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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dänemark (Geschichte)

preuß. Note vom 18. Juni verlangte bestimmte Antwort, mit dem Bemerken, daß davon der Umfang der beabsichtigten Abtretung abhängig sei. Nach längerer diplomat. Verhandlung erklärte endlich eine dän. Note vom 9. März 1868, daß D. sich auf besondere Garantien nur dann einlassen könne, wenn die Abstimmung, resp. Abtretung in einer den Wünschen der Bevölkerung entsprechenden Ausdehnung gewährt werde. Darauf stockte die Unterhandlung und wurde seitdem nicht wieder aufgenommen. Die Angelegenheit fand erst 1878 ihren Abschluß, wo das Deutsche Reich und Österreich übereinkamen, den betreffenden, auf die Wiedervereinigung der nördl. Distrikte Schleswigs mit D. bezüglichen Teil des Art. 5 des Prager Friedens aufzuheben. Das Übereinkommen trug das Datum des 11. Okt. 1878 und wurde, als bei Gelegenheit der Verheiratung des Herzogs von Cumberland (des frühern Kronprinzen von Hannover) mit der Prinzessin Thyra von Dänemark am dän. Hofe welfische Demonstrationen (Dez. 1878) stattfanden, vom "Deutschen Reichsanzeiger" 4. Febr. 1879 veröffentlicht.

Im allgemeinen wurde die Regierung D.s nach der Katastrophe von 1864 vom konservativen Ministerium unter dem Vorsitze Bluhmes mit Mäßigung geführt. Zunächst handelte es sich darum, die Verfassungsverhältnisse zu vereinfachen, da auf die Dauer unmöglich beide Grundgesetze von 1848 und 1863 und zwei parlamentarische Versammlungen, Reichsrat und Reichstag, nebeneinander fortbestehen konnten. Die Partei der Bauernfreunde befürwortete eine Rückkehr zu dem mehr demokratischen Grundgesetz von 1849, aber die Nationalliberalen befürchteten davon ein Überwuchern der Bauerndemokratie und unterstützten das Kabinett, welches mehrere Verfassungsbestimmungen von 1863, namentlich betreffend die Bildung des Landsthings u. s. w., beizubehalten wünschte. Die ersten Verhandlungen mit dem Reichsrate wegen der Verfassungsreform, Neujahr bis April 1865, blieben resultatlos, worauf der König das Folkething des Reichsrats auflöste. Ende August trat der Reichsrat wieder zusammen; doch auch das neugewählte Folkething widersetzte sich der Regierungsvorlage. Endlich einigte sich ein gemeinsamer Ausschuß beider Kammern über einen modifizierten Entwurf, worauf das Ministerium Bluhme zurücktrat. Das 6. Nov. neugebildete Kabinett unter dem Vorsitz eines der größten Grundbesitzer, Graf Krag-Juel-Vind-Frijs von Frijsenborg, nahm den Entwurf des gemeinsamen Ausschusses an, und es gelang nunmehr, die Verfassungsreform sowohl beim Reichsrate Nov. wie auch beim Reichstage Dez. 1865 durchzusetzen. Jedoch die Reform mußte in verfassungsmäßiger Weise nochmals von beiden parlamentarischen Versammlungen behandelt werden. Nachdem der Reichsrat seine definitive Genehmigung erteilt und zum letztenmal das Budget bewilligt hatte, wurde derselbe 12. Mai 1866 geschlossen und verschwand damit aus dem öffentlichen Leben D.s. Auch die beiden Kammern des Reichstags gaben ihre endgültige Zustimmung, 19. und 27. Juli, und durch die königl. Sanktion vom 28. Juli 1866 erlangte das neue Grundgesetz endlich gesetzliche Kraft. Am 2. Nov. 1867 schlossen die Regierung der Vereinigten Staaten und D. einen Vertrag über den Verkauf der westind. Inseln St. Thomas und St. Jean, welcher, nachdem die Einwohner beider Inseln durch allgemeine Abstimmung sich mit der beabsichtigten Annexion einverstanden erklärt hatten, vom dän. Reichstage genehmigt und 31. Jan. 1868 vom König ratifiziert ward. Doch ist der Vertrag von selbst wieder rückgängig geworden, nachdem der Senat in Washington auch die verlängerte Frist bis zum April 1870 verstreichen ließ, ohne seinerseits die erforderliche Ratifikation zu erteilen. Bald darauf trat das Ministerium Frijs zurück, und Graf Holstein von Holsteinborg bildete ein neues konservatives Kabinett, in das auch Hall als Minister des Kultus und öffentlichen Unterrichts eintrat, 28. Mai 1870. Diesem folgte 14. Juli 1874 das liberalere Ministerium Fonnesbech und 11. Juni 1875 das Ministerium Estrup. Die Reorganisation der gesamten Kriegsmacht, eine rege Wirksamkeit auf dem Gebiete des Kommunalwesens sowie eine bedeutende Entwicklung der Verkehrsmittel zeichnen diese Zeit aus, während andererseits die Parteigegensätze im Reichstage und die erfolglosen Bestrebungen, die unaufhörlich sich wiederholenden Konflikte zwischen dem Folkething und der Regierung zu beseitigen und ein wirklich parlamentarisches Regierungssystem einzuführen, der gesetzgebenden Thätigkeit und überhaupt einem erfolgreichen Zusammenwirken der staatlichen Faktoren große Hindernisse in den Weg legten.

Die Opposition des Folkethings verfolgte das Ziel, den König zur Annahme des Parlamentarismus und demgemäß zur Wahl seiner Minister aus der Kammermehrheit zu bewegen. 1872 erhielt sie die Mehrheit im Foltething und wuchs 1876 auf 74 gegen 27. Der Gegensatz zwischen dem Folkething einerseits und dem Landsthing und der Regierung andererseits schien nun unversöhnlich zu sein. Da das Folkething das Budget ablehnte, wurde 12. April 1877 ein provisorisches Finanzgesetz erlassen. Kurz nachher spaltete sich die Opposition in zwei Parteien, Gemäßigte und Radikale; daher gelang es dem Ministerium Estrup 1880, zwei wichtige Gesetze, Landheer und Marine betreffend, durchzuführen. 1881 begann indessen der Streit von neuem zwischen der Regierung und der nun wieder vereinigten Linken; das Finanzgesetz, anfänglich abgelehnt, wurde 1882-84 doch wieder aus regelmäßige Weise durchgesetzt. Die Wahlen von 1884 verstärkten aber die "Vereinigte Linke" im Folkething auf 83 Sitze, während sie im Landsthing nur 12 Parteigenossen hatte. Der Konflikt ward nun schärfer, sodaß 1. April 1885 wiederum ein provisorisches Finanzgesetz erlassen werden mußte, während andererseits die Mehrheit im Folkething beschloß, die Behandlung aller Vorlagen der Regierung abzulehnen, bis das Ministerium Estrup zurückgetreten sei. Als dann 21. Okt. 1885 ein Attentat auf den Ministerpräsidenten verübt wurde, zogen 12000 Personen vor die Wohnung desselben und brachten ihm ihre Huldigungen dar. Eine andere wichtige Folge war, daß die Sitzungen des Reichstags aufgeschoben und drei provisorische Gesetze (Errichtung eines Gendarmeriekorps u. a.) erlassen wurden. Als der Reichstag wieder zusammengetreten war, ward kurz nachher der Präsident des Folkethings, Berg (s. d.), zu sechsmonatiger Gefängnisstrafe vom Höchsten Gericht verurteilt. Unter solchen Umständen mußte der Konflikt immer schärfer werden, und es gelang der Regierung seither nicht, das Budget in gesetzlicher Form festzustellen. Um Kopenhagen und das Land gegen Überraschungen zu schützen, legte die Regierung dem Reichstage