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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dampfmaschine
gegen alles Vorhergehende zeigten. Die Verbindung
von Dampfcylinder und Kurbellager geschah bei
horizontalen Maschinen bis dahin stets mittels des
sog. Grund- oder Bettbalkens, einer horizontal in
chrer ganzen Länge auf dem Fundamentmauer-
werk aufliegenden Grundplatte, auf welche an dem
einen Ende der Cylinder, am andern seitlich das
Kurbellager angeschraubt wurde. Corlih wendete
zuerst einen seitlichen Verbindungsbalken (Corlih-
Balken, Vajonettbalken) zwischen Kurbellager
und Cylinder an, der den auftretenden Kräften besser
Widerstand leistet, eine festere Verbindung zwischen
Cylinder und Kurbellager und dabei auch eine ele-
gantere Form gestattet. Dieser Corliß-Balken wurde
daher ungemein schnell von allen Maschinenfabriken
angenommen und bildet den Normalrahmen der
größern liegenden D. über die Steuerung der
Corliß-Maschine s. unten (S. 740 a).
Bei dem Bestreben, die Erpansion des Dampfes
aus Rücksicht auf ökonomischen Betrieb soweit als
möglich zu treiben, kam man bald zur Erkenntnis,
dah bei großer Erpansion in nur einem Cylinder
die Vorteile sehr bald durch Nachteile wieder auf-
gehoben wurden. Infolge der großen Temperatur-
differenzen, welche bei starker Expansion im Cylinder
eintreten, sindet eine starke Abkühlung der Cylinder-
wände statt, sodaß der eintretende Admissionsdampf,
auf die abgekühlten Wände stoßend, in hohem Maße
sich niederschlägt. Die starken Druckdifferenzen,
welche zwischen beiden Seiten des Kolbens statt-
finden, lassen durch die Undichtigkeiten zwischen
Kolben und Cylinderwandung beträchtliche Mengen
Dampf nutzlos entweichen, und weiterhin ergeben
die großen Differenzen der Kolbendrucke einen un-
regelmäßigen Antrieb der Maschine, sodaß nur durch
schwere Schwungräder der Ungleichsörmigkeitsgrad
des Ganges der Maschine auf das zulässige Maß
gebracht werden kann. Diese Umstände führten
zur Konstruktion der Zweifach-Expansions-
Maschine, die sich in zwei Klassen, Woolfsche und
Compo und Maschinen, einteilen. Das Princip,
auf dem beide beruhen, läßt sich kurz so ausdrücken:
Der Kesseldampf als Admissionsdampf wirkt zuerst
in einem kleinern Cylinder, entweder mit vollem
Druck während des ganzen Kolbenhubes oder mit
teilweiser Expansion, und giebt so nur einen Teil
seiner Arbeit ab. Die durch weitere Expansion noch
zu erzielende Arbeitsleistung wird in einem größern
Cylinder, in den der Dampf aus dem ersten ge-
leitet wird, nutzbar gemacht. Das unterscheidende
Merkmal der beiden genannten Arten von D. be-
steht darin, daß in der Woolfschen Maschine beide
Kolben ihren Hub gleichzeitig vollenden, während
bei der Compoundmaschine die Kurbeln um einen
Winkel von 90" resp. 120", 72°, 108° versetzt sind,
sodah der eine Kolben nahezu in der Mitte seines
Hubes steht, wenn der andere am Ende seines Weges
angelangt ist. Diese letzte Anordnung macht jedoch
einen Zwischenbehälter, Receiver soder Aufneh-
mer), notwendig, welcher den Dampf auf seinem
Wege vom kleinern zum größeren Cylinder aufnimmt.
Von diesem Behälter haben solche Maschinen auch
den Namen Receiver-Compouno Maschinen
erhalten. Durch Einführung der Compoundmaschine
ist eine ganz wesentliche Ersparnis in Bezug auf den
Dampfverbrauch pro Pferdestärke und Stunde her-
beigeführt worden, wobei auch der Vorteil großer
Gleichförmigkeit des Ganges bei Maschinen für
Spinnereien, Webereien u. s. w. sehr ins Gewicht
Brockhaus' Konversationslexikon. 14. Aufl.. IV.
fällt. In den letzten 15-20Hahren hat man nun das
Princip der Compoundmaschme unter immerwähren-
der Steigerung des Kesseldruckes mehr und mehr
ausgebildet. Man ist von der Compoundmaschine
mit Expansion in zwei Cylindern auf Dreifach-
Expansionsmaschinen übergegangen, in denen
der Dampf der Reihe nach den kleinen, mittlern und
großen Cylinder durchströmt und in jedem Cylinder
einen Teil seiner Arbeit leistet. Natürlich machen
sich bei diesen D. zwei Receiver notwendig, welche
den Dampf einmal zwischen dem kleinen und mitt-
lern, dann zwischen dem mittlern und großen Cylin-
der aufnehmen. Bei derartigen Maschinen mit
Kondensation hat man bei vorzüglicher Ausführung
aller Teile den Dampfverbrauch außerordentlich
herabgezogen, Untersuchungen haben ergeben, daß
an dergleichen Maschinen pro indizierte Pferdestärke
und Stunde nur etwa 6 K3 Dampf verbraucht
wurden. In den letzten Jahren ist man auch zu
Compo und Maschinen mit vierstufiger
Expansion übergegangen, und es haben solche
Maschinen außer für Schiffe auch als stationäre
Maschinen Ausführung gefunden. Unter Voraus-
setzung eines entsprechend erhöhten Kesseldruckes
läßt sich wohl noch eine, wenn auch geringe Erspar-
nis an Dampf pro Pferdestärke und Stunde und
somit an Brennmaterial und Betriebskosten der
Dreifach-Expansionsmaschine gegenüber erwarten.
Einer Gattung von stationären D., welche in den
letzten 20 Jahren, sich ihrem Zwecke entsprechend ent-
wickelt haben, wäre noch zu gedenken, das ist die D.
für denBetrieb von Dynamomaschinen für
elektrische Beleuchtungsanlagen. Die Entwicklung
dieses Zweiges des Dampfmaschinenbaues steht in
enger Beziehung zur Entwicklung der Dynamo-
maschinen überhaupt. Im Anfang handelte es sich
in der Hauptsache darum, zum Betriebe der Dyna-
mos, die eine groheUmdrehungszahlpro Minute ver-
langten, D. meist geringerer Leistung, aber großer
Tourenzahl und gleichförmigen Ganges zu bauen;
so entstanden kurzhubige, schnelllaufende Maschinen,
eincylindrig, Zwillings- oder Compoundmaschinen,
letztere meist ohne Kondensation, bei denen ein spar-
samer Dampfverbrauch nicht zu erreichen war. Bei
den großen Anlagen der letzten Jahre aber, für die
Zwecke städtischer Beleuchtung, wo sehr große, lang-
samer laufende Dynamos zur Verwendung kommen,
sind D. konstruiert worden, die, wegen der Be-
dingung gleichmäßigen Ganges, in Bezug auf ihre
Regulierung eine außerordentliche Durchbildung er-
fahren und außerdem einen ökonomischen Betrieb
gewährleisten muhten.
Man unterscheidet bei den heutigen D. die ge-
samte Dampfmafchinenanlage oder Dampf-
anlage und die eigentliche D. Die Dampfmaschinen-
anlage umfaßt zugleich den Apparat zur Erzeugung
des Wasserdampfes (den Dampfkessel, s. d.), die Ein-
richtung zur Leitung desselben nach der Maschine
(die Dampfleitung, f. d.) und die eigentliche D., in
der die Umfetzung der Wärme in Arbeit stattfindet.
Die Wirkungsweise der einzelnen Aaupttcile
einer D. werde an der auf Taf. I, Fig. 3 im Schnitt
dargestellten vertikalen Eincylindermaschine
erläutert. Der aus dem Dampfkessel kommende
Dampf gelangt durch das Rohr N nach dem Schieber-
kasten X; in diesem befindet sich der^Dampfschieber,
der mit seiner Stange bei t an die Stange 8 des auf
der Welle sitzenden Excenters t angehängt ist und
dadurch eine auf und ab gehende Bewegung erhält.
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