschen Reich, veröffent-
licht in der Statistik des Deutschen Reichs (seit 1877).
Dampfkefselgesetze.ZurAnlegung von Dampf-
kesseln im Deutschen Reiche ist in jedem Falle nach
Reichsgewerbeordnung §. 24 polizeiliche Genehmi-
gung erforderlich. Dampfkessel im Sinn des Ge-
setzes sind geschlossene, zur Erzeugung von Dampf
bestimmte Gefäße. Die Genehmigung erfolgt auf
Antrag nach Prüfung in bau-, feuer- und sanitäts-
polizeilicher Beziehung, welche nach den Vorschriften
vom 5. Aug. 1890 und etwaigen landesrechtlichen
Vorschriften zu gescheben hat. Für Preußen ist eine
Anweisung des Handelsministers vom 16. März