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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Dante Alighieri

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Dante Alighieri

Dante Alighieri, der erste Dichter Italiens, zugleich einer der größten Dichter überhaupt, wurde zwischen dem 18. Mai und 17. Juni 1265, seiner eigenen Angabe nach in Florenz, geboren. Sein Ahnherr Cacciaguida soll am zweiten Kreuzzuge teilgenommen haben und von Konrad III. zum Ritter geschlagen worden sein. Seine Vorfahren gehörten wahrscheinlich zu den florentin. popolani, d. h. zu den Leuten aus dem Volke; sein Vater Aldighiero II., allem Anscheine nach ein unbedeutender Mann, war zweimal vermählt; mit einer Bella aus unbekanntem Geschlechte, D.s Mutter, und sodann mit einem Mädchen aus dem Volke, Lapa Cialussi. Er starb um 1275 und hinterließ D. mit einer Stiefmutter, einem Stiefbruder Francesco und einer Stiefschwester unbekannten Namens. Eine gelehrte Bildung hat D. in seiner Jugend wohl nicht erhalten, sich aber durch Privatfleiß sehr bedeutendes Wissen erworben. Nach seiner Aussage verdankte er in dieser Beziehung sehr vieles dem Brunetto Latini, der, ohne sein Lehrer im eigentlichen Sinne zu sein, ihm mit Rat und That beigestanden und seine Bildung nicht unwesentlich beeinflußt zu haben scheint. Von seinem neunten Jahre an erfüllte den Dichter eine reine aber heftige Liebe zu einem um ein Jahr jüngern Mädchen, das er, nach Dichterbrauch, mit einem selbstgewählten Namen, Beatrice, genannt hat. Wer sie war, ist nicht bekannt; sicher ist, daß sie in Wirklichkeit nicht Beatrice hieß und nicht die Tochter des Folco Portinari und spätere Gattin des Simone dei Bardi gewesen sein kann, wie früher vielfach angenommen wurde (vgl. Scherillo, La Beatrice di D., Neap. 1887; Scartazzini, Dante-Handbuch, S. 171-194) und noch jetzt von namhaften Forschern angenommen wird (vgl. Del Lungo, Beatrice nella vita e nella poesie del secolo XIII, Mail. 1891; Berthier, Beatrice Portinari, Freiburg in der Schweiz 1893). Ebenso sicher ist, daß sie ein reales Weib und nicht eine bloße abstrakte Personifikation war. Sie starb erst 24jährig im Juni 1290. Nachdem er sie lange betrauert, warf sich D., Trost suchend, mit übermenschlichem Eifer auf die Studien, namentlich der Philosophie, in der ausgesprochenen Absicht, die Fähigkeit sich zu erwerben, die frühverstorbene Geliebte würdig zu verherrlichen, wie es dann auch in seinem Hauptwerke geschehen ist. Daneben beteiligte er sich auch aktiv am polit. Leben seiner Vaterstadt. Einer alten Überlieferung zufolge, welche auf verloren gegangene Briefe des Dichters sich stützt und auf Andeutungen in seinem Hauptwerke sich berufen kann, focht er gegen die Aretiner in der siegreichen Schlacht bei Campaldino (11. Juni 1289) und war im August desselben Jahres bei der Eroberung der Feste Caprona zugegen. Nachdem er mehrere andere Ämter bekleidet, wurde er 1300 Prior, d. h. Mitglied der florentin. Regierung. 1301 wurde ihm die Leitung der Arbeiten an der Korrektion einer Straße der Stadt Florenz übertragen, auch war er Mitglied des Rates der obern und desjenigen der sämtlichen Zünfte. Er widersetzte sich den Bestrebungen des Papstes Bonifaz VIII., der Florenz und ganz Toscana dem Kirchenstaate einzuverleiben strebte. Der Papst benutzte die aus Pistoja übertragenen Streitigkeiten zwischen den Parteien der Weißen, an deren Spitze die Cerchi, und der Schwarzen, an deren Spitze die Donati standen, um Karl von Valois, den Bruder Philipps des Schönen von Frankreich, als angeblichen Friedensstifter nach Florenz zu berufen. Karl von Valois zog 1. Nov. 1301 in die Stadt, die er ganz in die Gewalt der Schwarzen spielte. Eine große Anzahl der angesehenen und einflußreichen Weißen, darunter auch D., wurde aus der Stadt verbannt, ihre Güter wurden eingezogen, ihre Häuser niedergerissen. Auf das erste Verbannungsurteil vom 27. Jan. 1302 folgte das zweite vom 10. März desselben Jahres, durch den Zusatz verschärft, daß D. und vierzehn Genossen zum Tode verurteilt seien, falls sie je in die Gewalt der Florentiner Kommune geraten würden, ein Urteil, das, weit entfernt aufgehoben zu werden, 6. Nov. 1315 erneuert und diesmal auch auf die Söhne des Dichters ausgedehnt wurde.

D., der nach der Katastrophe vom Nov. 1301 mit andern Weißen aus Florenz entflohen war, hat die Vaterstadt nicht wieder gesehen, trotz der glühenden Sehnsucht danach, die ihn die langen Jahre der Verbannung hindurch niemals verlassen hat. Sein Leben in der Verbannung ist meistens in Dunkel gehüllt. Er selbst klagt, er habe nahezu ganz Italien, ein Pilger und beinahe ein Bettler, durchwandert. Zunächst verband er sich mit seinen Schicksalsgenossen, die sich die Rückkehr nach Florenz vergebens mit Gewalt zu erzwingen suchten. Von denselben schwer beleidigt, verließ er sie und ging nach Verona, wo er am Hofe des Bartolommeo della Scala gastliche Aufnahme fand. Aber Bartolommeo starb bereits 7. März 1304, und sein Bruder und Nachfolger Alboin scheint dem Dichter nicht günstig gesinnt gewesen zu sein, weshalb dieser wiederum zum Wanderstabe griff. Man glaubt, er habe sich nach Bologna begeben und sich daselbst, wie später in Ravenna, dem Lehrfach gewidmet. Am 1. März 1306 wurden die Ghibellinen aus Bologna vertrieben, mit ihnen auch D., der, obwohl allem Parteiwesen abgeneigt, zu den Ghibellinen hielt. Man glaubt, er sei mit den verbannten ghibellinischen Professoren und Studenten nach Padua gezogen, wo nach einer Urkunde 27. Aug. 1306 ein "Dantino, Sohn des weiland Aldighiero aus Florenz" als Zeuge fungierte. In jüngster Zeit ist aber der Beweis angetreten worden, daß der Dantino (= Däntchen) der Urkunde gar nicht unser Dichter sei. Jedenfalls war dieser im Okt. 1306 nicht, oder nicht mehr, in Padua, sondern in der Lunigiana, woselbst er beauftragt wurde, einen Friedensvertrag zwischen den Markgrafen Malaspina und dem Erzbischof Antonio von Luni zu stande zu bringen, was ihm denn auch zur Zufriedenheit der Markgrafen, seiner Gastgeber, gelang. Von 1306 an verlieren sich seine Spuren fast ganz. Da keine genügenden Gründe vorliegen, D.s Aufenthalt in Paris zu bezweifeln, dürfte derselbe gerade in diese Jahre fallen, in welchen sich in Italien keine Spuren des großen Verbannten finden. Dort finden wir ihn wieder zur Zeit des Römerzuges Kaiser Heinrichs VII. von Luremburg; auf ihn setzte D. große Hoffnungen, die zuerst durch die vergebliche Belagerung von Florenz und dann durch den 1313 erfolgten Tod des Kaisers vernichtet wurden. Die letzten Lebensjahre, etwa von Ende 1316 an, brachte D. in Ravenna zu, unter dem Schutze Guido Novellos von Polenta, wahrscheinlich als Lehrer wirkend und von seinen Kindern umgeben. Hier starb er 14. Sept. 1321, kaum von einer Gesandtschaft nach Venedig, womit ihn Guido da Polenta betraut hatte, zurückgekehrt, im Alter von wenig mehr als 56 J. kurz darauf gestürzt und vertrieben, konnte Guido seine